Erst landeten lästig gewordenen Corona-Anschaffungen im Tierheim, nun droht eine neue Welle aufgrund gestiegener Behandlungskosten.
Hohe Tierarztrechnungen in KölnVon der Angst, sich den Hund nicht mehr leisten zu können
Marlies Breuer (Name geändert) kann die Tränen kaum zurückgehalten. Vor zwei Wochen musste ihr Kater eingeschläfert werden. Seitdem die 44-Jährige erfuhr, dass das Tier unter „Fip“ litt, einer durch das Corona-Virus hervorgerufenen Infektion, tat Breuer alles, um ihren Benny zu retten. Es waren drei Monate voller Hoffen und Bangen – leider ohne Happy End. Nun liegt die Rechnung eines Tierbestattungsinstituts vor ihr: 195 Euro (inklusive Energiezuschlag in Höhe von 16,81 Euro) für die Sammel-Kremierung. Es ist praktisch der letzte Posten in einem Stapel von Rechnungen, die Breuer seit Anfang März beglichen hat.
Zusammen mit den Blutuntersuchungen, den Ultraschalls und Medikamenten hat die Kölnerin rund 4000 Euro bezahlt; in der Hoffnung, dass Benny die Krankheit überwindet. Hätte es die Diagnose bereits vor einem halben Jahr gegeben, wären Trauer und Schmerz zwar nicht kleiner gewesen, aber zumindest hätte Breuer nicht annähernd so hohe Behandlungskosten gehabt.
Neue Gebührenordnung, doppelte Kosten
Seitdem im vergangenen November die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) in Kraft getreten ist, kosten einfache Untersuchungen teilweise mehr als das Doppelte. Auch für Impfungen hat sich der Preis fast um das Doppelte erhöht. Haustiere sind somit fast zu einem Luxusgut geworden, und gerade bei Geringverdienern und älteren Menschen mit kleiner Rente grassiert die Angst, sich den vierbeinigen Freund bald nicht mehr leisten zu können.
„Ja, wir merken es ganz doll“, bestätigt Bernd Schinzel, Leiter des Tierheims in Dellbrück, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage. „So haben wir das noch nie erlebt.“ Viele Hunde oder Katzen würden nicht mehr geimpft oder sterilisiert. „Die Leute können das einfach nicht mehr wuppen.“ Einige kämen mit fadenscheinigen Begründungen, aber bei näherem Nachfragen stelle sich heraus: „Ich schaffe es finanziell nicht mehr. Die Impfung. Die Operation...“
Zu Herzen gehende Schicksale
Schinzel schildert Schicksale, die zu Herzen gehen. Etwa das jenes Obdachlosen, dessen Hund einen Kreuzbandriss hatte und – wohl auch vor Schmerzen – kaum mehr laufen konnte. Aufgrund der zurückgegangenen Spendenbereitschaft könne in solchen Fällen aber auch das Tierheim nur noch bedingt helfen, sagt der Kölner, der sich wünschen würde, dass sich ein Verein oder eine Institution der Notlage annähme und Töpfe für Zuschüsse bereitstelle.
Ohne die Hilfe einer Freundin, die ihr schon mehrfach bei Behandlungskosten einen Vorschuss gewährte, wäre auch Sabine Otto in Not. Ihr aus dem spanischen Tierschutz stammender Mischling leidet unter der Mittelmeerkrankheit Leishmaniose und muss regelmäßig behandelt werden. Für Blut- und Harnuntersuchungen habe ich früher um die 140 Euro bezahlt. Nun waren es 255 Euro. „Da habe ich mich echt auf den Hintern gesetzt.“
182 Euro für die Wundversorgung
Kürzlich habe ein anderer Hund ihrem Choki ins Ohr gebissen. Da sich das Tier wie ein mustergültiger Patient verhielt, sei die Behandlung beim Tierarzt blitzschnell gegangen. Kosten für Wunddesinfektion, Antibiotikum und – aus Ottos Sicht – überflüssigem Verband: 182 Euro.
„Man fühlt sich ähnlich wie beim Auto so ausgeliefert, weil man die Sache als Laie nicht einschätzen kann.“ Aufgrund von Chokis Vorerkrankung werde sie von Tierkrankenkassen abgelehnt. Selbst eine OP-Versicherung sei nicht möglich, weil bei dem Hund langfristig mit einem Nierenleiden gerechnet werden könne.
Nach der zweiten OP von der Versicherung rausgeschmissen
Das Rund-um-Sorglos-Paket gibt es offenbar aber auch für Haustiere ohne Vorerkrankungen nicht. Wer sich auf einer der Kölner Hundewiesen umhört, gerät ganz schnell an Menschen, die von Fällen erzählen, bei denen die Halter „nach der zweiten Operation rausgeschmissen“ wurden.
Sowohl Tierheim-Leiter Schinzel als auch der Kölner Tierarzt Ralf Unna bestätigen eine entsprechende Praxis bei den Versicherungen, weshalb Tierfreunde in der Vergangenheit vielfach dazu tendierten, eine Art Sparbuch anzulegen, in das man regelmäßig einzahlte. „Aber mit ‘nem Hunni pro Monat“, so Sabine Otto, „kommt man heute vor allem im Notfall nicht mehr weit.“ Das sei bis vergangenen Herbst anders gewesen.
„Eine OP wäre die Totalkatastrophe“
„Ich darf gar nicht daran denken“, sagt Bernd Walter (Name geändert). Wenn auf seinen Barney eine ernsthafte Erkrankung oder sogar eine OP zukäme, wäre das für ihn die „Totalkatastrophe“. Walter ist schon lange arbeitslos und lebt allein. Ähnlich wie bei Sabine Otto ersetzt der Hund den nicht vorhandenen Lebenspartner.
Der Hund ist für den 58-Jährigen alles andere als ein Luxusobjekt, sondern überlebensnotwendig und ein Grund, „morgens überhaupt aufzustehen“. Natürlich wisse man bei der Anschaffung eines Tieres, dass so etwas auf einen zukommen könne. Aber mit solch einer Kostenerhöhung habe man nicht gerechnet.
Großstadthunde kostenintensiver
Auch Karin Schumacher macht die Kostenentwicklung Sorgen. Einer ihrer beiden Tierschutzhunde habe sich kürzlich beim Spielen an der Pfote verletzt. „Danach stand die Daumenkralle im rechten Winkel ab.“ Die Behandlung, nach Schumachers Schätzung „keine zehn Minuten lang“, bestand im Ziehen der Kralle mit der Pinzette, Verband und Antibiotikum für drei Tage. „Machte zusammen 107 Euro.“ Im Fall einer kostspieligeren Sache müsste sie „Freunde anpumpen“, gibt die Kölnerin zu. „Was ja peinlich ist.“
Dass Großstadthunde – beispielsweise aufgrund von Glasscherben-Verletzungen – mehr Kosten verursachen können als die Vierbeiner auf dem Land, zeigt das Beispiel des Tieres einer Klettenbergerin. Wie unzählige andere Kölner Hunde litt auch ihr Terrier im Winter an einem hartnäckigen Darmparasiten. Die Folge: blutiger Durchfall. Die Behandlung der sogenannten Giardien kostete bisher 351 Euro. Die Einschränkung „bisher“ ist deshalb nicht unwichtig, weil gerade junge Hunde sich auch wiederholt bei anderen anstecken können.