Mietbetrug in KölnTop Lage, günstiger Preis – aber die Wohnung existiert nicht
- Der Kölner Wohnungsmarkt ist hart umkämpft – Betrüger nutzen das immer wieder aus.
- Mit gefälschten Wohnungsanzeigen wollen sie potenzielle Mieter um Tausende Euro bringen.
- Ein Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat Kontakt zu den Betrügern aufgenommen und ihre Masche nachvollzogen.
Köln – Den hart umkämpften Kölner Wohnungsmarkt im Hinterkopf, liest sich die Anzeige für die Wohnung in der Rheingasse zunächst geradezu traumhaft: Drei möblierte Zimmer, zwei Badezimmer plus Küche auf 94 Quadratmetern für 620 Euro warm. Inklusive der Kosten für Strom, Internet und einen Fahrzeugstellplatz. Dazu kommt die Toplage am Heumarkt. Diese Wohnungsanzeige klingt zu gut, um wahr zu sein – sie ist es auch nicht.
Derart vermeintlich günstige Wohnungs-Angebote sind Teil einer Betrugsmasche, die seit Jahren vor allem in deutschen Großstädten angewandt wird. Immer gehen die Täter nach dem gleichen Muster vor. Wer auf sie reinfällt, ist am Ende mitunter Tausende Euro los.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ spürt dem Betrug Anfang des Jahres nach und schreibt den Inserenten der Wohnung in der Rheingasse an. Laut Angaben auf dem Mietportal Immobilienscout 24 ist es der Chef einer Münchner Immobilienfirma, das klingt seriös. Doch statt einer Antwort des Mannes über das Kontaktformular des Portals folgt auf die erste Anfrage eine E-Mail in englischer Sprache. Absenderin ist eine Niederländerin: „Danke für Dein Interesse. Kannst Du mir auf Englisch etwas mehr über Dich erzählen?“
Erst die Miete, dann die Wohnung
In Tausenden ähnlich gelagerten Fällen vermitteln die vermeintlichen Wohnungseigentümer den Eindruck, sie seien Gutverdiener aus dem Ausland, die bis vor kurzem in der Wohnung gelebt hätten. Wegen einer neuen Arbeitsstelle oder familiärer Umstände hätten sie Deutschland dauerhaft verlassen müssen. Die Wohnung, die ihnen noch immer am Herzen lege, würden sie nur ungerne verkaufen, lieber an jemanden vermieten, der sich pfleglich um die Immobilie kümmert und dafür dann eben auch nur eine geringe Miete zahlen soll.
Auch die Niederländerin schiebt einen neuen Job vor, sie sei zurück in die Heimat gezogen. Aufgrund der unerwarteten Rückkehr habe sie nur wenig Zeit gehabt, einen neuen Mieter zu finden. Sobald sie jemanden mit ernsthaftem Interesse gefunden habe, komme sie zur Mietvertragsunterzeichnung gerne nach Köln.
Nachdem ihr das Interesse an einem Mietverhältnis bestätigt wird, schreibt die Frau: „Ich bin schon einmal extra nach Deutschland gekommen und damals ist der Mieter leider abgesprungen, weil er nicht genug Geld hatte. Ich muss also sichergehen, dass das nicht noch einmal vorkommt.“ Sie schlägt einen Treuhandservice vor, die erste Monatsmiete und eine Kaution, insgesamt 1800 Euro, werden erbeten.
Betrüger nutzen falsche Ausweise
Nachfragen, ob das Geschäft nicht über andere sichere Dienste abgewickelt werden könne, blockt die Niederländerin mit standardisierten Antworten ab. Der Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erbittet von ihr eine Kopie des Personalausweises. Der Bitte kommt die Frau nach, die Kopie macht den Eindruck eines echten Ausweises. Eine Internetsuchanfrage zu ihrem Namen zeigt aber: Name und Ausweis sind in der Vergangenheit schon häufig im Zusammenhang mit Wohnungsbetrug aufgetaucht. Das Dokument ist wohl gestohlen oder gefälscht. In Foren wird davor gewarnt, weiteren Kontakt zur Frau zu halten, die nicht ist, wer sie vorzugeben scheint. Wer die E-Mails wirklich schreibt, ist völlig unklar.
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Am nächsten Tag senden die Betrüger ein Formular, das bestätigen soll, dass die Frau Eigentümerin der Wohnung ist. Auf ein spanisches Konto soll der Geldbetrag nun überwiesen werden, dort werde es solange verwahrt, bis beide Seiten auch wirklich ein Geschäft vereinbaren. Sollte man sich entscheiden, die Wohnung doch nicht zu mieten, bekomme man das Geld zurück.
Der Reporter versucht, ein Telefonat zu vereinbaren, sie hingegen verweist immer wieder auf die Zahlung. Auf nachdrückliche Fragen, warum ein Telefonat nicht möglich sei, geht die Betrügerin nicht ein. Irgendwann antwortet sie gar nicht mehr: Offenbar ist ihr klar geworden, dass in diesem Fall kein Erfolg zu erwarten ist. Hätte der Reporter die gewünschten 1800 Euro überwiesen, er hätte das Geld niemals wiedergesehen.
Firmen-Zugänge gehackt und ausgenutzt
Ein Anruf bei dem in der ursprünglichen Anzeige angegebenen Immobilienunternehmen ergibt, dass weder die Frau noch die Wohnung bekannt sind. „Von dem Betrug wissen wir aber“, sagt die Geschäftsführerin. Der Zugang der Firma zu Immobilienscout24 sei gehackt worden, an einem Tag im Januar hätten die Betrüger darüber rund 65 Wohnungen in verschiedenen Städten ins Netz gestellt. „Viele Leute haben bei uns angerufen und sich nach den Wohnungen erkundigt“, sagt die Geschäftsführerin. „Wir haben zuerst gedacht, sie hätten sich verwählt, bis wir begriffen haben, dass jemand in unserem Namen Betrug begeht.“
Bis zu 1000 falsche Angebote pro Woche
Den Betreibern der Mietportale sind die Betrügereien seit Jahren bekannt. „Betrugsversuche mit gefälschten Immobilienanzeigen beobachten wir seit 2009“, teilt eine Sprecher von Immowelt mit. Auf Immobilienscout24 wurden 2016 jede Woche bis zu 1000 gefälschte Anzeigen identifiziert und deaktiviert. Immer wieder fallen Menschen auf die Vorkasse-Masche rein, zahlen Hunderte oder Tausende Euro, um an Traumwohnungen zu gelangen, die es nicht gibt.
Da die Täter im Ausland sitzen und ausländische Konten benutzen, sind deutsche Ermittler nicht zuständig. Auch in den Online-Portalen sind sie kaum greifbar, Immobilienscout24 spricht gegenüber dieser Zeitung von einem „Katz-und-Maus-Spiel“. Die Täter würden ihre Strategie kontinuierlich anpassen. „Dazu gehört, dass sich Betrüger immer wieder mit einem neuen Nutzerkonto und einer neuen E-Mail-Adresse anmelden“, sagt ein Sprecher. „Ebenso werden Objektbeschreibungen und Fotos variiert, um unsere Sicherungsmaßnahmen zu umgehen.“
Selbst wenn man kein Geld an die Verbrecher überweist, kann man zum Opfer werden. Jessica G. (Name geändert) ist das passiert. 2012 hat die damals 18-Jährige im Schwarzwald gerade ihr Abitur gemacht und ist im Internet auf der Suche nach einer Wohnung in Köln, wo sie bald mit dem Studium anfängt. Sie kontaktiert einen Betrüger. „Er wollte für ein Zimmer in der Christophstraße am Mediapark nur 300 Euro Miete haben“, sagt die 22-Jährige. Sie sendet ihm ein Bild ihres Personalausweises. Als der Mann um Vorkasse für die Wohnung auf ein englisches Konto bittet, zweifelt Jessica G. und bricht den Kontakt ab.
Das Opfer wird zum neuen Vermieter
Etwa ein Jahr später erhält sie Nachrichten auf Facebook: „Hey, du hast doch eine Wohnung inseriert“ oder „Ich bin dein neuer Mitbewohner. Können wir über die Wohnung reden?“ G. hat keine Wohnung inseriert, sie sucht auch keinen Mitbewohner. Schnell ist klar, dass die Betrüger ihren Personalausweis nutzen und in ihrem Namen Wohnungsanzeigen ins Internet stellen.
Gegen Jessica G. wird Strafanzeige gestellt, ein brasilianischer Student hat ihr für eine Kölner Wohnung angeblich 500 Euro auf ein ausländisches Konto überwiesen. Das Verfahren wird eingestellt, der Brasilianer hat sein Geld vermutlich nie zurückbekommen. Noch im vergangenen Jahr schreibt Jessica G. ein vollkommen fremder Mann: „Hi Jessica, ich dachte, dass wir hier bei Facebook leichter wegen der Wohnung kommunizieren könnten.“
Woran man falsche Angebote erkennt
Wie kann man sich vor der Vorkasse-Masche schützen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Woran erkenne ich eine betrügerische Anzeige?
Meist sind die Objektangebote einfach „zu schön, um wahr zu sein“. Die betrügerischen Inserate zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die Miete für die angebotene Lage und die Größe der Immobilie unverhältnismäßig niedrig ist. Ein weiteres Indiz sind Wohnungsbilder, die nicht zur Objektbeschreibung passen. In vielen Fällen beträgt die Warmmiete zudem genauso viel wie die Kaltmiete, Betriebskosten werden nicht berechnet. Wenn der Anbieter zudem nur Englisch spricht und seine Angaben sich mitunter widersprechen, ist äußerste Vorsicht geboten.
Wenn man Zweifel hat, sollte man unbedingt auch mit einem Anbieter telefonieren. Verweigert er sich einem Telefonat, ist das ein Indiz dafür, dass ihm nicht zu trauen ist. Leider gibt es für Webseiten, auf denen Anbieter und Suchende zusammentreffen, keine Methoden, die unseriöse Kontakte mit hundertprozentiger Sicherheit verhindern können. Grundsätzlich gilt: Finger weg beim geringsten Verdacht.
Wann muss ich besonders vorsichtig sein?
Wer eine Wohnung in einer Großstadt sucht, ist besonders gefährdet, Opfer von Betrügern zu werden. Zum einen ist dort der Druck auf dem Wohnungsmarkt größer, zum anderen erreichen Betrüger in einer Großstadt viel mehr Interessenten für eine gar nicht vorhandene Wohnung als in einem kleinen Ort. Auch wer von außerhalb kommt und in einer Stadt nach einer Wohnung sucht, in der er noch gar nicht wohnt, wird gerne von Betrügern ausgenutzt.
Was sollte ich auf keinen Fall tun?
Für eine Wohnung Zahlungen per Vorkasse leisten. Häufig wird behauptet, eine Besichtigung sei nicht möglich, zum Beispiel, weil der Vermieter im Ausland lebt. Es folgt der Vorschlag einer Schlüsselübergabe gegen eine Kautions-Zahlung. Wohnungssuchende, die dann zahlen, bekommen die Wohnung nie zu Gesicht – und das Geld ist weg. Kostenpflichtige Besichtigungstermine verstoßen zudem gegen die Geschäftsbedingungen der meisten Mietportale.
Genauso wenig sollte man übrigens jemandem, den man nicht persönlich gesprochen hat, eine Kopie oder einen Scan des Personalausweises schicken. Die Betrüger könnten die Daten dazu nutzen, in Zukunft weitere Taten zu begehen. Falls Sie nicht aufgepasst haben, womöglich dann in Ihrem Namen. (hge)
Die Geschichte ist erstmals im Frühjahr 2017 im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erschienen.