Vor dem Ausländeramt in Kalk warten täglich mehr unerlaubt Eingereiste als registriert werden können. Viele von ihnen werden abgewiesen.
Kölner Ausländeramt überlastetUnerlaubt eingereiste Familie musste im Freien schlafen
Die Angst war Milan und seiner Frau Azra deutlich anzumerken, als sie am Donnerstag auf dem Wiener Platz Auskunft über ihr Schicksal gaben. Es war die Angst der unerlaubt Eingereisten. Das Gespräch arrangiert hatte Marianne Arndt, Gemeindereferentin der katholischen Gemeinde Höhenberg/Vingst und Vorsitzende des Flüchtlingshilfevereins „Mosaik Köln-Mülheim“. Anlass des Treffens: die akute Obdachlosigkeit des Ehepaars, dessen Vornamen in diesem Text geändert sind, und seiner beiden Kinder.
Am Sonntag seien sie mit dem Bus aus Nordmazedonien angekommen, erzählte Milan, seitdem hätten sie draußen schlafen müssen. Am Montag und Dienstag hätten sie sich im Ausländeramt in Kalk melden wollen, jedoch vergeblich darauf gewartet, vorgelassen zu werden. Mittwochs ist die Behörde geschlossen.
Milan und seine Familie suchten Hilfe im Kalker Ausländeramt
Am Donnerstagmorgen hätten das Ehepaar, die Kinder und weitere Menschen vom Balkan – bis zu 30 Personen – vor dem Amt gestanden, wieder ohne eingelassen zu werden, sagte Arndt, die dabei gewesen war. Maximal 30 illegal Eingereiste könnten pro Tag registriert werden, habe ihnen jemand vom Sicherheitsdienst gesagt. Sie könnten es ja in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Bochum versuchen. Ein müßiger Ratschlag, so Arndt, denn es gehe nicht darum, einen Asylantrag zu stellen. Nach telefonischem Kontakt mit der Behörde seien zwei Mitarbeiter herausgekommen und hätten gesagt, sie könnten leider nicht weiterhelfen, denn in der zuständigen Anlaufstelle sei niemand zu sprechen. Wo sollten Milan und seine Familie also unterkommen? „Die Stadt hat für eine Unterkunft zu sorgen, gerade wenn es sich um eine Familie mit minderjährigen Kindern handelt. Sonst verstößt sie gegen die Unterbringungspflicht“, sagte Arndt.
Während sie ab und zu Telefonate führte, um Hilfe zu organisieren, antwortete Milan zögernd auf Fragen; ein anderer Mann dolmetschte. In der Heimat würden er und seine Familie als Roma diskriminiert, sagte der 26-Jährige. Arbeit zu finden, sei aussichtslos. Vom Leben in Deutschland verspreche er sich „gute Perspektiven“. Genauso wie das ältere Ehepaar, das dabeisaß und am Morgen ebenfalls vergeblich auf Einlass ins Ausländeramt gewartet hatte. Der Mann, Ende 50, hat eine schwere Herz-OP hinter sich und hofft auf bessere medizinische Betreuung in Deutschland. Er und seine Frau waren notdürftig bei einem Neffen untergekommen, der sie nicht dauerhaft beherbergen kann.
Umfrage: Unerlaubt Eingereiste melden sich am häufigsten in Köln
Personen, die kein Asylbegehren beziehungsweise keinen Fluchtgrund geltend machen, sondern ihre unerlaubte Einreise anzeigen wollen, müssten von einer kommunalen Ausländerbehörde registriert und zur Verteilung bei der Bezirksregierung Arnsberg angemeldet werden, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Die Menschen würden „erkennungsdienstlich behandelt“, bekämen eine Belehrung ausgehändigt und einen Termin für die Anhörung wenige Tage später. Eine gesetzliche Pflicht, jeden, der seine unerlaubte Einreise anzeigen möchte, noch am selben Tag aufzunehmen, bestehe nicht – zumal es sich bei 90 Prozent der Personen um solche handele, die visafrei einreisen und sich bis zur Anzeige ihrer unerlaubten Einreise auch legal in Deutschland aufhalten dürften.
Unerlaubt Eingereiste seien nicht verpflichtet, sich ausschließlich an die Kölner Ausländerbehörde zu wenden, teilt die Stadt weiter mit. Sie hätten in NRW viele Alternativen. Eine Umfrage unter den großen Ausländerbehörden NRWs habe ergeben, dass sich unerlaubt Eingereiste aktuell fast ausschließlich bei der Kölner Behörde melden. Bisher hätten deren Kapazitäten dafür ausgereicht, doch zurzeit würden sie „mehrmals in der Woche“ überschritten. Deshalb prüfe man „organisatorische Maßnahmen“ im Rahmen der vorhandenen personellen Kapazitäten. Drohende oder bestehende Obdachlosigkeit gehöre zu den Gefahren, die die Kommunen nach Ordnungsbehördengesetz NRW abzuwenden verpflichtet seien. Den betroffenen Menschen müsse eine Unterkunft angeboten werden. Von Obdachlosigeit bedrohte Personen könnten bei der Fachstelle Wohnen der Stadt vorstellig werden.
Das Treffen auf dem Wiener Platz nahm ein unerwartetes Ende: Die Angst wurde so groß, dass Milan und Azra auf Abstand gingen und dann mit ihren Kindern verschwanden.