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Feuer in JVA KölnSiegaue-Vergewaltiger soll nicht zum ersten Mal gezündelt haben

Lesezeit 5 Minuten
Brand JVA Ossendorf

Einsatzkräfte vor der JVA Ossendorf

Köln – Rauch zieht am Mittwochmorgen gegen 1.45 Uhr aus einer Zelle auf den Gefängnisflur. Innen lodern Flammen. Zwei Bedienstete öffnen die Eisentür und retten den einzigen Insassen, er hat schwere Verbrennungen erlitten. Es ist Eric X. der mutmaßliche Vergewaltiger aus der Bonner Siegaue. Im Oktober wurde er zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er eine Camperin mit einer Astsäge bedroht und sie vor den Augen ihres Freundes vergewaltigt haben soll. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Gegen das Urteil hat der 31-Jährige Revision eingelegt, über die der Bundesgerichtshof noch entscheiden muss.

In künstliches Koma versetzt

Die beiden Bediensteten sowie ein weiterer Häftling kommen mit leichten Rauchgasvergiftungen davon. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Brandstiftung gegen Eric X. Er ist nach der Notoperation im Krankenhaus in ein künstliches Koma versetzt worden. Lebensgefahr soll nicht bestehen, dennoch wird er vorerst weiter auf der Intensivstation betreut. Zwischen 20 und 30 Prozent seiner Haut sollen verbrannt sein.

Wie das Feuer entstanden ist, ob der Inhaftierte es absichtlich oder fahrlässig gelegt hat, stehe noch nicht fest, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass der 31-Jährige in seiner Zelle gezündelt hätte. Im April voriges Jahr, kurz nach seiner Verhaftung, war JVA-Beamten eine verkohlte Stelle auf dem Zellenboden aufgefallen. Die Männer stellten X. zur Rede. Als sie ihm sein Feuerzeug abnehmen wollten, rastete er aus, schlug auf sie ein, verletzte einen der Wärter leicht und wurde danach in einen speziell gesicherten Haftraum verlegt. Erst kürzlich hat die Staatsanwaltschaft X. deshalb wegen Widerstands und Körperverletzung angeklagt.

Abgesehen von dem Rätsel, was genau in der Nacht zum Mittwoch in der Einzelzelle in Hafthaus 4 geschehen ist, wirft der neuerliche Vorfall weitere Fragen auf: Wieso hatte Eric X. ein Feuerzeug in seiner Zelle? Er galt als gewalttätig, psychisch auffällig – hätte er nicht besser überwacht werden müssen? Kurz: Hätte die erneute Brandstiftung verhindert werden können?

Mindestens fünf Brände in drei Jahren

Nein, sagt Peter Brock, NRW-Chef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD). „So etwas passiert immer wieder mal und lässt sich nicht verhindern.“ Tatsächlich hat es allein im Kölner Klingelpütz in den vergangenen drei Jahren mindestens fünfmal gebrannt, weil Häftlinge Feuer legten – zumeist kleine Brände, die schnell gelöscht werden konnten. Grundsätzlich, sagt der stellvertretende Kölner Anstaltsleiter Wolfgang Schriever, legten Gefangene schon mal ein Feuer, „um auf sich aufmerksam zu machen“ oder weil sie psychisch auffällig seien – oder beides.

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Bei Eric X. habe es zuletzt aber „keinerlei Anhaltspunkte“ dafür gegeben, das er „irgendetwas in der Richtung noch einmal machen“ könnte. Auch als akut suizidgefährdet galt der Häftling nicht. Sein Verteidiger Martin Mosdorf zumindest hält einen Selbstmordversuch des Gefangenen eher für unwahrscheinlich: „Ich habe bei ihm keine Hinweise auf suizidale Absichten erkannt, aber man kann ja auch keinem Menschen hinter die Augen schauen.“

Als Raucher durfte Eric X. auch ein Feuerzeug besitzen. Grundsätzlich ist es den Häftlingen in der Kölner JVA erlaubt, in ihren Zellen zu rauchen – so wie in den meisten übrigen Gefängnissen auch. „Wir können ihnen das ja nicht abgewöhnen. Und wenn sie für jede Zigarette einen Bediensteten rufen müssten, kämen wir hier zu nichts anderem mehr“, sagt Schreiber.

Rauchen hinter Gittern erlaubt

Ein generelles Rauchverbot hinter Gittern ist gesetzlich kaum durchsetzbar, ohne die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Inhaftierten zu verletzen. So sieht das Nichtrauchergesetz in NRW explizit vor, dass „das Rauchen in den Hafträumen gestattet“ ist. Auch Gewerkschafter Brock hält nichts davon, Gefangenen das Rauchen zu verbieten. „Der Genuss von Tabak macht die Inhaftierten meist ruhiger. Ein Verbot würde die Lage eher verschlimmern.“ In den neuen Haftanstalten habe man eigens für Brandfälle Vorrichtungen zum Rauchabzug installiert. Eine Nachrüstung der Technik in den älteren Gefängnissen sei weder möglich noch finanzierbar. In Köln ohnehin nicht, denn ab 2020 soll in Ossendorf eine neue JVA gebaut werden.

Dennoch fordert Brock, das Personal besser zu schulen und vor allem auszurüsten. „Genau wegen solcher Fälle sollten die Vollzugsanstalten flächendeckend mit tragbaren Sauerstoffmasken und Rettungshauben ausgestattet werden.“

Eric X. sei nach dem ersten Vorfall im April 2017 sein Feuerzeug abgenommen und zunächst einbehalten worden, schildert Schreiber. Nach einer „gewissen Zeit“ habe der 31-Jährige das Feuerzeug aber zurückbekommen. „Eine solche Maßnahme kann man nicht ewig aufrechterhalten. Außerdem: Dann besorgt sich der betreffende Gefangene eben eines von einem Mitgefangenen.“

Unberechenbarer Häftling

In der Kölner JVA galt der 31-jährige Ghanaer als schwieriger Fall. Als Choleriker, der sich in extreme Wut hineinsteigern konnte. Häufig gerierte sich der abgelehnte Asylbewerber als Opfer der hiesigen Justiz. Immer wieder beschimpfte er die JVA-Bediensteten, drohte mit Prügeln oder wollte sich selbst umbringen, sollte man ihn nicht freilassen. Mitte Mai sah sich die Gefängnisleitung genötigt, ihn an Händen und Füßen zu fesseln. Eric X. gebärdete sich wie ein Wahnsinniger: Er werde sich den Weg freikämpfen, brüllte er. Anfang Juli lief er wieder aus dem Ruder und landete erneut in einer speziellen Sicherheitszelle. Der Krawall hinter Gittern passt zu dem gewalttätigen Bild, das der psychiatrische Gutachter im Auftrag der Bonner Justiz von dem Angeklagten zeichnete. Der Sachverständige stufte ihn als gefährlich ein. Zwar sei Eric X. schuldfähig, dennoch stelle sich bei ihm die Frage einer seelischen Abartigkeit.

Laut der forensischen Expertise leidet X. an einer Persönlichkeitsstörung. Ein Narzisst, der sich selbst überhöht, impulsiv, aggressiv, kaum fähig, sein Ich-bezogenes Handeln selbstkritisch zu hinterfragen. Einer, der nicht zu Gefühlen gegenüber seinen Mitmenschen fähig scheint. Laut einer Checkliste für Psychopathen taxierte der Sachverständige in seiner Expertise das Rückfallrisiko bei dem 31-Jährigen auf bis zu 46 Prozent.

Von Reue oder Scham fand sich bis zur Urteilsverkündung keine Spur. Immer wieder betonte der Angeklagte seine Unschuld. Das Gericht und die Pflichtverteidiger hatten große Schwierigkeiten, den Angeklagten unter Kontrolle zu halten. Während des gesamten Prozesses musste X. Handschellen und Fußfesseln tragen, weil er als unberechenbar galt.