Überraschende WendeNach Vergewaltigung der Mutter – Freispruch gefordert
Köln – Überraschende Wende im Prozess gegen einen Mann, der seine eigene Mutter vergewaltigt hat: Als das Unterbringungsverfahren im Dezember vor dem Landgericht eröffnet wurde, gingen sämtliche Prozessbeteiligte noch von einer zwangsweisen Klinikeinweisung des psychisch schwer kranken Täters aus. Doch jetzt hat die Staatsanwältin für Adnan T. (alle Namen geändert) einen Freispruch gefordert und gleichzeitig beantragt, den Beschuldigten aus der Psychiatrie zu entlassen.
Sie schloss sich damit den Ausführungen des Sachverständigen an, der Adnan T. zur Tatzeit aufgrund seiner Erkrankung Schuldunfähigkeit attestierte und davon ausging, dass T. in jener Nacht weder über eine entsprechende Steuerungs- noch Einsichtsfähigkeit verfügt habe, um strafrechtlich belangt werden zu können. Zur Tat habe Adnan T. unter der Wahnvorstellung gelitten, seine Mutter für die ihm angetanen Ungerechtigkeiten bestrafen zu müssen.
Prozess in Köln: Beschuldigter sei keine Gefahr für Allgemeinheit
Allerdings unterstrich der Sachverständige auch, dass der Beschuldigte, wie ursprünglich noch angenommen, keine Gefahr für die Allgemeinheit sei – und somit die strengen Anforderungen für die dauerhafte und zeitlich unbegrenzte Zwangseinweisung in eine Klinik nicht erfüllt wären.
Die Mutter Aylin S., eine streng gläubige Muslima, hatte aus Verzweiflung und Scham den Sohn ursprünglich lediglich wegen Körperverletzung angezeigt, sich dann allerdings durchgerungen, die Wahrheit zu sagen. Danach soll Adnan T. im September 2018 bei seiner Mutter aufgetaucht sein, um bei ihr zu übernachten. Zu dem Zeitpunkt stand er bereits unter Betreuung, lebte von einer Erwerbsunfähigkeitsrente und steigerte sich immer mehr in seine Krankheit hinein.
Prozess in Köln: Mutter-Sohn-Verhältnis von Kindheit an massiv gestört
Dem Gutachter zufolge war das Mutter-Sohn-Verhältnis von Kindheit an massiv gestört und somit in Verbindung mit der akuten Psychose mitverantwortlich für den schweren sexuellen Übergriff, der sich nachts in der Wohnung ereignete. Adnan T. hatte plötzlich nackt vor der Mutter gestanden, nachdem er zuvor die verschlossene Tür zu ihrem Schlafzimmer eingetreten hatte, und sie vergewaltigt.
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„Sein Handeln zur Tat ist durch die Krankheit geprägt“, sagte die Anklägerin, Adnan T. habe damals „in seiner eigenen Welt gelebt und eine verzerrte Beziehung zur Realität“ gehabt. Das habe sich jetzt geändert. In der Klinik erhält er Medikamente, hat vor Gericht die Tat gestanden und auch Reue gezeigt. Allerdings bezeichnete der Gutachter die Krankheitseinsicht des Beschuldigten „als sehr oberflächlich“. Immerhin hatte er sich schon vor Jahren nach einer akuten Psychose geweigert, Medikamente zu nehmen.
Prozess in Köln: Adnan T. sei einfach nur sehr schwer krank
Allerdings heißt es in Stellungnahmen der Klinik, seiner Betreuerin und weiteren Ärzten auch, dass bei Adnan T. „keine Dissozialität, keine Aggression, keine Bedrohung“ auszumachen sei. Er sei ein „ruhiger, friedlicher Mensch, der höflich, zuvorkommend und zurückhaltend ist“. Adnan T. sei einfach nur sehr schwer krank und nach Übereinstimmung der Experten „nicht allgemein-, sondern nur latent gefährlich“. Und das reiche nach gängiger Rechtsprechung nicht aus für einen derart schwerwiegenden Eingriff wie eine zwangsweise Unterbringung. „Es ist nicht Aufgabe des Strafrechts, die Lücke im Betreuungsrecht zu schließen“, merkte die Anklägerin an.
Verteidigerin Susanne Cziongalla schloss sich dem Antrag der Staatsanwältin an und unterstrich in ihrem Plädoyer, „dass eine konkrete Gefährlichkeit meines Mandanten nicht gegeben ist“ und ein Maßregelvollzug nur dann angebracht sei, „wenn erhebliche weitere rechtswidrige Taten zu erwarten sind“. Dies hatten die Sachverständigen so gut wie ausgeschlossen. Das Urteil soll am Donnerstag verkündet werden.