Köln – „Sehr geehrte*r Bürger*innen, die Stadt Köln hat einen Leitfaden für wertschätzende Kommunikation entwickelt. Die Mitarbeitenden der Verwaltung sollen ihn ab sofort bei der dienstlichen Kommunikation anwenden, um allen Menschen gleichberechtigt und diskriminierungsfrei zu begegnen.“ So in etwa könnten künftig ein Anschreiben der Stadt aussehen.
Der Leitfaden soll eine Kommunikation in Wort, Schrift und Bild ermöglichen, die Rücksicht nimmt auf Geschlecht, Ethnie, Weltanschauung, sexuelle Orientierung und Lebensumstände. Der Genderstern (*) ist dabei die augenfälligste Neuerung unter vielen. „Für die Stadt Köln als Dienstleisterin und Partnerin sowie für alle Kölner*innen ist es wichtig, unsere Kommunikation so zu gestalten, dass sich möglichst alle angesprochen und wertgeschätzt fühlen“, schreibt Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Vorwort des 54 Seiten starken Leitfadens. Das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern sowie das Amt für Integration und Vielfalt haben ihn entwickelt und sich dabei unter anderem an einer ähnlichen Handlungsempfehlung der Stadt Dortmund orientiert.
In Formularen und Beratungsgesprächen
In Schriftwechseln und Formularen soll die Richtlinie ebenso möglichst Anwendung finden wie in Beratungsgesprächen und beim Plausch der Mitarbeitenden untereinander. In der Ratssitzung am Dienstag ist die ein oder anderen Verwaltungsmitteilung bereits nach diesen Gesichtspunkten verfasst.Der Genderstern etwa soll nicht nur Frauen und Männer, sondern auch diverse Menschen gleichberechtigt ansprechen, erklärt die Stadt. Auch zur Aussprache des Gendersterns gibt der Leitfaden eine Hilfestellung. An der Stelle des Sterns solle eine ganz kurze Pause eingelegt werden, also zum Beispiel „Autofahrer“ – Pause – „innen“.
Wenn möglich, sollen die Mitarbeitenden direkt geschlechterneutrale Begriffe benutzen, wobei mitunter schon der Plural hilft: „Die Auszubildenden“, statt „der Auszubildende“ zum Beispiel. Aus dem „Chef“ wird die „Führungskraft“, der „Vertrauensmann“ zur „Vertrauensperson“. Oft reichen Kleinigkeiten, die eine Neutralität herstellen. Etwa, indem das Wort „jeder“ durch „alle“ ersetzt wird. „Jeder Ehrenamtliche“ spricht ausschließlich Männer an, „alle Ehrenamtlichen“ tatsächlich alle. Auf Formulierung wie „Milchmädchenrechnung“ oder „Not am Mann“ sollen die Bediensteten verzichten. Und auch Frauen sollen sich hinterfragen, ob sie nicht versehentlich maskuline Formen benutzen, wenn sie von sich selbst reden. Statt „Ich bin jemand, der Dinge schnell erledigt“ schlägt die Verwaltung vor, „Ich bin eine, die Dinge schnell erledigt“ zu benutzen.
„People of Color“ statt „Farbige“
Die Suche nach Alternativen zu negativ konnotierten Begriffen ist mitunter schwierig. Statt etwa „Asylant“ rät der Leitfaden zu einem etwas sperrigen „asylbegehrender Mensch“. Andere aufgeführte Beispiele sind bereits in Teilen der Gesellschaft angekommen. So sollen „Schwarze Menschen“ und „People of Color“ die Worte „Schwarzafrikaner“ und „Farbige“ ersetzen. Oft sind es auf den ersten Blick unverdächtige Formulierungen, durch die sich Menschen diskriminiert fühlen könnten. „Gehen Sie zum Ausgang“ könnte Menschen, die im Rollstuhl sitzen, verletzen, da die Person nun einmal nicht gehen kann. Der Leitfaden schlägt „Begeben Sie sich zum Ausgang“ vor. Auch ein gut gemeintes „Rufen Sie uns an“, etwa in einer Informationsbroschüre, könne durch ein „Treten Sie an uns heran“ auch gehörlose Menschen mit einbeziehen, für die Telefonate keine Option sind. Wenngleich bei näherer Betrachtung das „Treten“ wieder Menschen im Rollstuhl diskriminieren könnte, was deutlich macht, wie kompliziert die Durchsetzung wertschätzender Sprache sein kann.
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Ein Punkt, der im Leitfaden im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderung ausgearbeitet ist, ist die Forderung nach einfacher, verständlicher Sprache in schriftlicher und mündlicher Form. Wer sich aber jemals durch die Schachtelsatzorgien und Substantivierungsexzesse eines Bebauungsplanverfahrens oder behördendeutsche Wortschöpfungen wie die berühmte „Spontanvegetation“ (also „Unkraut“) gekämpft hat, wird sich auch als Mensch ohne Behinderung in dieser Sache Besserung wünschen.
Vorerst keine „Bürger*innenzentren“
Die Änderungen sollen auch in allen behördlichen Formularen Niederschlag finden. Dazu werden die alten Bögen jedoch erst verbraucht und dann die neu gedruckten Formulare mit der wertschätzenden Sprache ausgestattet. Die Bürgerzentren sollen übrigens vorerst keine Bürger*innenzentren werden, sagt eine Stadtsprecherin auf Anfrage. Die Bezeichnung werde wie ein Eigenname behandelt und bleibe bis auf weiteres bestehen. Hier seien die Überlegungen noch nicht abgeschlossen.
„Alte Sprachgewohnheiten und Redensarten zu ändern ist nicht leicht“, weiß OB Reker und appelliert gleichsam an ihre Bediensteten: „Wir sind die Stadt der Vielfalt. Lassen Sie und diese Vielfalt auch in der Kommunikation sichtbar machen und unsere Kolleg*innen, den Kölner*innen und auch unseren Gästen eine gute Partnerin in allen Lebenssituationen sein.“