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„Sie sehen exotisch aus“Studentin fassungslos über Alltagsrassismus an der Uni Köln

Lesezeit 7 Minuten
Senami Hotse Rassismus Uni

Die 28-jährige Senami Hotse belegt ein Seminar zu interkultureller Kompetenz an der Uni Köln – Was sie dort erlebt, macht sie fassungslos und wütend.

Köln – Senami Hotse fasst sich mit der Hand an die Stirn, atmet tief ein, schüttelt ihren Kopf. „Ich kann es nicht fassen“, sagt sie mit Blick in die vor sich stehende Kamera. Sie sitzt vor einer weißen Wand auf dem Boden, trägt einen grauen Kapuzenpullover und hat ihre Haare zusammengebunden. Noch einmal atmet sie tief ein, dann fängt sie an zu erzählen. Von einem Seminar an der Universität zu Köln, ihren beiden Dozenten, ihrer Fassungslosigkeit und Wut. Von Rassismus.

Hotse, die aus Euskirchen kommt, aber seit vergangenem Jahr in Köln lebt, studiert Soziologie und Sozialforschung im Master. Zu Beginn des neuen Wintersemesters belegt sie ein auf Englisch geführtes Seminar zu interkulturellen Kompetenzen, das von gleich zwei Dozenten geleitet wird. Ihre Namen geben wir hier nicht bekannt, im weiteren Verlauf des Textes nennen wir sie Martin D. und Johann G.

Seminar der Uni Köln findet coronabedingt virtuell statt

Das Seminar findet coronabedingt virtuell statt und ist ein Wahlmodul, bei dem Rassismus-Kritik angesprochen wird und vielleicht gängige Fehltritte in der Sprache und im Alltag reflektiert werden – denkt Hotse. Doch genau das Gegenteil sei der Fall gewesen. Bereits die Vorstellungsrunde habe nach ihrer Aussage wie folgt begonnen:

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„Was ist dein Background?“, fragt Johann G. die Studentin (28).

„Die Frage »Woher kommst du?« sollte man nicht mehr stellen“, sagt Martin D. zu Johann G.

„Ich habe nicht gefragt, woher sie kommt, sondern was ihr Hintergrund ist“, sagt wiederum Johann G. zu Martin D.

Überforderung. Die habe Hotse in jener Situation gefühlt, „weil ich mit einer solchen Diskussion im Rahmen dieses Seminars überhaupt nicht gerechnet habe.“ Sie sei nicht weiter auf das Thema eingegangen und habe die Frage des Dozenten beantwortet – auf Englisch und mit dem Hinweis, dass ihr Vater zwar aus Ghana komme, sie aber hier geboren und aufgewachsen sei. „Sie sehen exotisch aus, aber an ihrem Akzent hört man, dass Sie aus Deutschland kommen“, soll Martin D. gesagt haben. Dabei gilt auch Exotismus als rassistische Sichtweise.

Wie verschiedene Länder mit Corona umgehen

Im weiteren Verlauf des Seminars sei es um das Thema Corona gegangen und wie verschiedene Länder mit den unterschiedlich getroffenen Maßnahmen umgehen. Die Studierenden sollen gebeten worden sein zu erklären, wie die Situation in ihren „eigenen Ländern“ ist. Zwei junge Männer, die für ihr Studium nach Deutschland gezogen sind, hätten daher etwa über Italien und Mexiko gesprochen – wo sie tatsächlich herkommen.

Doch Hotse habe nicht über ihre Heimat sprechen dürfen. „Ich wurde sofort auf meine vermeintliche Herkunftskultur reduziert und sollte erzählen, wie es den Menschen in Ghana mit der Corona-Pandemie geht“, so Hotse. „Für die beiden habe ich anscheinend nicht in das Bild, das sie von einer deutschen Person haben, gepasst.“

Kölner Studentin veröffentlicht Video bei Instagram

Nach dem Seminar veröffentlicht die Studentin das aufgenommene Video, in dem sie über jene Erfahrung spricht, bei Instagram. Sie sei nach wie vor fassungslos, dass ein solches Seminar „von zwei Männern geleitet wird, die anscheinend keine interkulturelle Kompetenz haben“. Zumal Martin D. bereits vorab in der Kritik stand. Mit einem offenen Brief hatten sich im Jahr 2015 verschiedene Hochschulgruppen – darunter das Autonome Frauen- und Lesbenreferat Köln, Campus Grün sowie die Linke.SDS – an das Dekanat der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät gewandt.

„Einige der Lehrveranstaltungen sind durchzogen von sexistischen, rassistischen und homophoben »Späßen«, Vorstellungen und nicht wissenschaftlichen Anekdoten, die ein reaktionäres Weltbild widerspiegeln“, hieß es darin. Zudem würden Stereotype bekräftigt und veraltete Rollenbilder transportiert.

Dozenten der Uni Köln sprechen von Missverständnis

Dass Martin D. trotz aus ihrer Sicht mangelnder Sensibilität ein Seminar zu interkultureller Kompetenz leiten dürfe, mache Senami Hotse wütend. Und daher habe sie auch keine Hemmungen gehabt, ihre Geschichte bei Instagram zu erzählen. Nach der Veröffentlichung ihres Videos – mittlerweile wurde es mehr als 52.000 Mal aufgerufen, Tendenz steigend – habe sie viel Zuspruch und Nachrichten von Menschen bekommen, die angaben, deutschlandweit an verschiedenen Hochschulen gleiche oder ähnliche Situationen erlebt zu haben. Alle mit demselben Tenor: Rassismus an der Uni.

„Es tut uns sehr leid, dass die Studierende sich in der Vorbesprechung unseres Seminars durch Äußerungen von uns angegriffen und verletzt gefühlt hat“, teilen die beiden Dozenten in einer gemeinsamen Stellungnahme auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Uni-Pressestelle mit. „Das war in keiner Weise unsere Absicht und ist aus unserer Wahrnehmung ein sehr bedauerliches Missverständnis.“

Dass es zu diesem Missverständnis gekommen sei, liege möglicherweise auch daran, dass das Seminar digital und auf Englisch stattgefunden habe. „Viele Studien zeigen, dass es in diesem Setting sehr viel häufiger zu Missverständnissen kommt als im persönlichen Gespräch. Wir sind zuversichtlich, die aufgetretenen Irritationen in unserem eigentlichen Seminar, das im Januar als Blockseminar stattfinden wird, ausräumen zu können“, so die Dozenten.

Kein Rassismus an der Hochschule geduldet

„Die Universität zu Köln duldet keinen Rassismus an der Hochschule“, sagt Uni-Sprecher Jürgen Rees. Bei Bedarf biete die Hochschule „eine umfangreiche Unterstützung“ an – etwa über das Gender-&-Diversity-Referat oder die Gleichstellungsbeauftragten. Zum konkreten Fall ergänzt Rees, dass die Dozenten alle Seminar-Teilnehmer nach ihrem „Background“ befragt haben. Rees betont, die Dozenten stehen zu einem klärenden Gespräch bereit.

Nachdem der Instagram-Beitrag auch an der Uni bekannt geworden sei, habe die Hochschule der Studentin über das Referat Gender & Diversity ein Gesprächsangebot gemacht. Die Anfrage sei von ihr aber nicht beantwortet worden. Zu den Vorwürfen an Martin D. aus dem Jahr 2015 sagt Rees: „Es gab ein klärendes Gespräch mit dem Dozenten und der Gleichstellungsbeauftragten und den Beschwerdeführern. Am Ende war es wohl Konsens, dass es unterschiedliche wissenschaftliche Standpunkte gibt. Es gab keinen Anlass für weitere Untersuchungen oder Konsequenzen.“

Studentin sieht Referat Gender & Diversity kritisch

Hotse bestätigte zum aktuellen Fall, dass sie eine Beratung angeboten bekommen habe. „Aber worin wollen sie mich beraten?“, so Hotse. Das Referat sehe sich zwar als Vorreiter für das Thema Diversität, „doch das sehe ich sehr kritisch, wenn das ganze Team weiß ist“. Aus diesem Grund fühle sie sich dort mit ihrem Anliegen nicht gut aufgehoben. Ein konstruktives Gespräch mit den Dozenten wolle sie aber in jedem Fall suchen.

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Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) zeigt sich „bestürzt“, dass besonders im Rahmen eines interkulturellen Seminars solche Äußerungen gefallen seien, sagt Asta-Vorsitzender Eugen Esman. „Die Aussagen sind grotesk, so etwas hat keinen Platz an der Kölner Universität.“ Der Asta fordert nun eine Untersuchung des Vorfalls. Generell sei ein Campus kein Ort, der frei von Rassismus sei, so Esman. „Er ist Spiegelbild unserer Gesellschaft.“

Für Aufsehen gesorgt hatte 2016 etwa eine nicht-repräsentative Internet-Befragung des Astas mit 1660 Studierenden. Abgefragt wurden unter anderem Stereotype zu ethnischen oder religiösen Gruppen: So stimmten 36 Prozent der Aussage „Slawinnen sind leicht zu haben“ zu, 25 Prozent „Asiaten sind Streber“ und zwölf Prozent „Afrikaner können singen und tanzen.“ 55 Prozent der Befragten gaben an, dass es seit den Ereignissen in der Silvesternacht 2015/16 mehr antimuslimische Ressentiments auf dem Campus gebe. 245 der Befragten gaben an, dass sie rassistische Äußerungen selbst ertragen mussten.

Studentin startet Petition „#unirassismuskritisch“

Dagegen möchte Senami Hotse nun mit ihrer Petition vorgehen. Adressieren will sie „#unirassismuskritisch: Rassismus an Hochschulen in NRW dekonstruieren“ demnächst etwa an den Landtag Nordrhein-Westfalen und an alle Hochschulen in NRW. So fordert sie unter anderem die Anstellung von BIPoC, kurz für Black, Indigenous and People of Color (politische Selbstbezeichnung für Schwarze, Indigene und nicht als weiß wahrgenommene Menschen), im Diversity Management, die Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zum Abbau institutionell rassistischer Strukturen sowie die verpflichtende Teilnahme an (Weiter-) Bildungsmaßnahmen zu Anti-Rassismus für alle Personen mit Lehr-, Ausbildungs- und Leitungsaufgaben.

„Wenn man lehrt, bringt das eine gewisse Verantwortung mit sich. Daher kann es nicht sein, dass die Dozierenden bei der Rassismus-Debatte noch auf dem Stand von vor mehreren Jahren sind und wir als BIPoC solche Erfahrungen machen müssen“, sagt Hotse. Regelmäßige Workshops, Trainings und Selbsteinschätzungskurse könnten ihrer Meinung nach dabei helfen, für dieses wichtige Thema sensibilisiert zu werden. Und es wäre ein erster Schritt, der viel verändern könnte.