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„Keine Propagandaschlachten“So lockt NRW US-Forscher – Rektor der Uni Köln mahnt zu gemäßigtem Ton

Lesezeit 7 Minuten
Illustration: Trump mit drohender Geste, und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wenden sich ab und laufen Richtung Uni Köln

Donald Trump setzt die amerikanischen Hochschulen massiv unter Druck. Das hat auch Auswirkungen auf die Hochschulpolitik hierzulande.

Donald Trump setzt die amerikanischen Hochschulen massiv unter Druck. Das hat auch Auswirkungen auf die Hochschulpolitik hierzulande.

Drei renommierte Yale-Professoren, zwei Historiker und ein Faschismusforscher, verkündeten jüngst ihren Abschied aus Amerika. Sie werden nach Toronto gehen. Der Abgang von Marci Shore, Timothy Snyder und Jason Stanley gehört wohl zu den spektakulärsten Nachrichten aus der akademischen Welt in diesen Wochen, in denen US-Präsident Donald Trump zunehmend Druck auf die amerikanischen Hochschulen ausübt. 

Er behält Bundesmittel für Hochschulen ein, droht mit weiteren Kürzungen, will Diversity-Programme und Forschungsgebiete wie die Geschlechterforschung am liebsten ganz streichen lassen. Zuletzt schaltete sich Ex-Präsident Barack Obama in die Debatte ein, der selber Jura-Professor in Chicago war. Er forderte Studenten zum Aufstand auf.

Trumps Drohungen bringen nicht nur US-Forschende in Bedrängnis, die um die Wissenschaftsfreiheit bangen, sondern wirken sich auch auf die Bildungspolitik hierzulande aus. Die ersten Rufe aus Europa nach Top-Forschern wurden laut. Der niederländische Wissenschaftsminister kündigte einen millionenschweren Fonds für die Anwerbung an.

Alles zum Thema Universität zu Köln

NRW erarbeitet Strategie, um noch mehr US-Forscher anzuwerben

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, berichtete, Bewerbungen aus den USA hätten sich zuletzt verdoppelt. Das Wissenschaftsministerium in NRW teilte auf Anfrage mit, dass man sich nun stärker um US-Wissenschaftler bemühen möchte. Eine Arbeitsgruppe erarbeitet gerade eine Strategie, wie NRW „durch die Berufung international herausragender Spitzenforscherinnen und -forscher aus den Bereichen Informatik, Naturwissenschaften, Energietechnik, Quantentechnologien, Biotechnologie und Medizin“ wettbewerbsfähiger werden kann.

Das bereits 2007 eingeführte „Rückkehrerprogramm“ habe laut einer Sprecherin „rund 70 vielversprechenden jungen Forscherinnen und Forschern die Rückkehr besonders leichtgemacht: mit jeweils bis zu 1,25 Millionen Euro über fünf Jahre konnten sie an einer Universität in NRW eine Nachwuchsgruppe aufbauen.“ Aktuell befinden sich 11 Rückkehrer in NRW, so die Sprecherin weiter.

Auch Zukunftsperspektiven bietet das Programm. So habe der überwiegende Teil der Geförderten mittlerweile eine Professur. Jährlich findet zudem die German Academic International Network (GAIN) statt. Das ist eine vom Bund, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Initiative, bei der auch das Wissenschaftsministerium NRW vor Ort Präsenz zeigt: Das Land möchte dort für sich als „Innovationsstandort“ werben und hochqualifizierte Fachkräfte ansprechen.

Joybrato Mukherjee von der Uni Köln will keine großangelegten Abwerbeaktionen

Über diese Programme hinaus locken Universitäten und Forschungsinstitute selbst mit ihrem Angebot. So ergeben sich nun auch für die Universität zu Köln zweifelsohne Chancen. Rektor Joybrato Mukherjee, der gleichzeitig Präsident des DAAD ist, möchte sich jetzt zwar auch verstärkt um US-Spitzenforscher bemühen, plädiert jedoch für eine gemäßigte Wortwahl bei der Anwerbung.

Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagt er: „Natürlich haben wir als Universität zu Köln immer schon aus den USA rekrutiert und nehmen derzeit wahr, dass amerikanische Forschende sich stärker aus den USA weg orientieren – und das teilweise aus guten Gründen. Ich wende mich allerdings dagegen, dass wir eine großangelegte, weithin sichtbare Abwerbekampagne durchführen. Wir sollten Forschenden, die sich verändern wollen, eine Perspektive geben.“

Rektor Joybrato Mukherjee ist auch Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der deutschen Organisation, die den weltweiten Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern fördert.

Rektor Joybrato Mukherjee ist auch Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der deutschen Organisation, die den weltweiten Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern fördert.

Er befürworte daher, dass Bund und Länder beabsichtigen, mit zusätzlichen Ressourcen zu helfen. Doch man solle dabei nicht vergessen, „unsere institutionellen Beziehungen zu den Einrichtungen in den USA zu pflegen und auszubauen, gerade jetzt, wo sie massiv unter Druck stehen.“ Ein konfrontativer Ton und „Propagandaschlachten“ sollten möglichst vermieden werden. „Wir haben den Amerikanern viel zu verdanken. Wir sollten jetzt nicht als Krisengewinnler auftreten, nur weil die USA innenpolitisch in schwieriges Fahrwasser geraten.“ 

Wie für die Max-Planck-Gesellschaft sind auch für die Uni Köln die USA das wichtigste Forschungspartnerland. Seit 2011 unterhält die Uni Köln in New York ein eigenes Büro, in dem Netzwerkarbeit betrieben wird. Ebensolche Dependancen gibt es in Delhi und Peking. Auch andere NRW-Unis wie die TU Dortmund, Ruhr-Universität Bochum, Universität Duisburg-Essen sowie die Universitäten in Bielefeld, Paderborn und die Musikhochschule Detmold betreiben Büros in New York. 

USA sind der wichtigste Partner für die Uni Köln

Die Uni Köln pflegt Forschungspartnerschaften unter anderem mit Elite-Universitäten wie Yale oder die Cornell University. „Wir haben auch eine starke Beziehung zur Columbia University und dem dortigen Teacher’s College, weil wir uns in der Lehrerbildung international noch stärker vernetzen wollen“, sagt Mukherjee. 

Der DAAD-Präsident warnt jedoch davor, nur bilateral auf den US-Markt zu blicken. Dieser sei trotz der innenpolitischen Spannungen weiterhin der Top-Markt für Forscher aus aller Welt, noch weit vor Deutschland. „Wir müssen daher auf die Topleute schauen, die seit Jahrzehnten in die USA gehen, ob aus China, Indien oder Südamerika: Die orientieren sich vielleicht jetzt Richtung Großbritannien, Australien oder Kanada. Diese Menschen sollten wir auch gezielt ansprechen.“

Alle Bemühungen, die Besten zu holen, seien jedoch vergebens, wenn Deutschland nicht die Rahmenbedingungen verbessere. „Wir sollten unsere Programme ausbauen und selbstkritisch darüber nachdenken, wo bürokratische Hemmnisse herrschen, und diese beherzt abbauen.“

Nicht selten seien Forscher aus den USA nach ein oder zwei Jahren überrascht, wie bürokratisch Deutschland sei, ist Mukherjees Erfahrung. Ob der Kauf eines Großgerätes für ein Labor oder Laborumbauten: Solche Aktionen seien langwierig und kompliziert. „Wenn ein Regelabbau nicht gelingt, werden wir trotz allem nicht attraktiver. Und wir müssen für eine gute Ausstattung der Hochschulen sorgen, die Finanzierung stabil halten und nicht am falschen Ende sparen.“

Professorin Anke Ortlepp von der Universität zu Köln

Anke Ortlepp von der Universität zu Köln ist Professorin für nordamerikanische Geschichte und hat selber mehrere Jahre in den USA gelebt.

Kölner Historikerin über Lage in den USA

Derweil bleibt abzuwarten, ob weitere US-Hochschulen wie die Harvard University ebenfalls Zugeständnisse an Trump machen. Die Columbia University erklärte sich dazu bereit, ihre Richtlinien für Proteste, Sicherheitspraktiken und die Abteilung für Nahost-Studien umfassend zu überarbeiten, nachdem die US-Regierung angekündigt hatte, 400 Millionen US-Dollar an Bundesmitteln nur bei weitreichenden Änderungen wieder freizugeben. Die Columbia war vergangenes Jahr Schauplatz propalästinensischer Proteste, die teilweise ausgeartet sind. Manche befürchten nun, die Hochschule habe mit ihrem Zugeständnis einen Präzedenzfall geschaffen. 

„Eine Universität kann selbst entscheiden, ob sie den Forderungen des Präsidenten nachgibt. Die Columbia University ist eine reiche Hochschule, die über eigene Mittel verfügt. Man hätte auch sagen können: Wir entscheiden uns für die Meinungsfreiheit auf dem Campus statt für die Mittel des Bundes“, sagt Anke Ortlepp, Professorin für nordamerikanische Geschichte an der Universität zu Köln.

Die Harvard University befindet sich aktuell in einer Art Prüfverfahren und habe sich noch nicht abschließend zu Trumps Forderungen verhalten. Die Historikerin formuliert die Hoffnung, „dass die Hochschulen in den USA es schaffen, ihre Unabhängigkeit zu bewahren und für Freiheit der Forschung und Lehre eintreten.“ 

Dass Trump bestimmte Forschungsbereiche oder Ansätze wie Diversity verbieten wolle, sei undemokratisch, so Ortlepp. „Inklusion, Gleichstellung und Diversität sollen nicht mehr gesagt oder praktiziert werden. Das sind jetzt Tabu-Themen. Doch was wir an den Unis machen, ist letztlich nichts anderes: Es geht um Teilhabe.“

Gastdozent aus Harvard in Köln: „Abgänge von Forschern sind ein Protest gegen Trump“

Drew Nelson

Gastdozent an der Uni Köln Drew Nelson

Für eine Überreaktion hält Drew Nelson, Gastdozent an der Uni Köln, es nicht, dass Faschismusforscher Jason Stanley und Marci Shore der renommierten Yale den Rücken kehren. Nelson ist von der Harvard University und kam auf Einladung von Prorektor Kirk Junker an die Uni Köln. „Sie werden gute Gründe haben. Es ist ein Protest gegen Trump. Dass sie sich von ihm distanzieren möchten, kann ich verstehen.“

Nelson forschte bereits 2018 bis 2020 in Köln, damals beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Seine aktuelle Forschung bezieht sich auf die Entwicklung und Verfeinerung einer „Theorie der mentalen Rahmenbedingungen“. Die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, sei für seine Karriere gewinnbringend gewesen: Er versteht sich als eine Art kultureller und wissenschaftlicher Diplomat der USA. Seine Entscheidung habe aber nichts mit der Wahl Trumps zum Präsidenten zu tun.

Der 45-Jährige glaubt nicht daran, dass es sich bei Trumps Drohungen um reine Einschüchterungsversuche handelt. Man solle ihm beim Wort nehmen, da er die Grenzen der Macht austeste. Wer ihm die Loyalität entziehe, müsse mit Konsequenzen rechnen. „Wenn die Hochschulen nicht machen, was er verlangt, können Gelder gestrichen werden. Und die Universitäten stehen dann vor der Entscheidung, ihre eigenen Moralvorstellungen zu verletzen.“


Austausch der Uni Köln mit den USA in Zahlen: Im Jahr 2023/24 haben 61 Kölner Studierende an einer Partneruniversität im Rahmen eines Austauschsemesters in den USA studiert. 32 Studierende aus Amerika kamen nach Köln.

Im Wintersemester 2024/25 haben sich 94 Studierende aus den USA für ein Studium hier eingeschrieben und streben einen Abschluss an der Uni Köln an. Nach Angaben der Uni sind aktuell 14 Forschende mit US-Staatsangehörigkeit anwesend. In diesem Jahr werden 29 Forschende erwartet. Aber: Nicht alle US-Forscher sind erfasst, weder Aufenthalte unter 90 Tagen noch Daueraufenthaltstitel. (gam)