Der Studiengang Psychologie wird immer beliebter. Zwei Professoren und Studierende der Fachhochschule des Mittelstands suchen nach Gründen.
„Natürlich darf man sich schlecht fühlen“Woher der Trend zum Psychologie-Studium in Köln kommt
Franziska Hinz kann sich noch gut an die Nachrichten über den Anstieg von psychischen Krankheiten, Depressionen und häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie erinnern. „Wie furchtbar“, war der erste Gedanke der Kölnerin. Dem gegenüber standen die Nachrichten über den Mangel an Therapieplätzen. „Das hat schon etwas mit mir gemacht. Ich habe gesehen: Psychologen werden gebraucht, Psychologen sind wichtig für unsere Gesellschaft.“
Heute studiert die 20-Jährige eben genau das: Psychologie, im sechsten Trimester an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Köln. Ein Studiengang, der bei jungen Menschen in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde – speziell auch in Köln. So haben laut Landesbetrieb Information und Technik NRW im Wintersemester 2007/08 1123 Menschen Psychologie, Wirtschaftspsychologie, Business Psychologie oder International Business Psychologie an einer Kölner Hochschule studiert. Diese Zahl ist im Wintersemester 2021/22 auf 4013 Psychologie-Studierende gestiegen.
Doch warum boomt das Psychologe-Studium? „Meine Theorie ist, dass es zwei Strömungen gibt, eine zeitlose und eine zeitabhängige“, sagt Ingo Jungclaussen, Professor für Psychologie an der FHM. Die Zeitlose seien Schulfächer. So wie es bei Franziska Hinz auch war.
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Die Kölnerin belegte in der Oberstufe einen Pädagogik-Leistungskurs, der laut Bezirksregierung Köln in 24 der insgesamt 39 öffentlichen und privaten Kölner Gymnasien angeboten wird und Themen wie das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung von Erikson thematisiert. „Das war mit Abstand der beliebteste LK bei uns. Wir haben viele Einblicke in die Psychologie bekommen“, sagt Hinz. Nach dem Abi startete sie dann direkt ins Studium. Ein eben sehr klassischer Weg.
Interesse an Psychologie steigt durch Podcasts und Ratgeber-Bücher
Alles andere als klassisch sind die von Jungclaussen genannten zeitabhängigen Gründe, die eine Erklärung für das gestiegene Interesse sein könnten: Psychologie-Podcasts, True-Crime-Geschichten und Ratgeber-Bücher. Drei Stichworte, die auch im Gespräch mit Franziska Hinz und ihren Kommilitonen fallen. „Irgendwann wurden mir verschiedene Podcasts vorgeschlagen und die Themen haben mich total interessiert. Ich hab da gerne zugehört, viel Neues gelernt, konnte viele Dinge dann auch im Alltag beobachten“, sagt die 23-jährige Saskia Kalverkämper.
Tatsächlich scheint das Thema Psychologie in Podcasts, Büchern, aber auch in den Medien präsenter denn je zu sein. Nicht nur Stars wie Vincent Weiss sprechen im Interview über Depressionen, auch auf Instagram gibt es spätestens seit der Corona-Pandemie eine Welle der Accounts rund um Selbstoptimierung, Mindset und Achtsamkeit.
„Die Akzeptanz in der Gesellschaft ist definitiv höher als damals“, sagen Jungclaussen und seine Kollegin Melanie Jonas, ebenfalls Psychologie-Professorin. Eine Entwicklung, die die beiden Psychologen durchaus positiv sehen, aber man müsse differenzieren.
Denn viele Kanäle auf Instagram verfolgten zum Beispiel das Menschenbild, dass man alle unguten Gefühle wegdrücken muss, sagt Jungclaussen. Eine Tatsache, die vor allem auch Student Luca Gagliano beschäftigt. „Das ist viel toxic positivity. Natürlich darf man sich noch schlecht fühlen, sonst überspringt man ja auch einen Schritt der Heilung“, sagt der 26-Jährige. Vielmehr habe man beim Anschauen vieler Videos auf Instagram das Gefühl, dass man die Aussagen korrigieren möchte, fügt Franziska Hinz hinzu.
Viele private Hochschulen in Köln bieten Psychologie-Studiengang an
Doch es hat in den vergangenen Jahren nicht nur ein Wandel im Unterhaltungs-Angebot zum Thema Psychologie gegeben, sondern auch im Angebot der verfügbaren – und vor allem zugänglichen – Studienplätze. Ein weiterer Grund für die gestiegene Anzahl an Psychologie-Studierenden, so vermuten die Professoren, könnten die privaten Hochschulen in Deutschland sein, von denen auch viele Standorte in Köln haben – und dort das Studienfach Psychologie anbieten.
Schaut man nämlich genauer auf die Zahlen der Studierenden der letzten Jahre, stellt man fest: Die meisten Psychologie-Studierenden studieren nicht an der Uni Köln, sondern an einer privaten Fachhochschule, nämlich rund Dreiviertel der 4013. Dort gibt es zwar monatliche Studiengebühren, aber keinen Numerus Clausus. Dieser lag an der Uni Köln zuletzt bei 1,0.
„Die Möglichkeit schafft auch eine größere Nachfrage. Auch wenn Schüler kein 1,0 Abi haben, wissen sie heute, dass sie trotzdem Psychologie studieren können“, sagt Melanie Jonas. So wie Franziska Hinz und ihre Kommilitonen, die sich mit dem Psychologie-Studium an der FHM einen Traum erfüllen konnten.
Bis in den September hinein bietet die Fachhochschule des Mittelstands im Rahmen des „Psychologie Sommers“ Veranstaltungen zum Thema Psychologie an.