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Mühsame VerkehrswendeWarum sich Köln nur so langsam vom Auto trennen kann

Lesezeit 7 Minuten

Auto oder Fahrrad? Köln will die Verkehrswende, doch der Umstieg ist langwierig.

  1. Die Abkehr vom motorisierten Individualverkehr in Köln ist gewünscht, aber langwierig.
  2. Doch warum ist das so? Warum fällt es uns so schwer, auf das Auto zu verzichten?
  3. Eine Spurensuche auf Kölns Straßen – inklusive Umfrage: Was muss sich am Verkehr ändern?

Köln – Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge sind in Köln vom Tisch – im Gegenzug hat sich die Stadt gegenüber der Deutschen Umwelthilfe verpflichtet, die seit langer Zeit angekündigte Verkehrswende zu beschleunigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Verkehrsdezernentin Andrea Blome völlig neue Planungen beginnen wird. Vielmehr geht es darum, das umzusetzen, was bereits seit Jahren fertig geplant ist.

So soll etwa die von der Bürgerinitiative „Ring frei“ angestoßene Umwandlung einer Autospur in eine Radspur auf den Ringen abgeschlossen werden. „Ich habe mit Erstaunen die Meldung aufgenommen, dass unter anderem die Umsetzung von »Ring frei« der Stadt Köln das Dieselfahrverbot erspart“, sagt „Ring frei“-Sprecher Reinhold Goss.

Kölner Ringe sollen Vorzeigeprojekt für Radverkehr werden

Seit fünf Jahren setzen seine Mitstreiter und er sich dafür ein, die Ringe zu einem Vorzeigeprojekt für den Radverkehr zu machen, doch noch immer handelt es sich um einen Flickenteppich. Zwar gilt seit August 2019 überall Tempo 30, doch eine durchgängige Radspur gibt es noch immer nicht. Die Radfahrer müssen stattdessen zwischen der Radspur auf der Straße und dem nicht zurückgebauten Radweg auf dem Bürgersteig hin und her wechseln.

Ein Trend der vergangenen Jahre: Lastenräder werden in Köln beliebter.

Bislang nicht gelöst ist die Umsetzung vor allem am Barbarossaplatz, Rudolfplatz und am Ebertplatz sowie auf dem Abschnitt zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz. „Wir und auch der Einzelhandel sind ziemlich entsetzt, dass dieses Projekt sich derart verschleppt“, sagt Goss.

„Ring frei“ ist ein Beispiel dafür, dass sich die Stadt zwar auf dem richtigen Weg befindet, ein gutes Radwegenetz zu entwickeln, vom Ziel aber nach wie vor meilenweit entfernt ist. Etwas besser gelaufen ist es entlang der Wälle, die parallel zu den Ringen verlaufen. Die Stadt hat dort eine Fahrradstraße eingerichtet, auf der Radfahrer gegenüber Autofahrern bevorrechtigt unterwegs sind. Auch dort gibt es allerdings Lücken – die Stadt hat lediglich den Abschnitt am Friesenwall durchgängig umgesetzt.

Ihre Meinung zu Kölns Verkehr

Kaum ein Thema wird derzeit so leidenschaftlich diskutiert wie die Verkehrswende. Wie stehen Sie dazu? Können Sie sich vorstellen, dass Köln innerstädtisch autofrei wird? Wann steigen Sie aufs Rad um? Oder fehlen Ihnen dafür Fitness, Zeit und eine gute Radinfrastruktur? Und was ist mit dem öffentlichen Nahverkehr? Oder den Carsharing-Angeboten vor Ort? Wie müssten die sein, damit Sie diese Angebote dem eigenen Auto vorziehen? Und: Was denken Sie eigentlich über SUVs? Zu groß? Zu umweltschädlich? Oder steht dieser Fahrzeugtyp für Sie eher für Sicherheit und Komfort? Und: Sollten Köln und die Region in Sachen Verkehrswende gar Vorreiter für ganz Deutschland werden?

Wir wollen all das von Ihnen wissen. In unserer großen, anonymen Umfrage zur Verkehrswende wollen wir herausfinden, wie Sie zum Thema Verkehr und Mobilität in der Region stehen. Wir sind gespannt auf Ihre Antworten!

www.ksta.de/verkehrscheck

Voraussichtlich bis Mitte 2021 soll die Stadt eine Radschnellwegkonzeption für das Stadtgebiet erarbeiten. Es soll Pendlern ermöglichen, sich schnell vom Wohn- zum Arbeitsort zu bewegen. Wie schnell sich ein solche Konzeption umsetzen lässt, ist fraglich. Seit sieben Jahren arbeitet die Stadt bereits an einem Radschnellweg zwischen Frechen und der Universität. Noch immer ist unklar, wann der Bau beginnen soll. „Das ist tatsächlich nicht optimal gelaufen“, sagt Verkehrsdezernentin Andrea Blome. Sie gehe aber davon aus, dass die Verwaltung aus diesem Projekt für die Planung weiterer Radschnellwege gelernt habe. „Wir prüfen zurzeit, wie wir unsere internen Schnittstellen schärfen können, um schneller voranzukommen“, so Blome. Das Ziel ist klar definiert: Bis zum Jahr 2030 sollen sich zwei Drittel der Kölner mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Nahverkehr und zu Fuß durch die Stadt bewegen – nur noch ein Drittel soll das Auto nutzen.

Weitere E-Ladestationen sind geplant, doch der Bau zieht sich.

Verkehrsforscher erwarten jedoch, dass sich die Corona-Pandemie auch auf das Mobilitätsverhalten auswirken wird. „Der Individualverkehr ist der große Gewinner der Krise, während der öffentliche Nahverkehr der große Verlierer ist“, sagt ADAC-Mobilitätsexperte Roman Suthold. Statt mit der Bahn sind aus Sorge vor einer Ansteckung seit März dieses Jahres deutlich mehr Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit dem Auto unterwegs. Einen großen Ansturm auf das Auto hält Suthold dennoch für unwahrscheinlich. Es sei aber denkbar, dass Autobesitzer, die vor der Corona-Pandemie darüber nachgedacht haben, ihr Auto abzuschaffen, nun ihre Fahrzeuge vielleicht doch länger behalten.

Verkehrswende im Kopf, nicht auf der Straße

„Die Verkehrswende mag zwar in den Köpfen angekommen sein, auf der Straße sieht man sie aber noch nicht“, sagt Suthold. Pendler setzen weiterhin vor allem auf das Auto, die Neuzulassungszahlen für Kraftfahrzeuge steigen, und der Anteil an SUV nimmt zu. Köln nimmt in diesem Bereich bundesweit den Spitzenplatz ein. Suthold sieht den Trend zum Fahrrad dennoch deutlich gestärkt. „Gegenüber dem ÖPNV hat das Fahrrad neben dem geringeren Infektionsrisiko Zeitvorteile und positive Effekte für die Gesundheit – und auf kurzen Strecken ist man oft sogar schneller am Ziel als mit dem Auto“, sagt er.

Die größte Herausforderung für Köln besteht darin, das Radwegenetz deutlich auszubauen, gleichzeitig aber den Autoverkehr nicht völlig zum Erliegen zu bringen und das auf einem begrenzten Raum. Verkehrsdezernentin Blome setzt daher darauf, in großer Zahl Parkplätze am Straßenrand zu entfernen, der sich Radfahrern und Fußgängern zuschlagen ließe. Anwohner sollen auf – vor allem nachts – nicht ausgelastete Parkhäuser ausweichen, für den Lieferverkehr werden eigene Zonen eingerichtet. „Wir müssen den Raum neu verteilen“, sagt Blome. Auch ADAC-Experte Suthold hält es für sinnvoll, den ruhenden Verkehr herauszunehmen, um zusätzlichen Platz für Radfahrer zu schaffen. Ein zentraler Baustein in den Überlegungen der Stadt ist die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit zwischen Rhein und Ringen auf Tempo 30.

„Das hat etwas mit Lärm und Sicherheit zu tun und nicht nur mit der Luftreinhaltung“, sagt Verkehrsdezernentin Blome. Die Einführung von Tempo 30 auf den Ringen betrachte sie als „Quantensprung“. Die Reduktion hat laut Stadt dazu geführt, dass die Zahl der Unfälle dort zurückgegangen ist. Es gehe aber keineswegs darum, in der Innenstadt flächendeckend Tempo 30 einzuführen. „Das wird sicher nicht auf Hauptverkehrsachsen wie der Nord-Süd-Fahrt und der Rheinuferstraße passieren“, so Blome. Die Stadt werde das für jede Straße genau prüfen und Verkehrssimulationen erstellen, um zu sehen, welche Auswirkungen Tempo 30 an einer bestimmten Stelle hätte.

Fest integriert in den Kölner Verkehr: Die Bahnen der KVB

„Ring frei“-Sprecher Reinhold Goss bemängelt jedoch, dass sich viele Autofahrer im Bereich der Südstadt trotz der Vorschrift nicht an Tempo 30 halten würden. Das gelte besonders für den Abschnitt des Ubierrings vor der Technischen Hochschule – Kontrollen gebe es nur selten, so die Kritik. Deutlich besser läuft es im Norden am Hansaring und an der Christophstraße, dort hat die Stadt Blitzgeräte installiert.

Auch mehr Radfahrer bringen neue Probleme

Eine mögliche Einführung von Tempo 30 zwischen den Ringen und dem Rhein sieht der ADAC aufgrund des drohenden Ausweichverkehrs kritisch. Die Bündelungsfunktion der Hauptverkehrsstraßen dürfe nicht verloren gehen. „Deswegen ist es richtig, erst einmal die verkehrlichen Auswirkungen zu untersuchen. Erfahrungen aus anderen Städten wie Stuttgart zeigen, dass es sich lohnt, auch mal über Tempo 40 nachzudenken, wenn es um die Verflüssigung des Verkehrs geht“, sagt Mobilitätsexperte Roman Suthold. Es sei sinnvoll, Tempo 30 am Einzelfall zu diskutieren und nicht pauschal für einen zusammenhängenden Bereich des Straßennetzes zu beschließen.

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Ein Teil der Vereinbarung mit der Deutschen Umwelthilfe bezieht sich auf ein weiteres Sorgenkind, die Ladeinfrastruktur für Elektroautos. So sollen zusätzlich 200 Ladesäulen – davon 40 Schnellladesäulen – errichtet werden. Köln hat in diesem Bereich einen erheblichen Nachholbedarf. Es stehen bislang lediglich 222 Ladesäulen zur Verfügung, während es in München 1185, in Hamburg 1096 und in Berlin 1052 sind. Selbst in der deutlich kleineren Landeshauptstadt Düsseldorf sind 228 Ladesäulen in Betrieb. „Wir sind mit den Elektro-Ladesäulen jetzt auf einem guten Weg“, sagt Verkehrsdezernentin Blome.

„Ring frei“-Sprecher Reinhold Goss gibt zu bedenken, dass Köln mit einer Verkehrswende und einem Zuwachs an Radfahrern auch neue Probleme bekommen wird. „Das, was um uns herum passiert, verlangt eine viel höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung als bislang.“