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Pillen zum Preis eines DrinksDrogen im Kölner Nachtleben – wie Clubs mit Ecstasy und Co. umgehen

Lesezeit 6 Minuten
Menschen feiern in einer Disco.

Für viele Menschen gehören Drogen zum Feiern dazu. (Symbolbild)

Ecstasy, Kokain, Amphetamine. Drogen gehören zum Kölner Nachtleben dazu. Der Konsum ist gefährlich – und doch weit verbreitet.

Einfacher könnte es nicht sein. Eine Telefonnummer reicht. Anrufen, bestellen, kurze Zeit später ist das „Kokstaxi“ da. Wer die Nummer nicht hat, der braucht nur in entsprechenden Telegramgruppen zu suchen – Cannabis, Kokain, Ecstasy, angeboten wie auf einem virtuellen Flohmarkt zwischen Ankündigungen für Technopartys und Links zu neuer Musik. Wer in Köln an illegale Drogen kommen möchte, muss dafür nicht einmal mehr den Straßendealer aufsuchen oder Kontakte ins Milieu haben. Ein Smartphone reicht.

6789 Rauschgiftdelikte zählte die Polizei im Kölner Stadtgebiet 2022, der Großteil davon bezieht sich auf Cannabis. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Im Club gehe es oft auch um Drogen, die aufputschen, sagt Ralf Wischnewski, Leiter der Fachstelle Suchtprävention der Drogenhilfe Köln: „Substanzen, die wach machen und die Tanzenergie steigern, um länger feiern zu können: Amphetamine und amphetaminähnliche Substanzen, Kokain, Ecstasy.“ Eine Pille Ecstasy kostet durchschnittlich etwa sieben Euro, nicht teurer als ein Longdrink.

Ecstasy-Pillen mit hohem MDMA-Gehalt: Hohe Gefahr für Überdosis

Doch der Rausch hat einen Preis, den der Körper zahlt. Bei der Partydroge Ecstasy sind mögliche Nebenwirkungen: Herzrasen, Anstieg der Körpertemperatur, Austrocknung, Nieren- und Leberversagen, Kreislaufkollaps, Appetitlosigkeit, depressive Verstimmung bis hin zu Depressionen nach dem Konsum, Angst- und Panikzustände. Erst kürzlich starb eine 13-Jährige sogar nach dem Konsum. Das Tückische an illegalen Drogen wie Ecstasy: Wie viel vom Wirkstoff MDMA in den bunten Pillen enthalten ist, ist für Konsumenten nicht zu durchschauen.

Porträt von Ralf Wischnewski von der Drogenhilfe Köln

Ralf Wischnewski, Leiter der Fachstelle Suchtprävention der Drogenhilfe Köln

„Bei Ecstasy gibt es inzwischen sehr hoch dosierte Pillen mit geringer Verunreinigung. Da hat man eine Bandbreite beim Wirkstoffgehalt von 80mg bis 300 Milligramm“, sagt Wischnewski. Bei einer Person mit einem Körpergewicht von 80 Kilogramm sind bereits 120 Milligramm zu viel, eine halbe Pille kann zu einer Überdosis führen. Die regelmäßige Einnahme großer Mengen MDMA vergrößert die Wahrscheinlichkeit irreparabler Hirnschäden.

Ende Juni hat der Deutsche Bundestag die Möglichkeit für sogenanntes Drug-Checking eröffnet. Konsumentinnen und Konsumenten könnten Drogen so auf ihre Reinheit testen lassen. Das war bislang illegal.

Ralf Wischnewski würde die Einführung der Tests in Köln begrüßen. Zwar würden die eigentlichen Gefahren einer Substanz dadurch nicht ausgeschaltet, aber: „Konsumierende können vor besonders gesundheitsschädlichen Präparaten, Verunreinigungen und mitunter lebensbedrohlichen hohen Dosierungen gewarnt werden und so die Risiken beim Konsum vermindern.“ Erfahrungen aus anderen europäischen Städten und aus Berlin zeigen, dass das Angebot angenommen wird.

Schon wenige Zehntelmilliliter entscheiden über Abfahrt oder Absturz
Ralf Wischnewski, Drogenhilfe Köln

Die Drogen aber, die laut Wischnewski aktuell die größten Risiken im Nachtleben mit sich bringen, sind auch mit Bewusstsein über ihre Stärke äußerst risikoreich: GHB und GBL – Gammahydroxybuttersäure und Gamma-Butyrolacton. Letzeres wird in der Industrie als Lösungsmittel eingesetzt und im Körper zu GHB umgewandelt. GHB, auch Liquid Ecstasy genannt, ist deshalb so riskant, weil es in kleinsten Mengen wirkt und gerade im Club extrem schwierig zu dosieren ist.

„Schon wenige Zehntelmilliliter entscheiden dann über Abfahrt oder Absturz“, sagt Wischnewski. GHB soll stimmungsaufhellend, enthemmend und sexuell erregend wirken. Bei größeren Mengen aber wirkt es narkotisierend und lässt die Erinnerung verblassen. GHB wird deshalb auch als Vergewaltigungsdroge („K.o.-Tropfen“) missbraucht. Besonders in Wechselwirkung mit Alkohol kann es zu tödlichen Atemlähmungen kommen.

Drogen in Kölner Clubs: Betreiber haben Sorge um ihren Ruf

Aus der Realität wegzudenken sind illegale Drogen trotz aller Risiken in der Partyszene nicht. Nicht alle Clubbetreiber wollen offen darüber sprechen. Aus Sorge, sie könnten den Ruf eines Drogenclubs erhalten, mutmaßt Wischnewski.

Claudia Wecker betreibt „Das Ding“ seit 1996. 2019 ist sie zum ersten Mal mit verbotenen Substanzen in ihrem Laden in Kontakt gekommen. „Auf einmal fanden wir auf unseren Toiletten Drogenbesteck“, erzählt sie. „Wir haben uns sofort mit der Polizei auseinandergesetzt.“ Jeden Fund habe sie zur Anzeige gebracht.

„Die Dealer sind Leute, von denen man es gar nicht denkt – durchaus auch nette 19-jährige Mädchen“, so Wecker. An einem Abend hätten Zivilfahnder der Polizei eigentlich im Club sein sollen, um die Dealerinnen und Dealer „hops zu nehmen“, erzählt sie. Doch dazu kam es nicht, denn an besagtem Abend sorgte der Corona-Lockdown für verschlossene Türen. Pech für die Polizei, Glück für die Dealer. Inzwischen werde jeder durchsucht, der rein will. Damit könne man 99 Prozent des Konsums im Club verhindern, sagt Wecker.

Claudia Wecker am Tisch in ihrem Club, im Hintergrund die Garderobe.

Claudia Wecker, Inhaberin vom Studentenclub „Das Ding“ in Köln.

Auch im Bootshaus in Köln-Deutz ist man sich des Problems bewusst. „Drogenkonsum hat im Nachtleben schon immer eine Rolle gespielt und findet in allen Altersklassen und allen gesellschaftlichen Schichten statt“, sagt Marketingleiter Niclas Aigner. „Wir versuchen, die Gäste zu sensibilisieren, beispielsweise über Plakate und im direkten Austausch, und schulen unser Personal.“ Das Bootshaus arbeitet dafür mit der Drogenhilfe Köln zusammen.

„Man kann die Bedingungen erschweren, ganz verhindern lässt sich der Konsum jedoch leider nie. Das kann auch bedeuten, dass bereits vor Betreten des Clubs die Drogen zu sich genommen werden.“ Mehr als Schadensminimierung können Clubs dann nicht leisten. „Für solche Fälle ist es dann wichtig, gut geschultes Personal zu haben, die wissen, wie sie intoxikierte Gäste erkennen und wie mit diesen umzugehen ist.“

Drogenkonsum: Junge Leute holen nach, was sie versäumt haben

Besonders das junge Publikum scheine sich derzeit „ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit“ austesten zu wollen, sagt Aigner. Während der Pandemie konnten Jugendliche nicht feiern, nicht die Grenzen ausloten, die sie jetzt überschreiten. Das kann auch Ralf Wischnewksi bestätigen: „Unser Gefühl ist es, dass ein Teil von denen sagt: Jetzt wollen wir es richtig wissen, und dann sehr riskant konsumieren, sowohl bei den legalen als auch bei den illegalen Drogen“, sagt er. Aber: „Ich erlebe auch ganz viele Jugendliche, für die Alkohol und Drogen überhaupt keine Rolle spielen.“ Auch die Polizeistatistik zeigt keine steigende Tendenz von jungen Konsumierenden.

Als Betreiber bewegt man sich auf dünnem Eis.
Roxanne Lofcali, Klubkomm

Wachsende Extreme sieht auch Roxanne Lofcali von der Kölner Klubkomm. „Einige unserer Mitglieder schildern, dass sich der Drogengebrauch verändert hat. Ein exzessiverer Konsum findet statt“, sagt sie. Konsumentinnen und Konsumenten seien nicht über sicheren Gebrauch aufgeklärt. Gegen den Gebrauch selbst könnten Clubs kaum etwas tun.

„Menschen konsumieren aus verschiedenen Gründen, oft handelt es sich um eine Suchterkrankung oder den Wunsch, dem Alltag zu entfliehen“, sagt sie. Die Klubkomm bietet einen monatlichen Runden Tisch zum Thema „Safer Nightlife“, der immer gut besucht sei. „Aufgrund der Illegalität des Drogenbesitzes und -konsums bewegt man sich als Betreiber oder Betreiberin auf dünnem Eis. Man könnte mehr tun, aber dafür bedarf es einer aufklärungsorientierten Politik anstelle einer des Verbots.“

Lofcali hält Drug-Checking für einen Schritt in die richtige Richtung. „Man sollte es als Teil eines umfassenden Ansatzes zur Drogenpolitik betrachten, der auch Prävention, Beratung und Unterstützung umfasst.“


Über www.partypack.de veröffentlicht die Drogenhilfe Köln bereits Pillenwarnungen von Projekten, die Drug-Checking betreiben.

Die Jugendsuchtberatung „ansprechbar“ der Drogenhilfe Köln berät junge Konsumentinnen und Konsumenten. www.ansprechbar-koeln.de, 0221/91279710

Informationen und Hilfe zum Thema K.O.-Tropfen gibt es unter www.ko-tropfen-koeln.de.

Weitere Hilfsangebote unter www.drogenhilfe-koeln.de.