Eine breite Ratsmehrheit legt einen Plan vor, mit dessen Hilfe deutlich mehr Wohnungen in Köln entstehen sollen. Zwei Experten sehen kritische Punkte.
Experte: „Teure Subventionierung“Wie der stotternde Wohnungsbau in Köln in Fahrt kommen soll
Köln braucht jedes Jahr doppelt so viele neue Wohnungen, wie aktuell gebaut werden. Eine Mehrheit der Ratsfraktionen aus Grünen, CDU, SPD und Volt legt jetzt ein Programm in elf Punkten für mehr bezahlbaren Wohnraum vor. Sie wollen eine „sozialpolitische Katastrophe abwenden“. Das Papier ist im Unterausschuss Wohnen entstanden, der Rat soll es am 12. Dezember verabschieden.
Das Problem
Eigentlich sollen jährlich 6000 Wohnungen in Köln neu gebaut werden, um dem steigenden Bedarf an Wohnraum nachzukommen. Im Zeitraum von 2017 bis 2022 wurden aber jährlich nur rund 2500 Wohnungen fertiggestellt. Dazu kommen steigende Mieten und der massive Wegfall geförderter Wohnungen. Das sind Wohnungen, deren Bau das Land finanziell fördert. Der Bauherr bekommt günstige Kredite und muss einen Teil gar nicht zurückzahlen, im Gegenzug wird die Wohnung für 25 bis 30 Jahre an eine Miete „gebunden“.
2010 gab es noch 52.700 Wohnungen verschiedener Fördertypen, 2022 waren es 16 Prozent weniger, nur noch 44.400 – und bis 2045 fallen etwa 53 Prozent der geförderten Wohnungen aus ihrer Mietpreisbindungen, die meisten davon sogar schon bis 2030 (rund 15.700). Um eine solche Sozialwohnung zu bekommen, brauchen Bürgerinnen und Bürger einen Wohnberechtigungsschein. Den erhalten sie, wenn ihr Netto-Einkommen zum Beispiel bei einem Ein-Personen-Haushalt jährlich 20.420 Euro nicht überschreitet. Es haben also viel mehr Kölner (mehr als 40 Prozent) Anspruch auf geförderte Wohnungen, als es sie gibt.
Der Lösungsvorschlag
Die Fraktionen wollen jetzt dem Wohnungsbau höhere Priorität bei der Vergabe städtischer Flächen einräumen. Die Verwaltung soll „unverzüglich“ das Stadtentwicklungskonzept Wohnen fortschreiben und dem Rat noch in dieser Wahlperiode eine Liste zu priorisierender Wohnungsbauflächen vorlegen. Zudem sollen eine „Taskforce Wohnungsbau“ und eine „Fast Lane“ für geförderte Wohnungsbauprojekte entstehen, um die Verwaltungsabläufe bei der Bauleitplanung und den Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Weiter besagt das Programm, die gelisteten Grundstücke bevorzugt per Direktvergabe an das Wohnungsunternehmen GAG, das zum Großteil in städtischer Hand ist, die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK) und andere Genossenschaften zu geben. Die Fraktionen sehen Förderschwerpunkte für gemeinwohlorientierte Akteure vor und wollen die WSK zum Dienstleister für die Bereitstellung und Verwaltung von Werkswohnungen für private Unternehmen weiterentwickeln.
Die bebaubaren Flächen sollen im Erbbaurecht angeboten werden. Den Vorrang bei der Grundstücksvergabe für Geschosswohnungsbau hat der Rat schon 2022 beschlossen: Für Vorhaben, die mindestens 30 Prozent geförderten und 20 Prozent preisgedämpften Wohnungsbau realisieren, gilt für 60 Jahre ein Erbbauzinssatz von 1,5 Prozent des nutzungsorientierten Verkehrswerts. Der neue Vorschlag besagt jetzt im Fall von vertraglich abgesichert gefördertem Wohnraum, die Erbpachtzins bei bis zu 0 Prozent anzusetzen. Das heißt: Die Stadt soll Grundstücke für sozial geförderten Wohnungsbau vorübergehend kostenlos zur Verfügung stellen.
Die Begründung
Laut Pascal Pütz, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion sowie Vorsitzender des Unterausschusses, ist die Wohnungsnot eines der drängendsten Probleme der Stadt. Er sagt: „Wir wollen alles daran setzen, dass geförderter und insgesamt bezahlbarer Wohnraum schneller entsteht.“
Ein deutliches Zeichen an alle Kölnerinnen und Kölner ist der gemeinsame Antrag laut Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin: „Der Rat der Stadt Köln sieht sich verantwortlich, das Problem der hohen Mieten zu lindern und geht dabei über Partei- und Bündnisgrenzen hinaus.“
Niklas Kienitz, stadtentwicklungspolitischer Sprecher und Geschäftsführer der CDU-Fraktion, hebt unter anderem den Fokus auf die Vergabe an die GAG und WSK hervor: „Wir setzen auf pragmatische Lösungen und klare Prioritäten, um den Menschen in unserer Stadt die Perspektive auf Wohnraum zu geben.“ Ziel sei es, trotz schwieriger Rahmenbedingungen den Wohnungsbau zu stärken und so einen Beitrag zur Entspannung des Marktes zu leisten.
Jennifer Glashagen, Fraktionschefin von Volt, bezeichnete die Maßnahmen als mittelfristig wirksam. „Damit gehen wir gleich mehrere Schritte in eine Zukunft, in der Studierende nicht das erste Semester mit der Wohnungssuche verbringen oder Familien wegen der Mietbelastung wegziehen müssen.“
Die Einordnung
Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit Sitz in Köln ordnen das Programm für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein. Christian Oberst, Ökonom für Wohnungspolitik, sagt: „Das beste Signal des Programms ist, dass der Rat so fraktionsübergreifend hinter ihm steht. Doch das hätte es vor zehn Jahren gebraucht. Jetzt ist es zu wenig und zu spät.“ In Köln sei es nahezu unmöglich, kurz- bis mittelfristig ausreichend Neubau zu realisieren. Umso wichtiger wäre es, durch gezielte Regional- und Verkehrspolitik auf Bundes- und Landesebene den Kölner Wohnungsmarkt zu entlasten.
Hauptkritikpunkt von Oberst ist die Frage, warum Flächen bevorzugt für die GAG und WSK bereitgestellt würden. „Das zeugt von Vorurteilen gegenüber privaten Investoren“, sagt der Immobilienökonom. Seine Einschätzung: „Das Programm ist ein richtiger Schritt, aber mit der Eingrenzung des Kreises wird wieder einer zurückgegangen.“
Auch Michael Voigtländer, Experte des IW für Immobilien und Wirtschaftspolitik, sagt klar: „Wir brauchen alle Akteure auf dem Markt. Den Rückstand im Wohnungsbau aufzuholen, werden die Gemeinnützigen allein nicht schaffen.“ Voigtländer sieht zudem den Fokus auf geförderten Wohnungsbau kritisch. „Die Frage ist: Wie geht es weiter mit gefördertem Wohnungsbau in der Bundesregierung? Es ist riskant, jetzt ausschließlich auf diese Zuschüsse zu setzen“, sagt der Professor.
Oberst kritisiert die erneute Aussprache der Kölner Politik für das Erbbaurecht. „Aus meiner Sicht wäre eine aktive Bodenpolitik effektiver“, sagt er, „etwa durch bessere ÖPNV-Anbindung.“ Bei der im Endeffekt kostenlosen Vergabe von Grundstücken an die Wohnungsunternehmen handele es sich zudem um eine teure und intransparente Subventionierung. „Die Idee, kommunalen Wohnungsunternehmen Erbpachtzinsen von 0 Prozent zu gewähren, ist durchaus interessant, geht jedoch mit hohen Opportunitätskosten, entgangenen Einnahmen, einher“, sagt Oberst.
Dafür macht der Immobilienexperte weitere Vorschläge, die ein Programm hätte enthalten können: Etwa eine stärkere Flexibilisierung der Vorschriften für Pkw-Stellplätze, die ebenfalls mehr Spielraum geschaffen hätten. Solche Vorgaben könnten den Wohnungsbau unnötig verteuern können. Und er sagt: „Mir fehlt ein Hinweis auf höheres Bauen. Das ist der für Köln kritische Aspekt.“