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„Sitzen am Ende der Nahrungskette“Wie Förderschüler in Köln die Corona-Krise erleben

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Nun doch: Förderschüler können in den ersten Weihnachtsferientagen eine Notbetreuung besuchen.

  1. Förderschüler werden in der Krise alleine gelassen. Viele haben zuhause keinen Computer, Schulbegleiter stehen in Köln oft nicht zur Verfügung.
  2. Eltern fordern nun bessere Bedingungen für Förderschüler in der Corona-Krise.
  3. Wir haben mit einigen Eltern darüber, wie es ihren Kindern aktuell ergeht, gesprochen. Und darüber, wie sich die Situation verbessern ließe.

Köln – „Es wird darüber geredet, ob die Bundesliga wieder spielen darf, aber die Kinder mit Behinderungen wurden lange einfach völlig vergessen“, sagt Andrea Berger. Ihr Siebenjähriger hat Asperger-Autismus und sie fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Seit ihr Sohn nicht mehr in die Schule geht, macht er Rückschritte, erzählt sie. Alle seine Therapien sind von einem auf den anderen Tag ausgefallen.

„Die ersten drei Wochen haben wir überhaupt nichts mit ihm machen können. Wir waren nur damit beschäftigt, ihn davon abzuhalten, mehrfach am Tag einen autistischen Zusammenbruch zu bekommen, weil er die Routine und seine gewohnte Struktur vermisst hat.“ Inzwischen geht es etwas besser – „wir haben das große Glück, dass die Lehrerinnen sehr engagiert sind und ein Online-Portal nutzen. Das trifft seinen Nerv. Er mag Technik, Weltall, alles was mit Wissenschaft zu tun hat.“

Kölner Förderschulen: Es bleibt schwierig

Schwierig bleibt es trotzdem. Und dann sind da noch seine drei kleinen Geschwister, die im Moment auch alle zu Hause sind: Null, fast zwei und dreieinhalb Jahre alt. Wie sie das schafft? „Ich schlafe einfach nicht mehr“, sagt Andrea Berger lakonisch. „Ich komme im Moment so um halb zwei ins Bett „schlafe“ dann bis etwa halb sechs. Dazwischen stille ich noch zweimal.“

Wenn ihr Sohn in die Schule geht, unterstützt ihn eine Schulbegleitung. „Wir haben angefragt bei der Stadt Köln, weil wir das von anderen Landkreisen gehört haben, dass die Schulbegleiter zu den Kindern nach Hause kommen. Das wäre für uns eine Riesenhilfe.“ Doch zu ihrer Familie kommt niemand. Einmal in der Woche ruft die Klassenlehrerin an.„Wir sitzen am Ende der Nahrungskette“, sagt Elisabeth Linge von der Stadtschulpflegschaft. Sie hat mit fast allen Elternvertretern telefoniert und festgestellt: Wie gut die Förderschüler von ihren Schulen zurzeit begleitet werden, ist Glückssache. Manche Schulen und Lehrer seien sehr engagiert. Andere weniger. Beim Thema digitale Kommunikation seien viele Förderschulen schlecht aufgestellt.

„In meiner Klasse haben zwei Familien einen PC“

Was auch fehlt: Ein Kinderzimmer mit Schreibtisch. Genug Deutschkenntnisse, um die Kinder beim Lernen begleiten zu können. Die Möglichkeit, das Lernmaterial auszudrucken. Manche Eltern müssten auch arbeiten, obwohl sie die Notbetreuung nicht nutzen können – einfach, weil das Geld sonst nicht reicht. „Es gibt viele behinderte Kinder, die vor dem Fernseher geparkt werden“, sagt Linge. Die Schulpflegschaften seien in „großer Sorge um die Kinder und Jugendlichen, die in diesen Wochen in beengten Wohnverhältnissen und unter anderweitig schwierigen Umständen leben, ohne Unterstützung durch ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot.“

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„In meiner Klasse haben gerade mal zwei Familien einen PC und einen Drucker“, erläutert eine Förderschullehrerin. An ihrer Schule werden deswegen regelmäßig Schülersprechstunden angeboten. Da bekommen die Kinder ihr Lernmaterial persönlich überreicht und die Lehrer haben Gelegenheit, nach der Situation zuhause zu fragen. „Eine Mutter fing sofort an zu weinen, als sie mich gesehen hat. Der Junge ist hyperaktiv, in der Schule schon kaum zu halten. Und normalerweise geht er danach noch in eine Tagesgruppe. Jetzt ist er die ganze Zeit zuhause gewesen und die Mutter war mit der ganzen Situation völlig überfordert.“ Ein Mädchen vertraute sich einer Kollegin in der Schülersprechstunde an und erzählte, dass ihre Eltern sie jetzt wieder schlagen. Für Fälle wie diesen gebe es zwar unter anderem eine Notbetreuung. Aber: „Wir können die Kinder in solchen Situationen gerade noch nicht mal in den Arm nehmen.“

„Leonie braucht klare Strukturen“

Nun soll auch der Unterricht an vielen Grund- und den Primarstufen der Förderschulen langsam wieder anlaufen. Carina Dornuf, deren neunjährige Tochter auf eine Grundschule geht, ist erleichtert: „Wenn es wenigstens ein paar Stunden sind“, sagt sie. „Leonie hat Dyskalkulie und im Moment ist es der Horror. Ich kann es ihr nicht so erklären wie die Lehrerin, sie ist hier wahnsinnig durch den kleinen Bruder abgelenkt, sie ist frustriert.“

Dazu kommen ihre wechselnden Schichten als Altenpflegerin: „Leonie braucht klare Strukturen und Regeln. Hier zu Hause ist jeder Tag anders, weil mein Mann und ich uns mit der Arbeit abwechseln.“