- Den Kölner Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
- Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
- In dieser Folge geht es um die Frage, ob ein heftiger Sturm die Türme ins Wanken und ein Erdbeben die Kathedrale zum Einstürzen bringen könnte.
Köln – Von Steinschlag und Sturmschäden am Dom habe ich Ihnen in einer meiner vorigen Domgeschichten berichtet. Aber wie schlimm könnte es im äußersten Fall werden? Ich wage mich einmal vor und versichere: Kein noch so heftiger Sturm kann die Domtürme selbst ins Wanken bringen. Die Gefahr liegt in den komplizierten, kleinteiligen und filigranen Oberflächen. Einzelne lockere Teile können unter starkem Winddruck abbrechen. Das größte Risiko stellen die Fialen (Pfeileraufsätze) dar, die sich auf etwa 100 Meter Turmhöhe befinden. Ursprünglich waren es einmal 14 an der Zahl. Heute ist davon nur mehr die Hälfte vorhanden. Es war offenbar ein Baufehler des 19. Jahrhunderts, diese Fialen so schlecht befestigt zu haben, dass sich die erste schon recht bald nach Vollendung des Doms 1880 verabschiedete.
Eine weitere potenzielle Gefährdung, auf die ich immer wieder angesprochen werde, sind Erdbeben, die im Rheingraben dann und wann vorkommen. Die letzte größere dieser Erschütterungen war das sogenannte Roermond-Beben im April 1992 mit einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala. Damals stürzte ein etwa 1,50 Meter großes Ornament vom Dom durch das Dach der Südseite ins Innere des Doms. Kleinere Beben in den Jahren danach blieben hingegen ohne Folgen.
Die Vorzüge der gotischen Architektur
Die WDR-Sendereihe „Quarks und Co“ hat vor einiger Zeit mal eine Erdbeben-Simulation in Auftrag gegeben und die Folgen für den Dom durchgespielt. Das Ergebnis war so beruhigend wie berechenbar: Der Dom würde auch einem starken Erdbeben standhalten. Das liegt daran, dass seine Konstruktion nicht starr, sondern – vereinfacht gesagt – ein Gliederbau ist. Bei starkem Zug und Druck, ob nun durch ein Erdbeben oder wie im Zweiten Weltkrieg durch die Explosion von Bomben in seiner Nähe, schüttelt er sich, bleibt aber stehen. Massive Mauern wie die der romanischen Kirchen halten das nicht so gut aus und stürzen schlimmstenfalls ein. Gotische Architektur ist da wegen ihres Bauprinzips widerstandsfähiger.
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Schauen Sie sich einmal Kriegsfotos von der Umgebung des Ulmer oder des Freiburger Münsters an! Das gleiche Bild wie in Köln: alle Häuser ringsum kaputt, nur die Kirchen stehen weitgehend unversehrt. Eine Ausnahme sind die Gewölbekappen. Die sind tatsächlich starr und können sich nicht mitbewegen. Folglich würden bei einem heftigen Beben die Gewölbe einstürzen, wie es auch im Krieg der Fall war. Aber solch ein Beben müsste schon ein Kaliber weit über dem haben, womit in unseren Breiten zu rechnen ist.
Erdbeben-Messstation im Kölner Dom
Aus wissenschaftlichen Gründen gibt es schon seit geraumer Zeit eine Erdbeben-Messstation im Dom, die von der Erdbebenwarte des Landes NRW betreut wird. Als 2011 vor der japanischen Küste die Erde bebte und die Tsunami-Katastrophe von Fukushima auslöste, dauerte es etwa eine halbe Stunde, bis auch der Seismograf im Dom die Erschütterung registrierte. Der Boden hob und senkte sich damals um etwa einen Zentimeter. Aber die Amplituden seien so gestreckt gewesen, dass man es nicht fühlen konnte.
Und apropos Gefühl: Wenn Sie beim Besteigen des Südturms oben auf der Aussichtsplattform je den Eindruck gehabt haben sollten, der Turm schwanke ganz, ganz leicht hin und her – vergessen Sie’s! Tatsächlich gibt es minimale Seitwärtsbewegungen der Türme, die sich aber unterhalb eines Millimeters abspielen. Bei vollem Geläut zeigen unsere hoch empfindlichen Messgeräte für den Südturm eine Bewegung von 0,3 Millimetern. Bei heftigem Wind könnte es ein bisschen mehr sein. Aber auch dann läge das nicht in einem Bereich, in dem Sie das merken würden. Das Schwanken der Türme ist also tatsächlich lediglich ein gefühltes.
Aufgezeichnet von Joachim Frank