Angesichts des Schulplatzmangels steigt die Zahl der Schulplatzklagen in Köln. Nur sehr wenige sind erfolgreich.
Wenn die Wunsch-Schule ablehntVerzweifelte Eltern suchen Wege: „Köln ist die Hochburg der Schulplatzklagen“
Schulkonflikte werden in Köln immer häufiger vor Gericht ausgetragen. Allein in diesem Jahr seien es 160 Verfahren gewesen, erläuterte Nadja Suhre, Schulrechtsexpertin und Richterin am Oberverwaltungsgericht. Zum Vergleich: Drei Jahre zuvor lag die Zahl noch bei 100 Verfahren. Dabei sind die überwiegende Mehrzahl der Verfahren Schulplatzklagen.
Und das mit stetig steigender Tendenz. In diesem Jahr machten sie mehr als 100 der 160 Verfahren aus. Insgesamt 36 Kölner Schulen – hauptsächlich Gymnasien und Gesamtschulen – waren in diesem Jahr von solchen Schulplatzklagen betroffen, wie Suhre auf einer Informationsveranstaltung des Verwaltungsgerichts zum Thema „Schulkonflikte vor Gericht“ erklärte. Alle mussten mit sehr hohem organisatorischem Aufwand ihre Aufnahmeverfahren darlegen.
700 Ablehnungen an Kölner Gesamtschulen
Damit ist Köln nach Angaben von Suhre „die Hochburg der Schulplatzklagen in Nordrhein-Westfalen“. Der Grund liegt auf der Hand: Der Schulplatzmangel in Köln ist eklatant. Ebenso wie die Zahl der Familien, die für die Wunschschule ihres Kindes eine Ablehnung bekommen. Allein 700 Ablehnungen gab es an den Gesamtschulen, bei den Gymnasien musste der Spitzenreiter knapp ein Drittel der Schüler ablehnen.
In diesem Jahr hatten auch erstmals ein Drittel der Kölner Grundschulen einen Anmeldeüberhang. Immer mehr Eltern wollen das nicht hinnehmen. Sie legen gegen die Ablehnung ihres Kindes Widerspruch ein und wählen mit Hilfe eines Anwalts den Weg einer Klage oder beantragen alternativ durch den Anwalt ein Eilverfahren.
Schulklagen dauern bis zu zwei Jahre
Dabei ist die Aussicht auf Erfolg für Eltern sehr gering. Von den etwa 40 Familien, die den Klageweg gewählt hatten, sei bislang in keinem Fall über die Klage entschieden worden, erklärte der Vorsitzende Richter am Kölner Verwaltungsgericht, Michael Ott, auf Anfrage des Kölner Stadt-Anzeiger. Laut Schulrechtsexpertin Suhre muss bei einer Klage mit einer Verfahrensdauer von etwa zwei Jahren gerechnet werden. „Und wer schickt im Erfolgsfall sein Kind nach zwei Jahren auf einer anderen Schule doch noch an die Wunschschule?“, fragte sie. Der andere Weg ist, ein Eilverfahren zu beantragen, um doch noch die Aufnahme an einer bestimmten Schule zu erreichen.
Von den 59 Eilanträgen, die im Rahmen des diesjährigen Anmeldeverfahrens eingegangen sind, hat das Verwaltungsgericht lediglich acht Verfahren stattgegeben. Und zwar nur insoweit, dass die Gegenseite verpflichtet wurde, über den Aufnahmeantrag neu zu entscheiden. „Eine Verpflichtung, ein Kind an einer bestimmten Schule aufzunehmen, hat das Gericht in keinem Fall ausgesprochen“, erklärte Verwaltungsrichter Ott. Nach den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichts haben so am Ende in diesem Jahr insgesamt fünf Schülerinnen und Schüler einen Platz erhalten.
Dabei ist die Schulplatzvergabe so geregelt, dass die Schulleitungen die Kriterien der Aufnahme bestimmen und auch über die Aufnahme entscheiden, wie Schulrechtsanwalt Daniel Weber erläuterte. Mögliche Kriterien sind neben Losen und Schulweglänge der Besuch einer in direkter Nähe gelegenen Grundschule, Geschwisterkinder und ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Die beiden letzten Kriterien legen die meisten Schulen an. „Dabei müssen die Schulen bei der Aufnahme eine qualifizierte Warteliste führen. Dabei wird der Klagende nicht bevorzugt“, erklärt Suhre.
Außerdem hat die Schulleitung die Möglichkeit, Härtefälle zu definieren, die unabhängig von den Kriterien aufgenommen werden, weil eine Ablehnung unzumutbar wäre. „Da gilt aber nicht, dass alle anderen Freunde an einer anderen Schule aufgenommen wurden, sondern etwa Tod oder schwere Krankheit eines nahen Angehörigen“, so Weber. Bei einem Widerspruch nehmen Anwälte Akteneinsicht und prüfen akribisch, ob sie an irgendeiner Stelle des Verfahrens einen Fehler nachweisen können.
„An meiner Schule haben wir immer einen Überhang und ich habe jedes Jahr Widersprüche. Ein Drittel bis die Hälfte davon durch einen Anwalt. Bislang wurden bei mir alle Widersprüche abgelehnt“, gab Sabine Sommer, Sprecherin der Gesamtschulen im Regierungsbezirk Köln und Leiterin der Hürther Gesamtschule einen Blick in die Praxis. Wenn man das als Schule akribisch mache, könne nichts ausgesetzt werden, fasst sie ihre Erfahrung zusammen.
Trotzdem bedeuten Widersprüche für die Schulen einen hohen Aufwand. Wenn etwa die Schulweglänge von einem Anwalt als fehlerhaft angeprangert wird, müssen von allen Angemeldeten die Schulweglängen überprüft werden.
Auslosen von Schulplätzen ist rechtssicher
Da sich das Losen als rechtssicherste Weg erwiesen hat, ermittelt eine Mehrzahl der Schulen die Rangfolge der Plätze per Los – als direkte Folge der zunehmenden Schulplatzklagen. Dabei sorgt selbst das nicht immer für Eindeutigkeit: In diesem Jahr war einer der strittigen Fälle vor dem Oberverwaltungsgericht, ob Zwillinge als ein oder als zwei Lose in die Trommel müssen. Denn: Wenn der erste Zwilling gezogen wird, ist hat der zweite automatisch einen Platz als Geschwisterkind. Das OVG hat entschieden, dass beides möglich ist.