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Kölner Altstadt in der KriseDem „Haxenhaus“ fehlen die Gäste aus China

Lesezeit 4 Minuten
Altstadt

Blick in die Salzgasse

Köln – Die ersten Touristen sind wieder da. Schon am frühen Mittag schlendern sie durch die Salzgasse und am Rheingarten entlang. Familien und Paare sind es vor allem, die sich das Gastronomie-Angebot anschauen. „Hier gibt es Steaks, aber man hat keinen Blick auf den Rhein, lass uns mal weitergehen“, sagt eine Frau.

„Ja, es sind wieder Touristen da, aber die Einnahmen decken noch nicht einmal die Kosten“, sagt Wilhelm Wichert, Chef des „Haxenhaus“. Während die Leute in den Veedeln dankbar in ihre Stammlokale zurückgekehrt sind, bleibt die typische Kundschaft der Altstadt fern.

Altstadt-Bratwurst in China berühmt

Wicherts 800 Jahre altes Gebäude, dessen Gastraum er gerade liebevoll renoviert hat und das jetzt ein historischer Fliesenboden ziert, lockt normalerweise vor allem internationales Publikum an – das aber wegen der Pandemie nicht kommt. Das „Haxenhaus“ sei sogar in China für seine hausgemachte Bratwurst berühmt. „Vorgestern hatte ich mich schon gefreut, da stand eine Gruppe Chinesen vor der Tür. Aber es stellte sich heraus, dass es eine Gruppe von Studenten war, die hier leben.“

Wichert

Wilhelm Wichert vor seinem Haxenhaus

Tagesausflügler aus Deutschland kämen jetzt in der Ferien zwar wieder, aber das reiche nicht. Die Köln-Düsseldorfer fährt und auch erste Flusskreuzfahrtschiffe sind angekündigt, aber es sei kein Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten. Trotzdem haben in der Altstadt alle Gaststätten wieder geöffnet. Von Pleiten oder Schließungen weiß Wichert nicht zu berichten. Bei einigen kleineren Lokalen habe es aber wohl Betreiberwechsel gegeben.

Kölner Stammgäste im Urlaub

Silvia Fehn-Madaus, Geschäftsführerin des Traditionsrestaurants „Em Krützche“, hat seit dem dem 2. Juni wieder geöffnet. „Wir sind mit großer Euphorie gestartet, nun ist man wieder in einem Loch.“ Das „Krützche“ hat – ungewöhnlich für die Altstadt – viele Kölner Stammgäste. Doch die seien erstmal in den Urlaub gefahren. Das Philharmonie-Publikum, das normalerweise etwa 20 Prozent der Gäste ausmacht, fehlt, ebenso die Besucher von Großveranstaltungen in der Arena oder im Musical-Dome.

Ärgerlich findet sie, dass es ausgerechnet jetzt in der Altstadt so viele Baustellen gibt. „Dabei sollten wir doch gerade jetzt unsere Gäste willkommen heißen.“ Aber nicht so, wie es in ihrer Nachbarschaft passiert. Da stehen tatsächlich Kellner vor der Tür, die Passanten ansprechen und in die Lokale locken wollen – das kennt man eigentlich nur von Billig-Reisezielen.

Stadt sollte Konzessionen sorgfältiger vergeben

„Ich wünsche mir, dass es hier edler und schöner wird, dass es mehr gehobene Gastronomie gibt“, sagt Silvia Fehn-Madaus. Die Stadt sollte sorgfältiger prüfen, wem sie Konzessionen gebe. Denn schon vor der Pandemie hatte die Altstadt ein Problem: Zu viele Billigangebote und Riesenläden, die auf das Durchschleusen vieler Gästen in kurzer Zeit ausgelegt sind. Ein Konzept, das schon seit geraumer Zeit nicht mehr trug.

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Auch Wilhelm Wichert plädiert für mehr Sorgfalt beim Besatz der Altstadt. Er arbeitet an der Gründung eines Standortimmobilienvereins, wie es ihn beispielsweise schon in der Severinstraße gibt. Dabei übernehmen die Hausbesitzer die Verantwortung dafür, an wen sie vermieten. „Da wird besprochen: Brauchen wir an dieser Stelle wirklich noch einen China-Imbiss oder eher eine Eisdiele? Oder umgekehrt.“ Auch ein Vermieter, der in Buxtehude sitze und keinerlei emotionale Bindung zur Altstadt habe, habe schließlich ein Interesse daran, dass sich das Konzept lohne. Von der Stadt fehle bisher eine klare Aussage, was die Altstadt darstellen solle, kritisiert Wichert.

Kern

Liebevolles kleines Kunstwerk mit einem Pfirsichkern in der Salzgasse

Immerhin gibt es seit dem Frühjahr 2018 die Stabsstelle „Stadtbau im Quartier“, die die Entwicklung im Bereich Dom/Altstadt koordiniert. „Die Altstadt soll weg vom Image des Billigtourismus“, sagt Stabsstellenleiter Wilhelm Belke. In die Vermietungsfragen könne die Stadt allerdings nicht eingreifen, das sei in der Tat Sache der Hausbesitzer.

170 Vorschriften für die Außengastronomie

Dafür soll sich auch das Erscheinungsbild verbessern. In einem ersten Schritt seien die Regeln für die Außengastronomie entschlackt und präzisiert worden. Es gab 170 Vorschriften für Markisen, Blumenkübel, die Art und die Beschriftung von Schirmen. Jetzt sind es noch 50. Auch koordiniert die Stabstelle die vielen Baustellen im engen Altstadtraum wie Domcarré, Laurenz-Carré und die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums, um die Belastungen für die Anrainer so gering wie möglich zu halten. „Wir haben aktuell 20 große Maßnahmen, die in zehn Jahre abgeschlossen sein werden“, so Belke.

Die Gastgeber arbeiten derweil unter großem Druck weiter. Wilhelm Wichert, der seit fast 30 Jahren Touristen in der Altstadt bewirtet, sagt: „Das ist ein dickes Brett, was wir hier bohren müssen, bis sich etwas ändert.“