Reptilien- und Amphibienforscher Thomas Ziegler ist seit 18 Jahren Kurator des Aquariums im Kölner Zoo.
Wichtig sei es, dass Menschen verstehen, dass sie selbst etwas tun müssen, um die Artenvielfalt zu erhalten, so Ziegler.
Wir haben mit ihm über Artenschutz, illegalen Handel mit Reptilien und die Aufgaben eines modernen Zoos gesprochen.
Köln – Herr Ziegler, nach Ihnen sind fünf Tierarten benannt. Darunter ein Gecko, ein Käfer und der Molch Tylototriton ziegleri. Hätten Sie sich lieber etwas flauschiges gewünscht?
Nein, ich bin ja Reptilien- und Amphibienforscher. Da ist es schon toll, wenn man in seinem Bereich solche Anerkennung erfährt.
Ich habe schon als Kind Bücher dazu verschlungen. In einem war ein Bild von Charles Darwin mit einem Forscher-Köfferchen. Das hat mich fasziniert, das wollte ich auch machen. Meine erste Forschungsreise ging nach Vietnam, das war ein richtiges Abenteuer im Regenwald. Löwen und Haie fand ich auch immer toll, aber Warane fesseln mich einfach mehr.
Sie haben mehr als 100 neue Tierarten entdeckt. Wie haben Sie das gemacht?
Man braucht eine Menge Pioniergeist und muss erst mal in einem Land auf Suche gehen. Dann haben Sie eine Menge Gepäck dabei, Probenröhrchen, Kameras, solche Dinge. Dann geht man – in einem meiner Fälle – raus in den Urwald von Vietnam. Irgendwann zu Fuß, weil man anders nicht mehr weiterkommt, und sucht jede Nacht mit Stirnlampen nach neuen Arten. Wenn sie etwas gefunden haben, fängt die Bestimmerei an, die sehr aufwendig ist – ist das überhaupt etwas neues. Die Unterschiede sind manchmal minimal, auch muss man immer die Genetik hinzunehmen. Und dann haben Sie vielleicht eine Art, die noch niemand beschrieben hat und noch niemand kennt.
Was war Ihre schönste Entdeckung?
Voriges Jahr habe ich die Chinesische Weichschildkröte entdeckt. Schildkröten entdeckt man nicht so oft, es ist die erste in meinem Leben.
Werden Sie bei ihrer Arbeit nicht ständig von Tieren gebissen und gestochen?
Die Feldarbeit ist natürlich nicht ungefährlich. Ich hatte schon Typhus, Blutegel- und Zeckenbisse, eine Blutvergiftung, Infektionen, Mückenstiche. Ein Schlangenbiss kommt dagegen eher selten vor. Aber das gehört dazu, das muss man über sich ergehen lassen.
Welche Aufgaben hat ein moderner Zoo und das Aquarium?
Wir müssen natürlich die Besucher auch unterhalten, damit sie sich wohl fühlen und wiederkommen. Sie sollen zum Beispiel im Zoo-Restaurant etwas leckeres Essen können. Für mich wichtiger ist die Bildung, dass wir die Menschen mitnehmen, dass man selbst etwas tun muss, um die Artenvielfalt zu erhalten. Natürlich brauchen wir attraktive Terrarien. Aber wir müssen die Leute auch für das begeistern, was nicht nur bunt und süß ist, damit sie wissen, an welchen Projekten wir arbeiten. Also unsere Forschung und der Artenschutz. Zudem haben wir im Jahr etwa 120 Studenten der Uni, die im Rahmen von Seminaren bei uns Einblicke in die Biodiversität, also in die Artenvielfalt erhalten. Aber auch in die Zooarbeit, wie man Gehege schafft, das Management, wie ein moderner wissenschaftlich geführter Zoo funktioniert.
Wie fördert der Kölner Zoo den Artenschutz?
Wir verfolgen die Idee des Artenschutzzoos. Wir wollen eine moderne Arche werden. Wir können hier kaum bekannte bedrohte Arten erforschen und im besten Fall wieder auswildern. Der Schaubereich, den die Besucher sehen, ist die eine Sache. Aber hinter den Kulissen züchten und erforschen wir im Aquarium noch auf drei Ebenen bedrohte Tierarten. Dafür ist das Aquarium prädestiniert, weil wir hier kleine Arten halten. Ich habe auf einem Bruchteil des Platzes des Elefantenparks bis zu 500 Tierarten. Diese Vielfalt ist riesig.
Der Feuersalamander ist in Deutschland in der Natur fast ausgestorben, weil die Tiere von einem Pilz befallen werden. Hier müssen Zoos einsetzen, weil wir in unserem geschützten Raum die Art erhalten und erforschen können, wie man mit dem Pilz umgeht, um die Salamander später wieder auszusetzen. Uns sind schon Amphibienarten verloren gegangen, die noch da wären, wenn man sie im Zoo gezüchtet und ausgewildert hätte. Oder: Wir sind aufgefordert worden, in Europa ein Erhaltungszuchtprogramm für das Philippinen-Krokodil, einer der bedrohtesten Krokodile weltweit, aufzubauen. Wir haben herausgefunden, wie man die Art züchten kann, wie man die Jungen durchbekommt. Wir haben so die erste Nachzucht dieser Krokodile in Europa geschafft. Wir werden noch in diesem Monat Krokodile aus dem Kölner Zoo auf die Philippinen schicken können. Artenschutz macht glücklich, weil man viel bewegen kann.
Behörden kontaktieren Sie oft, wenn sie geschmuggelte bedrohte Tiere beschlagnahmen.
Der illegale Tierhandel nimmt ständig zu, besonders bei Reptilien. Es werden Warane in Lautsprecherboxen und Computer eingebaut und Schildkröten in Koffer gepfercht. 20 unserer 60 Reptilienarten stammen aus Beschlagnahmungen. Einige Leute kritisieren, dass sich Zoos an Beschlagnahmungen bereichern würden. Das ist Quatsch. In manchen Ländern werden beschlagnahmte Tiere umgebracht, damit sie nicht in den illegalen Handel kommen. Wir versuchen, jedes Tier durchzubringen, denn alle diese Arten sind geschützt, sonst wäre der Handel nicht verboten. Wir bestimmen die Art und können sie bestenfalls wieder in ihre Heimat überführen oder in andere Zoos mit entsprechendem Zuchtprogramm. Auch deshalb kontaktieren uns Umweltbehörden oder der Zoll inzwischen oft, weil wir die Expertise haben und ein weltweites Netzwerk an Institutionen, die mit den Tieren arbeiten können. Am allerbesten wäre es natürlich, wenn Beschlagnahmungen erst gar nicht nötig wären, weil nicht geschmuggelt wird. Deswegen haben wir auch Partner vor Ort, etwa in Vietnam und Laos, die wir unterstützen. Auf unsere Initiative konnten dort schon Schutzgebiete eingerichtet werden.
Artenschutzprojekte des Kölner Zoos
Rund 1,6 Millionen Euro hat der Zoo nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn Jahren für Artenschutzprojekte in der ganzen Welt gespendet. Im Rheinland kooperiert der Tierpark mit Organisationen aus der Region, etwa dem Nabu Köln. Der Zoo koordiniert und unterstützt für mehr als 1000 bedrohte Arten Zuchtprogramme, entweder im Zoo selbst oder in Stationen in den Heimatländern der Tiere.
In Vietnam zum Beispiel hilft der Zoo bei Schutz, Forschung und Auswilderung von Reptilien und Amphibien. Gemeinsam mit Nabu und TU Braunschweig erarbeitet der Tierpark ein Schutzkonzept für die auch in Köln heimische, aber bedrohte Wechselkröte. In Sri Lanka forscht der Zoo zu Elefanten, arbeitet an Auswilderungsprogrammen, erforscht dort Mensch-Tier-Konflikte.
Schon seit vielen Jahren unterstützt der Zoo gemeinsam mit der Nationalparkverwaltung von Hortobágy den Schutz der bedrohten Przewalskipferde in Ungarn, wodurch schon viele Tiere der seltenen und bedrohten Art ausgewildert werden konnten. (og)