Die Liebe finden viele heute online. Der Kölner Thomas Fellner lässt sich analog beraten. Die Frau fürs Leben hat er noch nicht gefunden. Aber vielleicht etwas Wichtigeres.
Kölner auf analoger Partnersuche„Die Liebe ist mein Schwachpunkt. Bislang habe ich das nicht gut hinbekommen“
Die Sonne wirft ihr funkelndes Lichttuch durch die bunte Glasfläche, die bis ins hohe Gewölbe, scheinbar fast bis zum Himmel reicht. Wenn Thomas Fellner sonntagmittags im linken Seitenschiff des Doms sitzt und der Predigt lauscht, dann hat er zumindest bei entsprechendem Wetter einen guten Blick auf das Strahlenspiel am Richterfenster. „Erhebend“, sagt Fellner. Und: „Wenn Sie nirgends mehr hingehen können, dann können Sie immer noch in die Kirche gehen.“ An diesem Ort könne er Kraft tanken für die Woche, die vor ihm liegt. Hier stellt er sich selbst oft Fragen, denkt über das Leben nach, manchmal, da richtet er bei derlei Gelegenheiten auch einen Wunsch an Gott.
Behütete Kindheit, Freiheit, drei Kinder, genug Geld – das Leben hat ihn beschenkt
Fellner will nicht undankbar erscheinen. Das Leben habe ihn reich beschenkt. Eine behütete Kindheit in der Kölner Südstadt. Viele Freiheiten. Ein verantwortungsvoller Job im oberen Management. Drei Kinder. Eine schöne Eigentumswohnung. Genug Geld, um auf Reisen die Welt entdecken zu können. Gute Freunde. Gesundheit. Ein bisschen Musikalität. Während der Pandemie hat er Klavierspielen gelernt. Derzeit übt er an „Still D.R.E.“ von Dr. Dre und Snoop Dogg. Dennoch gibt es da eine Sache, nach der er sich sehnt: „Ich suche die Frau fürs Leben“, sagt Fellner.
Fellner ist mit seiner Sehnsucht nicht alleine. Mindestens gut jeder dritte Deutsche ist auf der Suche nach der Liebe. Ganz genau lässt es sich nicht beziffern. Aber immerhin für die digitale Herzensjagd gibt es Belegbares: 34 Prozent der 16- bis 29-Jährigen, 39 Prozent der 30- bis 49-Jährigen und 33 Prozent der 50- bis 64-Jährigen sind nach Zahlen von Bitkom im vergangenen Jahr online aktiv gewesen, um einer Partnerschaft oder zumindest glückversprechenden Begegnung auf die Sprünge zu helfen. Der Online-Umsatz für Dating-Services in Deutschland soll einer Prognose von Statista zufolge im kommenden Jahr auf rund 235 Millionen Euro ansteigen. Stärkstes Segment dabei: Die Online-Partnervermittlung mit fast 100 Millionen Euro.
Weltweit, so rechnet Statista hoch, steigen die Zahlen derer, die im Netz auf der Suche nach der Liebe sind von 381 Millionen auf 452 Millionen im Jahr 2028. Allein über Parship haben sich, wenn den Zahlen des Unternehmens zu glauben ist, schon 840.000 Singles verliebt, 120.000 Kinder wurden gezeugt.
Analoge Partnervermittlung zum Finden der Liebe
Fellner ist durchaus digital-affin. Für die Online-Variante des Verliebens fühlt er sich mit 54 Jahren nicht zu alt. Dennoch hat er sich gegen ein Profil auf einer der Plattformen entschieden. Der Grund: „Dafür bin ich zu bekannt.“ Wüssten seine Mitarbeiter, dass ihn der unerfüllte Wunsch nach einer Partnerschaft umtreibt, fände er das „nicht so glücklich“. Hierin liegt auch der Grund dafür, dass er seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Fellner setzt also auf die analoge Variante des Kennenlernens. Eigentlich, so sagt er, glaubt er an die Zufälle. Und bislang hat ihm das Leben auch ein paar „wunderbare Frauen“ beschert. „Ich hatte nie Probleme, jemanden kennenzulernen.“ Eine Ehe ist so entstanden, die ein oder andere langjährige Beziehung. Schnelle Wechsel seien seine Sache nicht gewesen. „Die Frauen, mit denen ich zusammen war, habe ich immer sehr geliebt.“ Doch nun ist die „Disco-Zeit ja irgendwie langsam vorbei“, sagt er. Seiner Position wegen käme auch der Heiratsmarkt Arbeitsplatz nicht infrage. „Das wäre unprofessionell.“ Und deshalb hat Fellner sich jetzt zu einem heute außergewöhnlichen Schritt entschieden: Er lässt sich von einer analogen Partnervermittlung beim Finden der Liebe unterstützen.
Bei der Partnervermittlung Tango, die mit Büros in Köln, Düsseldorf und Bonn vertreten ist, hat Fellner gefunden, was er sucht: Diskretion. Und was noch wichtiger ist: ein menschliches Gegenüber. Einen Berater. Vielleicht sogar so etwas wie einen Menschenkenner. Denn Werner Schönenkorb, der kennt all seine Klienten. Und vermittelt nicht nach Algorithmus oder Fragebogen. Sondern basierend auf persönlichen Gesprächen und der daraus resultierenden Analyse der Bedürfnisse. „Im persönlichen Gespräch fragen wir nicht nur Oberflächlichkeiten wie ‚Raucher ja oder nein?’, oder das Freizeitverhalten ab.“
Das Selbstbild bedarf zuweilen einer Korrektur
Heraus kämen ohnehin oft soziale Erwünschtheiten, wer „sportlich“ ankreuzt, der plant vielleicht nur seit Jahren, mal wieder laufen zu gehen. Zudem habe man es bei Partnersuchenden oft mit kognitiven Verzerrungen zu tun. Solche Wahrnehmungsfehler führten zu irrationalen und nachteiligen Entscheidungen, die Liebessuchende immer wieder an bestimmte Menschen-Typen geraten lasse – und somit auch immer wieder an die gleichen Schwierigkeiten. „Hier versuchen wir einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen“, sagt Schönenkorb.
Auch das Selbstbild bedürfe zuweilen einer sanften Korrektur. „Manchmal haben wir über 60 Jahre alte Kunden, die sagen: Ich will jemanden, der nicht älter als 50 ist, ich sehe auch zehn Jahre jünger aus. Da müssen wir behutsam vermitteln, dass diese Selbstwahrnehmung andere gar nicht teilen.“ Einzelbetreuung, „one face to the customer“, sagt der systemische Coach.
Online-Dating manifestiert klassische Rollenbilder eher
Online-Dating dagegen funktioniert mit Masse. Und bei allen Vorteilen liegt hier auch zuweilen die Krux. Die Mehrheit prägt den Algorithmus, für die Veränderung von Rollenbildern muss das zwangsläufig eher abträglich sein. Vorgefertigte Fragen über Äußerlichkeiten, Beruf oder den sozialen Status bringen hier eher Klassiker hervor: Junge Frau, älterer Mann; kleinere Frau, größerer Mann; ärmere Frau, reicherer Mann; gebildeter Mann, ungebildetere Frau. Wer aus diesen Schemata ausbrechen will, hat es im Onlinegeschäft und zuweilen auch bei anderen Offline-Vermittlern oft nicht ganz leicht.
Jemand wie Werner Schönenkorb hat zwar auch Klienten, die sich den Klassiker wünschen. „Aber wir haben den Vorteil: Wir sprechen mit den Menschen. Wir hinterfragen. Und finden am Ende hoffentlich dadurch etwas, das besser passt. Obwohl vielleicht ein oberflächlicher Wunsch nicht erfüllt wurde.“ Die fünf Jahre ältere Frau zum Beispiel, die dazu nicht einmal mit der Wunschhaarfarbe aufwarten kann, dafür aber den gleichen Sinn für Humor hat, das gleiche Freiheitsbedürfnis verspürt, in puncto Toleranz, Genauigkeit und Extrovertiertheit ähnliche Werte aufweist.
Fellner hat das Gefühl, dass ihn die Partnervermittlung auch als Mensch und potentieller Partner verändert hat. „Ich denke viel über mich nach. Über Fehler, die ich gemacht habe. Über falsche Vorstellungen und vielleicht auch ungenaue Überprüfung wichtiger Voraussetzungen.“ Vielleicht habe er in der Vergangenheit in emotionalen Situationen manchmal überstürzt gehandelt. „Ich neige dazu, die Dinge bunt zu malen, nicht genau hinzugucken.“ Er habe Warnungen von Freunden in den Wind geschlagen. „Thomas, der Supermanager“, habe er dann gedacht, „der kriegt das schon hin“.
Hineingestürzt habe er sich in die Liebe. Immer wieder. „Ich bin gelernter Schlosser. Ich packe die Sache entweder richtig an oder lasse es ganz bleiben.“ Niederlagen akzeptieren, eigene Grenzen, Schwächen gar, das sei nicht so sehr seine Sache gewesen. Aber auch hier ist er weitergekommen. Fellner rückt seine Brille zurecht und seine braunen Augen sehen plötzlich müde aus, verletzlich: „Die Liebe ist mein Schwachpunkt. Bislang habe ich das nicht gut hinbekommen. Ich hätte es besser machen können.“
Kein Urlaub nach der Geburt des Sohnes: „Das hat mir meine Frau nie verziehen“
Er habe zudem zuweilen falsche Prioritäten gesetzt. „Ich war beruflich immer sehr ambitioniert, es ist mir nicht immer geglückt, das mit dem Familienleben in Einklang zu bringen“, sagt Fellner. Er sitzt in einem chinesischen Restaurant in der Kölner Innenstadt und guckt auf die Stichflamme, die aus seinem flambierten Rindfleisch mit Gemüse gen Decke blitzt. Als sein Sohn zur Welt kam, habe er seiner Frau beispielsweise versprochen, 14 Tage frei zu nehmen. „Das habe ich dann trotzdem nicht gemacht. Ich glaube, sie hat mir das nie verziehen.“
Die Flamme ist erloschen. Fellner greift zu den Stäbchen. Das Rindfleisch ist scharf, „aber nicht zu sehr“. In den 90er Jahren hat er ein Semester in Shanghai verbracht. Seitdem schmeckt ihm die chinesische Küche besonders.
Fellners Vorstellungen vom Glück zu zweit sind präzise: Zusammenziehen, keinesfalls Fernbeziehung – „erstmal zwei Jahre pendeln, bevor man dann vielleicht den nächsten Schritt geht, das ist nichts für mich“, heiraten, und zwar im Dom, beschienen vom Sonnenlicht, das sich im Richterfenster bricht, feierlicher Auftakt einer Liebe für die Ewigkeit. Weitere Kinder nicht ausgeschlossen. „All diese Wünsche würde ich beim ersten Treffen heute allerdings für mich behalten. Man sagte mir, das könne abschreckend wirken“, sagt Fellner und lacht.
„Wir versuchen schon, auch ein bisschen persönlichkeitsentwickelnd einzugreifen“, sagt Schönenkorb. Flipcharts kommen zum Einsatz. Eine Matrix der „Big five“ werde im Gespräch erstellt: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Empathie, Geselligkeit, emotionale Labilität. Schönenkorb zitiert aus „Die Kunst des Liebens“ des Sozialpsychologen Erich Fromms. Er wolle nicht zu theoretisch werden, aber seine Arbeit fuße auch auf dessen Erkenntnissen. „Es geht nicht darum, den einen Menschen zu finden, der einen genug liebt. Und dann ist alles gut. Es geht darum, seine Persönlichkeit so zu entfalten, damit man selbst in der Lage ist zu lieben.“ Der Rest ergebe sich dann. Durch die Zufälle des Lebens. Oder eben durch jemanden wie Schönenkorb.
Die Mutter sagt: „Jung, du bist zu wählerisch!“
Fellner hat an sich gearbeitet. Und er hat schon drei Frauen getroffen. Ohne vorher ein Foto von ihnen gesehen zu haben. Er hat eine Nummer bekommen, angerufen, nicht lange drumherum geredet und ein Rendezvous – kein „Date“, sagt Schönenkorb – vereinbart. Er hat einen Tisch im Culinarius auf der Dürener bestellt, Blumen gekauft oder Pralinen („nichts Großes, dezent“) und dann immer tolle Abende verlebt. „Alle drei waren sehr sympathisch, gebildet, auch optisch gut ausgesucht. Ich war positiv angetan.“ Er habe Frauen kennengelernt, die er sonst vielleicht nie getroffen hätte. Er hat sich im Flirten verbessert. Er hat Rendezvous auch wiederholt. Eine Partnerschaft habe sich daraus bislang nicht ergeben. „Meine Mutter würde sagen: Jung, du bist zu wählerisch“, sagt Fellner. Aber was solle er machen? Der Funke sei eben nicht übergesprungen.
Sehnsüchte hat Fellner weiterhin. „Mich faszinieren intelligente Frauen.“ Eine, die gerne lacht. „Eine ganz normale Frau.“ Eine, mit der er Lebensentscheidungen gemeinsam treffen kann. „Bislang habe ich das eigentlich immer alleine gemacht.“ Eine, die bereit ist für das große Wir. Denn das ist vielleicht Fellners wichtigster Wunsch: Die schönen Dinge, die das Leben bietet und die er erleben darf, nicht alleine genießen zu müssen. Unvollständig fühle sich das für ihn an, ein bisschen traurig auch bei aller Privilegiertheit. „Ich habe eine gute Familie, gute Freunde, einen guten Job, ich habe meinen Stress unter Kontrolle. Ich bin glücklich. Aber dieses Glück will ich doch nicht alleine haben. Ich will das teilen.“
Aber die Liebe, das hat Fellner gelernt, sie lässt sich nicht erzwingen. Sie kommt vielleicht gerade zu dem, der auch mal loslassen kann. Fellner gönnt seiner Suche deshalb nun zunächst mal eine Auszeit. Eine Woche lang schippert er auf einem Boot über den Atlantik. Ohne Begleitung. Vorbei an der Titanic. Ohne Netz und „nur erreichbar über Satellitentelefon“. Das Fest der Liebe will er in New York verbringen: Schlittschuhlaufen im Central Park, zur Christmette in eine kleine Kirche am Times Square, am ersten Weihnachtsfeiertag St. Patrick, vielleicht ein paar Dukatenplätzchen. Dermaßen unbeobachtet und von den Zwängen des Findenmüssens befreit wird die Liebe sich im kommenden Jahr dann vielleicht aus freien Stücken einfinden. Thomas Fellner ist bereit.