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„Gäste fühlen sich kontrolliert“Kölner Bars und Restaurants schaffen immer öfter Bargeldzahlung ab

Lesezeit 5 Minuten
Ein Kellner eines Restaurants hält einen Geldbeutel in der Hand, während er in der anderen Hand Geld hält.

Dicke, schwere Geldbeutel: In vielen Kneipen und Restaurants ist der Bargeldlos-Trend auf dem Vormarsch, dann braucht man die Portmonnaies nicht mehr.

Warum manche Wirte dennoch nur Cash bevorzugen und was das für das Trinkgeld heißt.

Rund ein Jahr haben sie die Vor- und Nachteile abgewägt, bevor sie sich entschlossen haben: Ab dem 1. Februar gilt in der Rosebud Bar im Zülpicher Viertel und im Bistro Jung & Alt in Klettenberg eine neue Zahlungsweise, die Betreiber Alexander Schleeweiß und Philipp Hainke schaffen die Bargeldzahlung ab. Dann können Gäste ihre Rechnung nur noch mit EC-, Kreditkarte oder mit dem Smartphone begleichen.

„Es zahlen ohnehin nur noch etwa 10 Prozent bei uns bar, eher die Älteren als die Jüngeren. Wir merken einfach, dass das Bargeld Kosten verursacht, die wir einsparen können“, sagt Schleeweiß. Damit folgen die Gastronomen dem Bargeldlos-Trend in der Gastronomie. Schleeweiß und Hainke etwa haben sich ein Beispiel an den Heilandt-Cafés und Frohnatur-Lokalen genommen, die Schleeweiß als „Vorreiter“ in der Sache bezeichnet. Offizielle Zahlen für Köln gibt es nicht.

„Unser Personal muss abends eine Stunde lang abrechnen, wir dann am nächsten Morgen wieder. Wenn wir das Kleingeld wechseln in der Bank, fallen jedes Mal darauf Gebühren an.“ Der ausschlaggebende Punkt sei jedoch die Buchhaltung. „Wir sparen einen vierstelligen Betrag im Jahr, weil der Buchhalter nicht alle Kassenberichte nachprüfen muss.“ Zudem wickle man Geschäfte immer häufiger mit der E-Rechnung ab, auch wenn sie nicht Pflicht ist. „Das Finanzamt wird immer elektronischer in den nächsten Jahren, und wir arbeiten ohnehin im Büro komplett digital, das bargeldlose Zahlen war der letzte Schritt.“

Der Inhaber des Bistros Jung & Alt Alexander Schleeweiß.

Gastronom Alexander Schleeweiß vom Bistro Jung & Alt

Kein Bargeld mehr in der Gastro: Rege Diskussion unter Wirten

Martin Schlüter von der IG Gastro hingegen kann sich nicht vorstellen, in seiner Kneipe Reissdorf am Hahnentor die Annahme von Scheinen und Münzen zu verweigern, wenngleich auch er die Verschiebung zum digitalen Zahlen feststellt. „Als ich den Laden vor sechs Jahren übernommen habe, haben noch ungefähr 60 bis 70 Prozent bar gezahlt, der Rest mit Karte, jetzt zahlen noch etwa 30 Prozent bar“, so Schlüter.

Während und kurz nach der Pandemie seien Hygiene und Ansteckungsgefahr große Themen gewesen, das habe dem Cashless-Trend Aufwind gegeben. „Gäste, die unter 40 sind und bar bezahlen, sind mittlerweile Exoten. In der Ü-60-Generation gibt es einige, denen das Bargeld aber noch heilig ist“, weiß Schlüter vom eigenen Kundenstamm.

Innerhalb der IG Gastro werde die Debatte rege geführt: Viele Gastronomen überlegen laut Schlüter, den Schritt zum Bargeldlosen ebenfalls zu gehen. „Ein Grund ist auch, dass Mitarbeiter dann nicht einfach in die Kasse greifen können.“ In Deutschland halte man aber noch am Cash fest – auf einer Städtetour nach London habe er neulich hingegen tagelang „keinen Cent bar bezahlt“.

Gastronom Nicolas Gottschalk, Teilhaber des Amabile am Rathenauplatz, ist seit Jahren Verfechter der reinen EC- bzw. digitalen Zahlungsweise. Zunächst setzte er das in der ehemaligen Kneipe Brüsseler, die mittlerweile Rosa heißt, um. Als er dort 2022 das Bargeld verbannte, habe es reichlich Beschwerden gegeben, erinnert er sich.

Nicolas Gottschalk betreibt auch die Agrippina Studios im Belgischen Viertel

Nicolas Gottschalk betreibt auch die Agrippina Studios im Belgischen Viertel, wo bei Veranstaltungen nur digital gezahlt werden kann.

„Vielen Leuten war das überhaupt nicht recht, vereinzelt sind Gäste gegenüber dem Personal sogar wütend geworden. Manche Gäste fühlen sich kontrolliert. Wenn man gleichzeitig soziale Medien wie Facebook oder Instagram nutzt, womöglich sogar eine Alexa von Amazon zuhause hat, fehlt mir dafür das Verständnis“, sagt Gottschalk. „Es ist transparenter für alle Parteien und das Team bekommt mehr Trinkgeld“, sagt der Gastronom. Und das entgegen einer verbreiteten Annahme, dass die Leute mit Bargeld spendabler seien.

Trinkgeld in der Gastro: Großzügiger bei Kartenzahlung?

„Man kann die Kartenterminals individuell einstellen. Die Gäste können wählen zwischen ‚kein Trinkgeld‘, einem absoluten Betrag wie einem Euro oder ‚10 Prozent‘ zum Beispiel. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Leute großzügiger reagieren.“ Auch dem Vorurteil, dass weniger Trinkgeld beim Personal lande, widerspricht Gottschalk. „In der Kasse wurde das Trinkgeld getrennt aufgeführt, gesammelt, an die Mitarbeiter verteilt und überwiesen. Die Küche erhielt eine Beteiligung.“ Einen Schub erlebte das kontaktlose Bezahlen in seiner Wahrnehmung, als die Sparkasse im Jahr 2021 Apple-Pay ermöglichte.

Doch weithin verbreitet ist noch immer das Gegenteil. In Imbissen, Cafés und Restaurants heißt es nicht selten: keine Kartenzahlung möglich. In einem kleinen Café in der Südstadt mit einer Handvoll Tischen sagt die Kellnerin, dass die Transaktionsgebühren bei jeder Zahlung mit der EC- oder Kreditkarte ins Gewicht fielen. Je nach Kartentyp schwankt das zwischen 0,25 Prozent und 1,19 Prozent des Umsatzes. Eine Wirtin aus Ehrenfeld, die namentlich nicht genannt werden will, ist sich bewusst, dass ihrer Kneipe auch Kunden verloren gehen, weil sie nur Barzahlung anbietet. Auch stoße das bisweilen auf Widerstand.

Doch für sie ist die Umstellung auf Kartenzahlung umständlich. „Ich bin das schonmal angegangen, aber dann fehlte noch dieses und jenes und dann blieb es liegen“, so die Mittfünfzigerin. Manchmal bekomme sie zu hören, dass sie dann wohl betrüge. „Das ist eine bodenlose Unterstellung. Wir betrügen nicht. Jeder bekommt eine Rechnung.“ Für sie sei Bargeld unkomplizierter. Geld zählen, zur Bank bringen, für die sie ohnehin Gebühren bezahlt: alles in Eigenregie und eins zu eins nachvollziehbar.

Martin Schlüter, Wirt des Reissdorf am Hahnentor

Martin Schlüter von der IG Gastro ist Wirt des Reissdorf am Hahnentor: Hier spielt Bargeld noch eine wichtige Rolle, vor allem bei Ü-60-Gästen.

Dehoga: Bezahlen in bar bedeutet nicht betrügen, Kritik an Generalverdacht

Auch Mischformen gibt es: Manch ein Gastronom umgeht die Gebühren bei Kleinstbeträgen so, indem er die Bankkarte erst ab einem bestimmten Betrag, zum Beispiel 10 Euro, zulässt. Das ist erlaubt: Denn ein Recht auf Kartenzahlung gibt es nicht. Ein Recht auf Barzahlung hingegen schon – die Gastronomen dürfen Bargeld jedoch ablehnen, wenn sie ausreichend und für die Gäste klar ersichtlich darüber informieren, zum Beispiel mit Schildern.

Der deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) spricht sich für keine bestimmte Zahlweise aus. „Das ist eine unternehmerische Entscheidung, wie und ob man das macht. Da mischen wir uns nicht ein“, sagt Mathias Johnen von der Geschäftsstelle Köln. Entschieden wehrt er sich gegen die Annahme, wer auf reine Bargeldzahlung bestehe, wirtschafte an der Steuer vorbei. „Wir haben immer etwas dagegen, wenn man eine gesamte Branche und Branchenteile in Verruf nimmt, und kriminelle Energie unterstellt. Es stimmt nicht, dass bei bargeldlosem Zahlverkehr kein Schmu betrieben werden kann.“

Auch von der Pressestelle der Oberfinanzdirektion NRW heißt es: „Allein der Umstand, dass ein Betrieb Barzahlung verlangt, führt nicht automatisch dazu, dass man von einer Steuerhinterziehung in solchen Fällen ausgehen muss.“