Das Joseph-DuMont-Berufskolleg überzeugt mit Einzelcoaching, alternativen Lernformen und einem neuen Fach. Unter den Top-20-Nominierten ist es das einzige Berufskolleg.
„Weg vom an Defiziten orientierten Blick“Kölner Berufskolleg für den Deutschen Schulpreis nominiert
Wenn man das Joseph-DuMont-Berufskolleg betritt, fällt der erste Blick auf Artikel 1 des Grundgesetzes. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht in großen silbernen Lettern unübersehbar an der Wand der Eingangshalle der Schule in Bilderstöckchen. „In dem Satz steckt alles drin, wofür wir stehen“, sagt Schulleiter Michael Piek. Eine Schulordnung gibt es hier nicht. Dieser Satz ist die Schulordnung. „Ihr seid unsere Zukunft. Ihr habt Verantwortung für die Demokratie – das wollen wir unseren Schülerinnen und Schülern mitgeben.“
Nicht nur deshalb ist das Kölner Berufskolleg, das jedes Jahr 700 bis 800 junge Menschen zu einem Abschluss führt, eine Besonderheit: Die Schule ist nominiert für den Deutschen Schulpreis 2024. Unter den Top-20-Schulen aus ganz Deutschland, die die Jury des Schulpreises nominiert hat, ist die Kölner Schule das einzige Berufskolleg. Und dies passenderweise genau in dem Jahr, da die nordrhein-westfälischen Berufskollegs als Schulform ihren 25. Geburtstag feiern.
Berufskollegs sind in Köln neben den Grundschulen die größte Schulform
Oft werden Berufskollegs in der öffentlichen Wahrnehmung stiefmütterlich behandelt. „Wir haben keine Lobby, obwohl wir neben den Grundschulen die größte Schulform in Köln sind“, resümiert Piek. Viele kennen die Schulform schlicht nicht und wissen nicht, wie viele verschiedene Bildungswege und Abschlüsse unter dem Dach der allein in Köln 17 Berufskollegs möglich sind: Von der dualen Berufsausbildung bis zu schulischen Vollzeitgängen wie Fachabitur bis hin zum Abitur am beruflichen Gymnasium. Um diese Vielfalt der Möglichkeiten transparent zu machen, kommt Schulleiter Piek die Schulpreis-Nominierung gerade recht.
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Das, was die Jury überzeugt hat, ist die Art, wie sie am Joseph-DuMont-Berufskolleg versuchen, Bildung neu zu denken. „Welche Kompetenzen und Werte sind wichtig für ein gelingendes Leben?“, steht quasi als Leitfrage über allem. Dafür steht zum Beispiel das Coaching-Konzept der Schule: Jeder Schülerin und jeder Schüler der Schule kann sich in persönlichen Gesprächen über die gesamte Schulzeit freiwillig einzeln coachen lassen. „Und weil das richtig super ist und einem hilft, machen das auch fast alle“, sagt Kerem, der sich hier als Schüler wohl fühlt.
Möglich wird das durch Doppelbesetzungen im Unterricht. Ein Lehrer unterrichtet, der andere führt im Nachbarraum Einzelgespräche. Dabei geht es etwa darum, wie man lernt, sich selbst zu organisieren, wie man herausfindet, wo der eigene Weg hin geht, aber durchaus auch um persönliche Probleme, die dem Lernen im Weg stehen. „Das Konzept ist aufwändig, aber es lohnt sich“, so Piek. Nicht nur für die mentale Gesundheit der Schülerschaft. Auch der Lernerfolge spreche für sich.
Zumal hier am Berufskolleg viele ankommen, die aus ihrer bisherigen Schullaufbahn eher das Gefühl mitgenommen haben, was sie alles nicht können. „Wir gehen hier bewusst weg vom an Defiziten orientierten Blick.“ Wer hier lernt, soll erst mal Selbstbewusstsein aufbauen und entdecken, was er kann.
Dazu trägt eine weitere wichtige Säule des Schulkonzepts bei: das eigenverantwortliche und selbst organisierte Lernen, bei dem die Lehrkräfte als Lernbegleiter fungieren. Orientierung geben dabei digitale Tools, anhand derer die Schülerinnen und Schüler die individuellen Lernziele definieren und kontinuierlich überprüfen. „Ich strukturiere mir meine Lernpläne selber und bekomme trotzdem ganz viel Feedback“, fasst Schülerin Nesrine zusammen.
Dabei setzt die Schule viel auf Kollaboration: Die Schüler erklären sich den Stoff gegenseitig. Durch den methodengeleiteten Austausch und kooperative Lernformen lernen sie voneinander.
Auch das Kollegium funktioniert so: Man arbeitet in Teams, hospitiert sich gegenseitig, tauscht Materialien aus. Lehrkräfte lernen voneinander in Mikrofortbildungen, die sie sich gegenseitig geben. „Eine Kultur des Teilens“ nennt der Schulleiter das. Zum selbstbestimmten Lernen gehört auch, dass es keinen Schulgong gibt, weil die Schulstunden quasi flexible Längen haben. Wer gerade im Flow ist und etwas fertigstellen will, kann das tun, auch wenn schon der nächste Kollege vor der Klasse steht.
Schüler geben den Lehrkräften Feedback zu ihrem Unterricht
Auch Feedback ist wichtig: Die Schule evaluiert sich und ihren Unterricht jährlich und setzt sich immer neue konkrete Ziele. Nachhaltige Schulentwicklung nennt Piek das. Dazu geben auch die Schülerinnen und Schüler ihren Lehrkräften in anonymisierter Form über Feedback-Bogen Rückmeldung über ihren Unterricht. Auch Schulleiter Piek holt sich regelmäßig persönlich Feedback aus der Schülerschaft.
Außerdem gibt es am DuMont-Berufskolleg als Besonderheit das Fach Interkulturelle Kompetenz. Gerade in einer multikulturellen Gesellschaft sei diese zunehmend wichtig. Besonders für Schülerinnen und Schüler, die keinen Migrationshintergrund haben, sei dieses Fach besonders wichtig, betont Schulleiter Piek. Es gehe darum, auch die Perspektive des jeweils anderen und so etwas wie Empathie zu schulen. Neben interkultureller Kompetenz und Medienkompetenz liegt der dritte Schwerpunkt hier auf mentaler und körperlicher Gesundheit: Nicht nur Ernährungskunde sondern gesunde Lernbedingungen wie die bewegte Pause mit Koordinations- und Bewegungsspielen gehören dazu, um gute Lernbedingungen zu schaffen.
In dieser Woche besucht die Jury des Deutschen Schulpreises für zwei Tage die Schule, um sich auch vor Ort von der Qualität des Kölner Berufskollegs zu überzeugen. Im Anschluss an die Schulbesuche aller 20 Schulen werden dann die 15 Schulen nominiert, die an dem Finale am 2. Oktober in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz teilnehmen dürfen. Erst dort wird das Geheimnis gelüftet, wer den gegehrten Preis am Ende erhält.