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Raumnot und SchimmelBerufskollegs haben keine Lobby – dabei sind sie entscheidend für den Standort Köln

Lesezeit 5 Minuten
Berufskolleg Ehrenfeld

Das Berufskolleg Ehrenfeld braucht dringend mehr Räume.

Fachkräftemangel – etwa in den Kölner Kitas – wäre eigentlich vermeidbar, wenn die Berufskollegs mehr ausbilden könnten.

Wenn Johannes Segerath mal wieder vom Fachkräftemangel in den Kölner Kitas liest, dann steigt sein Blutdruck. Der Oberstudiendirektor ist Leiter des Berufskollegs Ehrenfeld. Überall herrscht Betreuungsnotstand. Die Stadt geht davon aus, dass bis 2025 bis zu 1400 Erzieherinnen und Erzieher in den Kölner Kitas fehlen. Schon jetzt sind 200 Fachkräftestellen unbesetzt.

Viele Kitas können nicht mehr die vertraglich vereinbarte Betreuung leisten, immer mehr Eltern müssen ihre Arbeitszeit reduzieren. Die Lage könnte in Köln eine andere sein, das will Segerath mal festgestellt wissen. Sie ist wie sie ist, „weil die berufliche Bildung in dieser Stadt seit 20 Jahren vergessen wird“. Obwohl doch in Zeiten von Fachkräftemangel die Schulform Berufskolleg so wichtig sei für den Wirtschaftsstandort Köln.

Pläne für mehr Schulplätze verliefen im Sand

Am Beispiel seiner Schule verdeutlicht er, zu welchen Problemen die Vernachlässigung geführt hat: Seit elf Jahren ist Segerath Schulleiter im BK Ehrenfeld, wo – neben anderen Berufen wie Koch und Fleischer – die Erzieherinnen und Erzieher für alle städtischen Kölner Kitas in einem staatlichen Vollzeitbildungsgang ausgebildet werden.

Seit fast genauso vielen Jahren liegt ihm das Jugendamt in den Ohren, er soll mehr ausbilden, um dem Erziehermangel zu begegnen. Ebenso lange kämpft der Schulleiter darum, genau das auch tun zu können – weil es schlicht nicht ausreichend Schulplätze gab und das Gebäude aus allen Nähten platzt. In den Jahren 2017 bis 2020 standen die Bewerber um einen Schulplatz in der Erzieherausbildung bei ihm Schlange. Über 100 Bewerbern musste er jedes Jahr absagen, weil er zu wenig Schulplätze hatte. Immer wieder habe es in den Jahren Baupläne gegeben oder Pläne, Gebäude in der Nähe anzumieten. Daraus geworden ist nie etwas. Durch die Verzögerungen wurde ein riesiger Personalmangel erzeugt.

Bei uns an den Berufskollegs gibt es keinen Elternprotest vor dem Rathaus. Wir haben keine Lobby
Tim Strater, Schulleiter Berufskolleg Porz

Dabei ist das Problem längst nicht auf das BK Ehrenfeld beschränkt: Im Berufskolleg Ulrepforte sind die Werkstätten so heruntergekommen, dass sie nicht mehr nutzbar sind. Die Tischlerausbildung wurden inzwischen ausgelagert. Das Joseph-DuMont-Berufskolleg in Bilderstöckchen ist Dauerbaustelle. Im Berufskolleg Porz kämpfen Lehrer und Schüler mit desolaten Zuständen wie verschimmelten Räumen und nicht funktionierender Heizung. Seit Jahren sitzen sie dort in Teilen des Gebäudes im Winter in Jacken. Schon 2015 gab es einen Ratsbeschluss für einen Neubau mit Umzug auf den Campus Deutz. Hunderte Stunden habe sein Kollegium investiert in die damalige Planung des Gebäudes, erzählt Schulleiter Tim Strater. Geworden sei draus dann nichts. Die Pläne verliefen im Sand, da der Gebäudewirtschaft wohl die Kapazitäten fehlten.

Schulleiter Johannes Segerath

Johannes Segerath, Schulleiter des Berufskollegs Ehrenfeld, will bessere Bedingungen für die berufliche Bildung.

„Das Kollegium war und ist einfach nur noch frustriert. Bei uns an den Berufskollegs gibt es keinen Elternprotest vor dem Rathaus, wir haben keine Lobby“, fasst Strater die Lage zusammen. Dabei werden in seiner Schule für technische Berufe unter anderem die Anlagenmechaniker für Sanitär-Heizung- und Klimatechnik ausgebildet, ohne die die Energiewende in Köln nicht Fahrt aufnehmen wird.

Die stiefmütterliche Behandlung spiegelt sich auch im Schulentwicklungsplan wider: In dem 220 Seiten starken Dokument nehmen die 17 Berufskollegs – nach den Grundschulen die Schulform mit den meisten Schülerinnen und Schülern – neun Seiten ein. Der Schulplatzmangel an Gesamtschulen, Gymnasien und Grundschulen ist so im Fokus, dass für anderes die Kapazität fehlt, so hat es den Anschein.

Weil in Porz inzwischen eine wachsende Zahl von Räumen wegen Schimmel nicht mehr genutzt werden kann, hat die Stadt eine Übergangslösung in die Wege geleitet: Der Modulbau, der für das Montessori-Gymnasium gedacht war und dort doch nicht benötigt wird, wird jetzt in Deutz aufgebaut, um die Raumnot in Porz abzumildern. Der Schule wird nun für die kommenden Jahre die Aufteilung auf zwei räumlich nicht gerade benachbarte Standorte abverlangt.

Berufskolleg Porz

Im Berufskolleg Porz schimmeln die Räume.

Auch wird gerade ein neuer Anlauf genommen, für die beiden Berufskollegs Alternativen zu finden. Für das BK Ehrenfeld sucht die Stadt einen Investor, der das Grundstück gleich mitbringt und die Schule darauf baut. Ende 2027 soll diese eigentlich fertig sein. Ein Zeitplan, der nur realisierbar wäre, wenn quasi übermorgen die Verträge unterzeichnet würden. Für Porz soll jetzt ebenfalls einen Investor mit Grundstück gefunden werden. Zielpunkt ist, dass das Schulgebäude bis 2031 in Betrieb genommen werden kann. Aber das glaubt man in Porz wohl erst, wenn man etwas sieht.

Schüler weichen nach Hennef und Bergisch Gladbach aus

Inzwischen habe die Kommunikation mit dem Amt für Schulentwicklung deutlich verbessert, lobt Segerath. Weil wohl inzwischen alle verstanden haben, was da für Köln auf dem Spiel steht. Aber die Prozesse seien zu langsam und hielten mit der Dynamik der wirtschaftlichen Erfordernisse nicht mit. Es gibt nämlich die freie Wahl des Berufskollegs. Und die Konkurrenz schläft nicht: In Hennef gibt es ein neues Berufskolleg, das voriges Jahr den NRW-Schulbaupreis gewonnen hat. „Die Fleischer, die sonst zu uns kommen, können jetzt nach Hennef gehen. Sie suchen sich dort einen Ausbildungsbetrieb und freuen sich über günstige Mieten.“ Auch Bergisch Gladbach und der Rhein-Sieg-Kreis hätten längst in top ausgestattete Berufskollegs investiert. „Dann gehen junge Leute dorthin für ihre duale Ausbildung. Sie suchen sich eine Solarfirma in den Rhein-Sieg-Kreis und bleiben dann da.“

Auch beim Anwerben von Erzieherinnen seien Städte wie Düsseldorf viel umtriebiger – böten attraktivere Bedingungen. Für das kommende Schuljahr hat das Berufskolleg Ehrenfeld das Lehrerzimmer geräumt, um eine weitere Ausbildungsklasse für Erzieherinnen und Erzieher unterzubringen. Nur: Die ist bislang noch nicht voll. „Weil wir das Berufsbild nach und nach kaputt gemacht haben.“