CBE-Betreiber über Kölner Clubszene„Existenzen lösen sich schon auf“
- Der Club Bahnhof Ehrenfeld versteht sich als Spielstätte „urbaner Subkulturen“. Wenn nicht gerade Corona ist, finden hier Partys, Konzerte, Poetry Slam oder Sommer- und Plattenflohmärkten statt.
- 2010 eröffnete Mankel Brinkmann mit seinen Partnern Gabriel Riquelme und Ricardo Costa das CBE in der Bartholomäus-Schink-Straße.
- Elf Monate Stillstand: Wie steht es um den Club? Wie sehen die Pläne der Betreiber aus?
- Ein Artikel aus unserem Archiv.
Köln – Seit März ist Ihr Club geschlossen. Niemand weiß gerade, wann es mit Veranstaltungen und dem Nachtleben weitergeht. Planen Sie da überhaupt in die Zukunft?
Riquelme: Kürzlich wurde die Kulturmilliarde des Bundes ausgeschüttet, das hat total gut funktioniert. Die Betriebe sollen sich wieder dazu bringen, unter Pandemie-Gesichtspunkten spielfähig zu sein. Damit sind wir gerade beschäftigt. Zum Beispiel haben wir neue Luftreiniger besorgt und unsere Toilettenanlage erneuert, um Hygienevorgaben besser umsetzen zu können. Das ist eine gute Sache.
Brinkmann: Gerade ist immer noch Krisenmanagement angesagt. Wir arbeiten aber nicht in Vollzeit, weil wir zum Teil auch Familien haben, Kinder, die betreut werden müssen. Darüber hinaus engagieren wir uns auch in den Verbänden Klubkomm und Livekomm.
Von welchen staatlichen Notfallhilfen profitieren Sie? Bringen die Töpfe Sie gut durch die Krise?
Brinkmann: Wenn man am Ende des Jahres ein Fazit ziehen soll, dann muss man für die Konzert-Spielstätten sagen, dass es ein versöhnliches ist. Die Politik hat uns in unserer Not schnell gesehen, die Stadt Köln hat auf Betreiben der Klubkomm sehr schnell reagiert: Da gab es insgesamt zwei Töpfe, vom Land NRW zum Ende des Jahres auch nochmal einen. Dann die klassischen Wirtschaftshilfen von Bund und Land, die November- sowie Dezemberhilfe, die noch kommen. Darüber, dass sie noch nicht da sind, beschweren wir uns nicht. Es ist gut, dass wir wissen, dass sie kommt. Damit kann man schon anders planen. Wichtig ist, dass die Politik jetzt am Ball bleibt. Wenn man die Infrastruktur retten will für diese Stadt, dann müssen sie das auch bis zum Ende durchziehen.
Wenn Sie für dieses Jahr eine Stimmungskurve zeichnen müssten. Wie ist die für Sie verlaufen?
Riquelme: Am Anfang war es ein Havarie-Modus, da mussten wir erst begreifen, uns einen Überblick verschaffen. Wir haben ja auch unternehmerische Verantwortung für unsere Mitarbeiter. Das war eine Riesenaufgabe.
Im Sommer konnten Sie immerhin Ihren Biergarten bespielen. War das ein Aufatmen?
Riquelme: Teils, teils. Es war gut, dass wir wieder ein operatives Geschäft hatten, wir konnten Präsenz zeigen, teilweise Mitarbeiter zurückholen. Aber das war sehr marginal.
Brinkmann: Die schlimmste Phase war, als uns klar wurde, dass es keine Krise ist, die zwei Wochen dauern würde, sondern Monate. Ein sehr trauriger Tag war, als wir beschlossen haben, den Laden freiwillig zu schließen, noch bevor die städtische Anordnung kam. Insgesamt haben wir uns aber mental gut durch die Krise gesteuert. Wir haben uns viele Sorgen gemacht, auch um unsere Mitarbeiter. Die sind alle in Kurzarbeit. Wir hatten aber auch viele Werkstudenten, die mit Herz an unserem Club gehangen haben. Bis heute hat die Politik da keine gute Lösung. Überhaupt gibt es ein paar blinde Flecken. Wir sind abhängig von den Solo-Selbstständigen – den Künstlern, den Veranstaltungstechnikern. Unsere Netzwerke sind über Jahre entstanden. Diese Existenzen sind nicht nur bedroht, sondern lösen sich auch schon auf. Da bekomme ich ein ungutes Gefühl im Bauch.
Silvester steht vor der Tür, letztes Jahr haben Sie hier eine große Sause gefeiert. Denke Sie an solchen Feiertagen wehmütig an den gleichen Tag vom Vorjahr?
Brinkmann: Für uns sind diese Leuchtturmtermine nicht so wichtig. In der Krise hält man eher mal inne und fragt sich, was mache ich eigentlich heute, habe ich diesen Job ausgewählt, um mich nur mit Förderanträgen zu beschäftigen? Da war so viel Negatives, das kann einen echt auch runterziehen. Aber es ist auch etwas Tolles entstanden: Es gab sehr viel Solidarität, gerade auch unter den Clubbetreibern und Veranstaltern. Das feuert mich persönlich immer wieder neu an, den Kopf nicht in den Sand zu stecken.
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In Ehrenfeld, wo das Nachtleben normalerweise pulsiert, ist es besonders still seit März. Ist es um die Vielfalt der Kreativräume hier schon geschehen – Stichwort Gentrifizierung – oder haben Sie noch Hoffnung?
Brinkmann: Der Umgang mit Kreativräumen ist in der Tat ein Problem. Nicht nur in dieser Stadt, sondern bundesweit. Über Ehrenfeld mache ich mir im Moment nicht so viele Sorgen wie in der Vergangenheit. Wir etwa haben einen langfristig laufenden Mietvertrag. Auf der anderen Seite wurde das Thema von der Politik erkannt. Da sind wir wieder bei den Chancen von Corona. Die Pandemie hat die Politik dazu gebracht, schneller zu formulieren, dass Clubs Kulturgüter sind. Wer A sagt, muss auch B sagen, und diese Kultur muss auch geschützt werden. Das ist eine der wesentlichen Aufgaben für uns als Clubbetreiber, die Politiker dazu zu bringen, alles dafür zu tun, dass diese Stadt auch attraktiv für junge Menschen und kulturinteressiertes Publikum bleibt. Ich bin da vorsichtig optimistisch, dass die Politik das auch so sieht.
Das ändert nichts daran, dass vieles bereits weggerafft wurde. Ist es nicht schon zu spät?
Riquelme: Es gibt noch ein paar Flächen, auch in angrenzenden Gebieten, wenn auch nicht mehr viele. Wir haben in Ehrenfeld einen politischen Wechsel, eine grünere Präsenz, was für die Perspektiven nicht gerade schlecht ist. Da muss man in die Diskussion gehen. Wir als Kulturschaffende sind in der Krise näher zusammengerückt und können unsere Position nun auch viel besser artikulieren.
Brinkmann: Es ist nie zu spät, um zu reagieren. Letzten Sommer haben wir ja gesehen, dass es mit dem Schrotty ganz tolle Veranstalter gibt, die in einer Krise mutig sind und so ein Risiko auf sich nehmen und dann dauert es doch so lange, bis Genehmigungen erteilt werden. Wir müssen uns ganz schnell darüber unterhalten, dass Kultur auch in einem zu erwartenden Pandemie-Sommer wieder möglich sein muss. Da gibt es ein Bedürfnis nach Flächen und da muss die Stadt jetzt einfach reagieren. Wir brauchen beschleunigte Genehmigungsverfahren. Der Schrotty ist bereit für die ganze Szene. Das Schöne an dieser Stadt ist, dass es viele kreative Menschen gibt, die bereits Pläne in der Schublade haben. Das haben wir letztes Jahr im Jugendpark gesehen, wo es wahnsinnig gute Konzerte gab.
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Der Club Bahnhof Ehrenfeld ist dieses Jahr zehn Jahre alt geworden. Was sind Ihre Highlights?
Riquelme: Schwierig zu sagen. Jüngstes Beispiel: Wir wurden letztes Wochenende an einer Kampagne vom Land NRW beteiligt, die sich an Jugendliche richtet. Ein virtuelles Lockdown-Festival „Beat The Virus“, hochkarätig besetzt, zum Beispiel mit Rapper Luciano. Das bekräftigt mich darin, dass wir als Kulturschaffende einen gesellschaftlichen Beitrag leisten können.
Brinkmann: Es gab sehr viele Konzerte, bei denen ich sehr emotionalisiert war, zum Beispiel bei Trettmann. Eine Veranstaltung, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist „Radio Sabor“, die Latin Party macht die Seele des CBE aus. Wir schaffen Bühnen für Musik, die nicht unbedingt im Mainstream ist, die aber nach und nach womöglich da ankommt. Da kommen Leute aus aller Herren Länder zusammen. Das vermisse ich gerade wahnsinnig.