Kölner Chefarzt Manfred LützDarf man psychisch Kranke zwangsbehandeln?
- Der Kölner Chefarzt und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
- So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus. Aber der Psychiater gibt in seinen Büchern auch bewegende Einblicke in die Welt von Süchtigen, Depressiven und Schizophrenen.
- In seiner KStA-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jede Woche auf eine von Lesern gestellte (Sinn-)Frage.
- In Folge 2 beschäftigt er sich mit einer ganz besonders heiklen Thematik.
Köln – Es gibt das sogenannte Recht auf Krankheit. Aber ist es nicht unterlassene Hilfe und sogar gefährlich, psychisch Kranken nicht zu helfen, die eine Behandlung ablehnen, weil sie sich nicht krank fühlen? Einige von ihnen begehen im Wahn schließlich schlimme Taten, bringen sich oder andere Menschen vielleicht sogar um. Auch der EX-DSDS-Kandidat Daniel Küblböck, der seit einer Reise auf einem Aida-Kreuzfahrtschiff im September 2018 als verschollen gilt, soll nach Angaben seines Vaters schwer psychisch krank gewesen sein.
Vor kurzem publizierte Klaus Gauger ein höchst lesenswertes Buch mit dem Titel „Meine Schizophrenie“, in dem er der deutschen Rechtsordnung vorwirft, man habe ihm seine psychische Gesundheit vorenthalten, weil man ihn nicht zwangsbehandelt habe. Der Autor argumentiert, dass er jahrelang mit Wahnideen und zum Teil schrecklichen Ängsten durch die Welt gereist sei und dadurch sein Leben verpasst habe, obwohl er bei richtiger Behandlung von all diesen Ideen hätte abgebracht werden können.
Allerdings war er damals nicht krankheitseinsichtig. Spannend beschreibt er, wie er schließlich durch die USA irrte und in seinem wirren Kopf bis nach Japan kam. Am Ende wurde er in Spanien zwangsbehandelt und seitdem ist er – unter Medikation – weitgehend gesund. Klaus Gauger hält die Formulierung „Recht auf Krankheit“ für zynisch. Man überlasse kranke Menschen sich selber, obwohl man ihnen helfen könnte.
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In Deutschland kann man Menschen vor allem dann gegen ihren Willen psychiatrisch behandeln, wenn sie gegenwärtig selbst- oder fremdgefährdend sind. „Verrücktsein“ allein reicht nicht für eine Zwangsbehandlung. Und das ist grundsätzlich auch gut so. Ich kannte einen Psychiater, der aus dem kommunistischen Rumänien nach Deutschland gekommen war und der immer betonte, eine freiheitliche Gesellschaft zeichne sich dadurch aus, dass sie ihre „Verrückten“ frei herumlaufen lasse. Der Grundsatz, nur Menschen zu behandeln, die um Hilfe bitten, ist wichtig in einer freiheitlichen Rechtsordnung, und die weitaus meisten Behandlungen in den Psychiatrien Deutschlands geschehen auf freiwilliger Grundlage.
Aber auch die weitaus meisten zwangsbehandelten Patienten bedanken sich im Nachhinein, dass man ihnen geholfen hat. Dagegen gibt es aber Betroffene, die für sich das „Recht auf Krankheit“ reklamieren und das öffentlichkeitswirksam artikulieren, was ebenfalls in Ordnung ist. Dennoch sollte man überlegen, ob man Menschen, die erstmals an einer Psychose erkranken, nicht wenigstens einmal eine wirksame Behandlung zugutekommen lassen sollte, die die Chance bieten würde, die Psychose zu heilen.
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Denn Psychopharmaka, richtig eingesetzt, sind Heilmittel. Weil der Öffentlichkeit das nicht klar ist und vor allem die Obergerichte inzwischen viel weniger Ahnung von moderner Psychiatrie haben als noch vor 50 Jahren, werden einer wirksamen Behandlung von schwer psychisch Kranken immer mehr Hindernisse in den Weg gelegt. So können psychisch Kranke nun zwar in die Psychiatrie zwangseingewiesen werden, für eine Zwangsbehandlung aber bedarf es einer eigenen richterlichen Entscheidung, die auch verweigert werden könnte. Dann aber würden die Psychiatrien Deutschlands wieder zu Gefängnissen für „Irre“, vor denen man die Gesellschaft schützen will, denen man aber Hilfe verweigert.