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Impfarzt Jürgen Zastrow über Omikron„Köln kommt deutlich besser durch die Krise“

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Jürgen Zastrow sieht Köln in der Corona-Herbstwelle.

  1. Nicht viel läuft derzeit rund im Kölner Gesundheitsamt. Infizierte werden oft spät informiert, die Kommunikation ist teilweise missverständlich.
  2. Ist das verzeihbar? Ja, sagt Jürgen Zastrow, Chef der Kölner Kassenärzte. Was die städtischen Institutionen leisten, hält er für beachtlich.
  3. Ein Gespräch über das Scheitern einer Gesellschaft an der Pandemie – und über die Hoffnungsschimmer.

Herr Zastrow, was ist jetzt wichtig, damit Köln gut durch die Omikron-Welle kommt?

Wesentlich ist, dass weniger Menschen krank werden und sterben, indem wir alle unsere Verantwortung für das Ganze wahrnehmen und uns gegenseitig unterstützen. Es ist eigentlich ganz einfach. Wesentlich für den einzelnen ist der Schutz vor der Infektion und der Schutz vor einem schweren Verlauf. Vor der Infektion schützt die Vermeidung von Gruppenbildung, das Einhalten der Hygieneregeln und Separierung von potentiellen Virusträgern. Vor einem schweren Verlauf schützt die Impfung.

Woran scheitern wir denn aktuell?

An uralten Problemen. Weil uns dieses Virus als Gruppe angreift, sind wir gezwungen, gemeinsam Lösungen zu finden. Ein starker gesellschaftlicher Trend stellt aber die Autonomie des Individuums über die Interessen der Gruppe. Beispiele hierfür finden sich in der höchst unterschiedlichen Reaktion auf Impfangebote: zunächst ignorierten Impfdrängler die epidemiologisch gebotene Priorisierung, jetzt ignorieren Impfverweigerer die ebenfalls epidemiologische gebotene Immunisierung der gesamten Bevölkerung als Voraussetzung zur Bewältigung der Pandemie. Mit Blick auf Köln gilt aber: Hier sind bislang erheblich weniger Menschen an Infektionen gestorben, weil mehr geimpft wurde wie in anderen Regionen unseres Landes.

Worauf führen Sie das zurück?

Neben der hohen Impfbereitschaft vor allem auf die Leistungen des Kölner Gesundheitsamtes im Zusammenarbeit mit den anderen städtischen Einrichtungen, insbesondere der Feuerwehr und den Gesundheitsberufen in Klinik und Praxis. Auch wenn Kontaktverfolgung und Kommunikation natürlich manchmal schwierig sind, kommen wir in Köln deutlich besser durch die Krise als andere Regionen. Hierauf können wir stolz sein und den Verantwortlichen ist hierfür zu danken, insbesondere auch dem Gesundheitsamt und seinem Leiter, Johannes Nießen, und den dort tätigen Menschen.

Sie sprechen es an: Die Zustände waren zuletzt einigermaßen chaotisch.

Das ist nicht falsch. Viele Menschen sind ängstlich, weil sie eine Infektion befürchten – und fragen nach. Da die großen Punkte meist richtig und sinnvoll geregelt sind, gehen viele kritische Fragesteller bei der Suche nach Fehlern der handelnden Institutionen und Personen immer weiter in Details und ins Ungeklärte. So ist es natürlich einfach, bei unterschiedlich beurteilten Zusammenhängen verschiedene sich widersprechende Meinungen zusammenzutragen und dies dann zu problematisieren.

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Die Bedeutung vieler Aufreger schrumpft also bei näherer Betrachtung, besonders in Relation zu den Erfolgen. Unter dem Strich läuft vieles sehr gut. Die Kontaktverfolgung wird bis zur Grenze des Machbaren umgesetzt, auch wenn die Inzidenz uns durch zu viele ungeimpfte Menschen manchmal überrollt.

Ist das Bedürfnis nach schnellen Informationen nicht dennoch nachvollziehbar?

In dem Bestreben nach Selbstbestimmung geht manchmal der Blick für das Wesentliche verloren. So ist zum Beispiel die häufig gewünschte Antikörperuntersuchung für den gesunden Menschen nicht sinnvoll. Für Antikörperwerte gibt es keinen einheitlichen Grenzwert. Sie können lediglich bei immungeschwächten Menschen frühestens vier Wochen nach einer Impfung oder Infektion Auskunft über die Immunreaktion geben. Alles andere ist eher spekulativ. Auch ist die Frage nach einer Variante lediglich von epidemiologischer Bedeutung. Im Einzelfall ist die Virusvariante aus meiner Sicht eher unwichtig, da bei allen bisher bekannten Varianten nicht sicher vorhersehbar ist, bei wem schwere oder leichte Verläufe vorkommen.

2000 Kölnerinnen und Kölner, die einen schweren Verlauf vermeiden wollten, wurden zuletzt mit abgelaufenem Impfstoff geimpft. Wie verzeihbar ist das?

Überschreitungen des Ablaufdatums von Impfstoffen sollen nicht vorkommen, entsprechende Gegenmaßnahmen wurden jetzt ja getroffen. Es wird sicher nicht noch einmal vorkommen. Aber: Impfungen außerhalb des Zulassungsdatums hatten keine Nebenwirkungen und für einen Ausfall der Wirkung gibt es keinen Anhaltspunkt. Die vom Paul-Ehrlich-Institut empfohlene zweite Booster-Impfung für einige Betroffene ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.