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„Deine Haare schützen dich“Kölnerin Tatjana Richartz kümmert sich um Kopf und Seele

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau hält einen Perückenkopf mit Perücke in der Hand. Im Hintergrund stehen weiter Perücken in einem Regal.

Als ausgebildete Perückenmacherin hilft Tatjana Richartz Menschen, die unter starkem Haarverlust leiden.

Die Kölnerin Tatjana Richartz vereint seltene Handwerkskünste: Friseurmeisterin, Perückenmacherin, Zweithaarfachkraft und Maskenbildnerin.

„Stell dir vor, du verlierst alle Haare, weißt aber nicht, warum und musst damit leben. Das ist so, als wenn dich jemand ohne Kleidung auf die Straße schickt. Du fühlst dich nackt, ausgeliefert und hilflos“, beschreibt Tatjana Richartz die Auswirkungen der Alopezie, einer Autoimmunerkrankung mit übermäßigem Haarausfall, die medizinisch nicht heilbar ist.

Als psychische Belastung erfahren oftmals auch Patientinnen und Patienten einer Chemotherapie die Nebenwirkungen in Form von Haarverlust. „Man wird in unserer Gesellschaft schnell stigmatisiert. Wenn vermeintlich normale äußere Erscheinungsbilder aufgehoben werden, wird das nicht selten mit Krankheiten in Verbindung gebracht. Das ist für die Betroffenen zusätzlich belastend. Deine Haare aber schützen dich“, weiß die 43-Jährige, denn Tatjana Richartz ist als Friseurmeisterin, Maskenbildnerin und Perückenmacherin eine Expertin, wenn es um die Kopftracht oder visuelle Veränderungen geht.

Meisterin mit Anfang 20

Schon mit 22 Jahren erwarb Richartz als eine der jüngsten ihrer Zunft das Friseur-Meisterin-Zertifikat, suchte aber nach weiteren beruflichen Herausforderungen. „Ich wusste, wo die Fernsehserie ‚Die Wache‘ gedreht wurde und fuhr einfach hin, um mich als Praktikantin anzubieten, wurde jedoch abgewimmelt. Erst als ich meine Schneide-Dienste umsonst anbot, ließ man mich gewähren. Meine Motivation bestand darin, als professionelle Maskenbildnerin Erfahrungen zu sammeln“, erinnert sich die gebürtige Kölnerin amüsiert.

Im Zuge ihrer langjährigen Freiberuflichkeit gehörte Richartz zum Kollektiv bei Filmproduktionen, dem Dreh von Musikvideos und Tourneen. Erlernt habe sie den Beruf aber erst während ihrer dreijährigen Ausbildung am Deutschen Theater in Berlin, informiert die Unternehmerin. Diese Befähigung wiederum galt als Grundlage für die Ausbildung zur Perückenmacherin. Eine zusätzliche Qualifikation als Fachkraft für Zweithaar im medizinischen Bereich schloss sich an. Es folgten zahlreiche Engagements, etwa bei den Theaterfestspielen in Salzburg, an den Opernhäusern in Bonn und Düsseldorf sowie an der Schauspielbühne in der Landeshauptstadt von NRW. Auch an den Musical-Stätten in Oberhausen und Krefeld wirkte Richartz bereits.

Haare sind der natürliche Schmuck des Menschen.
Tatjana Richartz

Das strikte Umsetzen ihrer Pläne führt die Salonbesitzerin auf ihren Willen zurück: „Ich bin sehr ehrgeizig, äußerst pragmatisch, empathisch und hochemotional“, fasst die Selbstständige ihre Charaktereigenschaften zusammen. So sei sie schon als Kind an den Karnevalstagen früh aufgestanden, um, vor den Eltern, die Geschwister zu schminken. Als Lockenwickler für die Frisuren ihrer Cousine dienten zudem Wattestäbchen. Bereits mit 15 Jahren begann der Teenager auf Vermittlung der Mutter eine Friseurlehre.

„Das galt in den 80er und 90er Jahren eher als verpönter Beruf. Man denke nur an Filme wie ‚Manta Manta‘ und die schrecklichen Schnitte. Aber auch hier stand mir Mama bei und ermutigte mich, zusätzlich noch Maskenbildnerin zu werden“, erzählt Richartz, die neben den multiplen Tätigkeiten einen kleinen Bauernhof mit Hühnern und Katzen führt und ihr Haus in Eigenregie saniert.

„Ich kann das, weil ich mich traue. Verputzen, Spachteln, Böden verlegen – kein Problem. Was soll denn schon schief gehen? Bei Haaren ist das aber wesentlich komplizierter.“ Das Faszinosum dafür sieht die Spezialistin fest in der Zivilisationsgeschichte verankert: „Schon die Ägypter haben Perücken getragen. Bei den Römern wurden in der Antike erhitzte Tonwerkzeuge zur Lockenanfertigung genutzt. Man denke auch an die opulenten Kopf-Aufsätze im Barock. Haare sind der natürliche Schmuck des Menschen und ich möchte dabei helfen, diesen individuellen Schatz zu erhalten oder so gut wie möglich zu rekonstruieren. Darum kümmere ich mich.“


Tatjana Richartz, Benesisstraße 42, 50672 Köln, www.tatjanarichartz.com