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Geistermesse in Kölner AltstadtDiese Gruselgeschichte rankt sich um die Kirche St. Maria im Kapitol

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf die Kirche Sankt Maria im Kapitol durch Säulen hindurch

Die Kirche Sankt Maria im Kapitol im Kasino-Viertel in der Kölner Innenstadt ist Schauplatz einer Gruselgeschichte.

Nachts torkelt ein junger Mann an der Kirche St. Maria im Kapitol in der Kölner Altstadt vorbei. Plötzlich sieht er, wie Licht durch die Kirchenfenster flackert.

Wer einmal eine Stadtführung in Köln mitgemacht hat, weiß, dass sich rund um die Stadt zahlreiche Mythen und Legenden ranken. Dabei gibt es auch Erzählungen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Heute erzählen wir die Geschichte über die Geistermesse in einer der bedeutendsten Kirchen Kölns.

Die Kirche St. Maria im Kapitol liegt mitten in der Kölner Innenstadt, im Stadtteil Altstadt/Süd. Sie ist die größte der insgesamt zwölf romanischen Basiliken der Stadt und gilt neben dem Dom als Hauptkirche der Stadt.

Sagen und Legenden aus Köln: Die Geistermesse in der Altstadt

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Köln eine Stadt im Umbruch. Nach der Eingliederung ins französische Kaiserreich 1794 unter Napoleon wurden zahlreiche Reformen eingeführt, die das gesellschaftliche Leben stark veränderten. Viele einfache Menschen litten unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten, besonders in der Folge der Napoleonischen Kriege, die die Region stark belasteten. Die Stadt war geprägt von einer engen Bebauung, schlechten hygienischen Bedingungen und einer wachsenden Bevölkerung, was die Lebensqualität für viele Bewohner beeinträchtigte.

Die Kirche Sankt Maria im Kapitol in der Kölner Altstadt.

Die Kirche Sankt Maria im Kapitol in der Kölner Altstadt

Ein junger Mann namens Berthel soll zu dieser Zeit ebenfalls in Köln gelebt haben. Er führte kein allzu gottesfürchtiges Leben und hatte eine besondere Vorliebe für den Alkohol. Nach durchzechten Abenden im Wirtshaus war es für ihn am nächsten Morgen meist undenkbar, die Heilige Messe zu besuchen. Auch an diesem Abend erging es ihm so. Berthel hatte mit ein paar Freunden den Geburtstag eines Kameraden in einer Brauerei gefeiert und machte sich nun, mehr torkelnd als geradeaus gehend, auf den Heimweg. Er war unverheiratet, sodass ihn keine verärgerte Ehefrau erwartete. Dennoch plagte ihn die Angst vor der Reaktion des Pfarrers, sollte er den Gottesdienst wieder einmal verschlafen.

In Gedanken versunken, schwankte Berthel über den Marktplatz. Vor ihm erhob sich auf dem Hügel die Kirche St. Maria im Kapitol, deren Silhouette sich normalerweise düster gegen den Nachthimmel abzeichnete. Doch in dieser Nacht war etwas anders. Die Kirche wirkte nicht wie sonst in der Dunkelheit. Ein warmes Kerzenlicht flackerte durch die Fenster, und leise Klänge von Orgelspiel und Gesang drangen an Berthels Ohren. Verwundert blieb er stehen. Einen Gottesdienst zu so später Stunde hatte er noch nie erlebt – es war fast Mitternacht! Für einen Moment kam ihm der Gedanke, ob dies vielleicht ein Zeichen des Himmels sein könnte, die Messe jetzt zu besuchen, um sich am Morgen das frühe Aufstehen zu ersparen.

Die Kirchenfenster der Kirche St. Maria im Kapitol in Köln.

Die Kirchenfenster der Kirche St. Maria im Kapitol in Köln

Von diesem Gedanken getragen, eilte Berthel den Hügel hinauf, öffnete vorsichtig die schwere Kirchentür und trat ein. Was er dort vorfand, überraschte ihn. Die Kirche war fast bis auf den letzten Platz gefüllt, doch in der hintersten Bank entdeckte er gerade noch einen freien Stuhl, den er schnell einnahm. Der Alkohol machte ihn schläfrig, und er musste sich bemühen, wach zu bleiben, während vorn die Predigt gesprochen wurde.

Geistermesse in Köln: Leichenblasse Besucher in der Kirche St. Maria im Kapitol

Doch etwas fühlte sich seltsam an. Ein ungewöhnlicher Geruch stieg ihm in die Nase – eine merkwürdige Mischung aus feuchter, modriger Erde und schwerem Weihrauch. Ein ungutes Gefühl kroch in ihm hoch. Irgendetwas stimmte hier nicht. Aber was? Und warum waren so viele Menschen mitten in der Nacht in der Kirche versammelt?

Blick in die Kirche St. Maria im Kapitol in der Kölner Altstadt

Blick in die Kirche St. Maria im Kapitol in der Kölner Altstadt

Plötzlich spürte Berthel einen spitzen Stoß in die Seite. Sein Banknachbar beugte sich zu ihm herüber und flüsterte eindringlich: „Du musst gehen.“ Berthel schenkte der Warnung jedoch keine Beachtung. Er wollte die Messe erst bis zum Segen verfolgen, auch wenn ihn ein leises Unbehagen beschlich. Doch kaum hatte er sich wieder gesammelt, kam die Stimme des Fremden erneut, diesmal schärfer, fast bedrohlich: „Jetzt geh, sofort!“

Verunsichert sah Berthel seinen Sitznachbarn an – und erschrak zutiefst. Das Gesicht des Mannes war totenbleich, und seine Augen glühten unheimlich im schummrigen Licht der Kirche. Plötzlich fiel ihm auf, was er die ganze Zeit ignoriert hatte: Alle Anwesenden waren genauso blass wie der Mann neben ihm. Ihre Kleidung wirkte alt und zerschlissen, als stamme sie aus längst vergangenen Zeiten. Der Fremde, dessen knochiger Finger eindringlich zur Tür zeigte, ließ keinen Zweifel mehr daran, dass hier etwas völlig Unnatürliches geschah.

Der Innenhof der Kirche Sankt Maria im Kapitol

Der Innenhof (ehemaliger Kreuzgang) der Kirche Sankt Maria im Kapitol

Von panischer Angst gepackt, stürmte Berthel aus der Kirche hinaus, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her. Gerade noch rechtzeitig erreichte er die kühle Nachtluft. Doch ein flüchtiger Blick zurück ließ ihn erstarren: Ein eisiger Windstoß wehte durch das Kirchenschiff, löschte alle Kerzen mit einem unheimlichen Zischen, und die schwere Kirchentür fiel mit einem ohrenbetäubenden Knall ins Schloss.

Die restliche Nacht verbrachte Berthel schlaflos, gequält von den Bildern und dem unheimlichen Gefühl, das ihn nicht mehr losließ. Bei der Frühmesse war er ungewöhnlich früh zur Stelle und suchte den Pfarrer nach dem Gottesdienst auf, um ihm von den erschreckenden Ereignissen zu erzählen. Der Geistliche hörte aufmerksam zu und erklärte schließlich, Berthel habe großes Glück gehabt. Er sei in eine sogenannte Geistermesse geraten – ein übernatürliches Phänomen, von dem schon oft berichtet worden war. Wäre er nicht rechtzeitig gewarnt und gegangen, so der Pfarrer, hätte er mit den Geistern zusammen die Kirche nie wieder verlassen.

Doch statt die Erfahrung als ernste Warnung zu betrachten, zog Berthel daraus eine etwas eigentümliche Lehre: Sein erster Weg führte ihn, von dem Schrecken gezeichnet, direkt ins nächste Wirtshaus.

Nun mag man von der Gruselgeschichte rund um Berthel und die Geistermesse von St. Maria in Kapitol halten, was man möchte. Ein Besuch des Gotteshauses lohnt sich allemal. Nicht nur wegen der hölzernen Bildertür, die deutschlandweit einzigartig ist. (ft)