In seinem aktuellen Programm positioniert sich der in die Kritik geratene Comedian als verletzter Kämpfer gegen die vermeintliche „Cancel Culture“.
Show „Trippy“ in der Lanxess-ArenaSelbsmitleid und Zynismus gehören jetzt zum Leben von Luke Mockridge
Es waren die Witze über das Einschlafen mit Haaren im Gesicht in der Löffelchenstellung oder die peinlichen Versuche der Männer, Frauen im Club anzutanzen, die Luke Mockridge während seiner ersten Tour 2012 zu einem der beliebtesten Comedians Deutschlands gemacht haben.
Elf Jahre später hat der 34-Jährige nicht nur das Wort „Lucky“ endgültig aus seinem Programmtitel gestrichen, sondern wohl auch die Leichtigkeit, mit der er damals auf der Bühne stand, verloren. Die Themen seiner aktuellen Tour „Trippy“, mit der Mockridge am Freitagabend in der Kölner Lanxess-Arena war, sind härter, politischer, gesellschaftskritischer – und getränkt in Selbstmitleid.
„Trippy“ in Köln: Luke Mockridge ersetzt „glücklich“ durch „abgefahren“
Was genau will Luke Mockridge seinen Fans vermitteln, wenn er das Wort Glück, das ihn von Beginn an begleitet hat, durch das Wort abgefahren ersetzt? „Die Welt ist abgefahren. Die Realität hat die Fiktion eingeholt“, erklärt der Comedian den Inhalt der Show.
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„Ein ukrainischer Comedian, der Präsident wird und dann einen Krieg führen muss.“ Und Corona. Natürlich muss auch die Pandemie wieder thematisiert werden, weil man ja immer noch nicht genug davon hat. Was aber dann folgt, muss man erst einmal sacken lassen: „Es sind zu viele Menschen auf der Welt. Wollen wir mal durchgehen, wer weg kann?“, fragt Mockridge ins Publikum und zählt russische Diktatoren und Menschen ohne Empathie auf.
Luke Mockridge thematisiert in Köln unterschwellig die schweren Vorwürfe
Es ist keine unterschwellige, sondern eine sehr sichtbare Wut, die der Wahl-Kölner in sich trägt. Zynismus und schwarzer Humor seien nach den „schwierigen letzten Monaten“ jetzt ein Teil seines Lebens. Und auf der Bühne wolle er authentisch sein, seine Wunden zeigen.
Worauf er hinaus will: 2021 erntete der Comedian eine Lawine an negativer Kritik in den Sozialen Medien, nachdem seine Ex-Freundin Ines Anioli ihm eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen und Anzeige erstattet hatte. Das Ermittlungsverfahren ist allerdings eingestellt worden. Kurz danach, im September 2021, veröffentlichte der „Spiegel“ einen Artikel, in dem weitere Frauen Mockridge Grenzüberschreitungen vorwarfen.
Luke Mockridge fragt sich, worüber ein Comedian noch Witze machen darf
Der Comedian ging juristisch dagegen vor und erlangte vor zwei Tagen einen Teil-Sieg. Das Hanseatische Oberlandesgericht gab Mockridge in einem weiteren Urteil recht und untersagte damit entscheidende Teile des „Spiegel“-Artikels über den Comedian. Gegen dieses Urteil kann der „Spiegel“ keine weiteren Rechtsmittel mehr einlegen. Allerdings steht das Hauptverfahren noch aus.
In seinem Programm „Trippy“ fragt sich Mockridge, zwei Jahre nach den Vorwürfen, was ein Comedian überhaupt noch darf? Oder meint er, was die Gesellschaft denkt, was er noch darf? Nach vielen „dummen, blöden Gags“, wie er die Witze selbst nennt, entschuldigt er sich – im Stil der Influencer – und sagt einmal: „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“ Geht es hier wirklich noch um seine Witze?
An einigen Stellen versucht Mockridge zumindest weiterhin das witzige 90er-Kind zu sein, aber mit 34 Jahren habe er auch gemerkt, dass man als Person in der Öffentlichkeit zu jedem Thema eine Haltung zeigen müsse. Also thematisiert er eben Corona, die katholische Kirche, Heidi Klum, die Präsidentschaftswahlen in den USA. Dann geht er in die Pause.
Köln: Luke Mockridge nimmt sexistische Lieder und Sex in den Fokus
Und dann passiert das, worauf die 7.000 Fans in der Lanxess-Arena gewartet haben. Mockridge setzt sich an sein pinkes Klavier und improvisiert ein Lied über die Fans, mit denen er zu Beginn der Show gesprochen hat. Er singt über das Kennenlernen in Dating-Apps, Freundinnen, die nicht neben, sondern hintereinander sitzen, über einen Lehramts-Studenten, der katholische Religion studiert und eine Abiturientin liebt.
Nach einer Stunde Show lacht das Publikum zum ersten Mal richtig. Mockridge steigt auf die Welle auf und spricht über schwierige, durchaus sexistische, Lieder. Layla könne er aber wegen der Cancel Culture in Köln, also dem Versuch, ein vermeintliches Fehlverhalten, öffentlich zu ächten, nicht singen. Also nimmt er den Text von Lou Begas Mambo No. 5 auseinander. Und auch Sex nimmt er wieder in den Fokus – und erntet großen Applaus, nachdem er am Klavier Beethovens „Adelaide“ spielt und dabei mit seiner Mimik einen Sexakt darstellt.
„Ist das Programm zu unten rum?“, fragt Mockridge kurz danach? Das Publikum, seine Fans, ruft wenig überraschend „Nein“. Kurz vorher sagt der Comedian noch deutlich, dass man die Kunst und den Künstler trennen müsse, referiert kurz, aber prägnant auf die Themen Rammstein und toxische Männlichkeit.
Am Ende der Show kommt er zu einem seiner Lieblingsthemen zurück: die Generationenkonflikte. Es wird wieder viel gelacht. Mockridge bedankt sich mit einem Musik-Medley, singt unter anderem Et jitt kein Wood, Gummibärenbande und schließlich doch Layla. Natürlich.