Als politisch verfolgter Kurde wagte Hasan Hüseyin Deveci 1994 die Flucht aus seiner Heimat und etablierte sich in Köln als Künstler.
Mission KunstKölner Kurde schöpft für seine Werke aus seiner Biografie
„Du kannst mich mit einem Hubschrauber auf einem Berg in der Wildnis absetzen und ich würde auch dort meine Mittel finden, um Kunst zu machen. Es besteht keine Chance, das zu vermeiden“, bringt Hasan Hüseyin Deveci seine Mission auf den Punkt. Dieser Mensch kann nicht anders, als das Leben auf die Leinwand zu transferieren oder in Form von Skulpturen, Objektinstallationen sowie Videoproduktionen Ausdruck zu verleihen. Die Möglichkeit, andere Wege einzuschlagen, verwarf der Kurde vor 30 Jahren nach seinem Entschluss zur Flucht aus der Türkei.
Nach dem lebensgefährlichen Unterfangen wollte der damals 21-Jährige keine Kompromisse in puncto Selbstbestimmung mehr eingehen. „Ich wollte immer etwas Kreatives, wie zum Beispiel Deutsche Literatur studieren, wurde aber nicht an der Universität zugelassen. Stattdessen habe ich mich für Volkswirtschaftslehre eingeschrieben, aber nur um die Einberufung ins Militär zu vermeiden“, erinnert sich der heute 52-jährige Familienvater. „Nach der Zerstörung vieler kurdischer Dörfer habe ich es damals nicht mehr ausgehalten und bin fortgegangen“, erzählt Devici mit zitternder Stimme.
Flucht über Österreich nach Köln
Seine Odyssee führte ihn über Österreich nach Deutschland. Zunächst in Mayen/Rheinland Pfalz untergebracht, fand der Geflüchtete 1997 in Köln einen neuen Lebensmittelpunkt. Nach der Asyl-Anerkennung fand Deveci Beschäftigungen am Flughafen und in einem Transportunternehmen. Darauf folgte eine Weiterbildung zum Kunsttherapeuten und Kunstpädagogen. Mehrere Jahre arbeitete er für die gemeinnützige Gold-Kraemer-Stiftung im Bereich „Gewalterfahrungen“. Die Eröffnung eines Ateliers in Deutzer erweiterte das Spektrum des Malers, Zeichners und Dozenten, dessen Expertise auch als Kunstvermittler des Kölner Museumsdienstes im Wallraf-Richartz-Museum und dem Museum Ludwig geschätzt wird.
Der Beruf des Künstlers bedeutet für Deveci die Aufrechterhaltung seiner Authentizität. „Deshalb biete ich meine Werke auch nicht aktiv in der sogenannten Kunstszene an, sondern mache mein eigenes Ding. Die Galeristen könnten mit mir vermutlich nichts anfangen“, mutmaßt der Wahlkölner. In seinen abstrakten, gegenständlichen und figürlichen Schöpfungen mache er seine Erfahrungen bewusst zu Protagonisten: „Ich bearbeite meine Biographie. Das ist notwendigerweise politisch, denn ich habe als Kind und Jugendlicher die Unterdrückung des Individuums durch ein autokratisches System kennengelernt“, so der Deutsch-Kurde.
Mit seinen Prinzipien einhergehend, nimmt Deveci auch die Schattenseiten des Künstlertums in Kauf. Als er 2015 mit 100 blutgetränkten weißen Hemden und stummen Masken den Genozid der Armenier durch das einstige Osmanische Reich im Jahr 1915 in Erinnerung rief, erhielt der Mahner Todesdrohungen von Extremisten. Für die nahe Zukunft plant der Kosmopolit noch vor den Sommerferien eine Aktion im öffentlichen Raum. „Dabei geht es um die weltweite Tendenz zur Abschottung vor Flüchtlingen, die Schutz suchen. Da können wir nicht einfach wegschauen.“
Zudem möchte der Künstler die Aufarbeitung des Kolonialismus mit einer internationalen Werksammlung kurdischer Kulturgüter unterstützen. „Mein Ziel ist, dass nicht ich, sondern meine Arbeit gesehen werden, in der ich Ängste und Hoffnungen verarbeite“, sagt Hasan Hüseyin Devici, der auch unter dem Alias „Malmime“ firmiert. Während seiner letztjährigen Reise in die kurdischen Gebiete ließen die Sorgen seiner kleinen Tochter über eine mögliche Abschiebung aus Deutschland den Vater zu Stift und Papier greifen.
In einem Brief schrieb er folgende Zeilen: „ … Meine liebe Tochter. Du hast mich in den letzten Monaten gefragt, wohin wir gehen sollen, wenn die AfD an die Macht kommt. Jetzt, nach so langer Zeit, fühle ich auch hier ein Zuhause. Mach dir keine Sorgen, mein Kind, wir haben eine Heimat …“
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