Handwerk aus der SüdstadtGitta Clausen gießt seit 20 Jahren Kerzen
Innenstadt – Gitte Clausen zweifelt nicht an der Bedeutung ihres Tuns: „Was sollen denn die Menschen jetzt machen außer Kerzen anzünden, Rotwein trinken und Kinder zeugen? So gesehen bin ich systemrelevant.“ Darüber muss sie dann erstmal selbst laut lachen. Gitte Clausen gießt Kerzen. In ihrer kleinen Werkstatt hinter dem Laden im Schatten der Severinskirche stehen etliche Rohre mit unterschiedlichen Höhen und Durchmessern senkrecht auf einem Tisch. Sie erinnern an Sonnenschirmständer. Das sind die Formen für die Kerzen.
Stearin statt Bienenwachs
„Ich benutze flüssiges Stearin“, erzählt Gitte Clausen. Stearin ist ein erkaltetes Fett, das aus Rapspflanzen gewonnen wird. Sie bezieht den Rohstoff von einer Raffinerie in Hamburg. „Stearin brennt länger und hat eine höhere Leuchtkraft als Paraffin. Und es rußt weniger.“ Bienenwachs sei sehr teuer: „Eine Stearin-Kerze, die ich für fünf Euro verkaufe, würde aus Bienenwachs mindestens acht Euro kosten.“ Drei Viertel aller in Deutschland verkauften Kerzen bestehen aus Paraffin.
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2,4 Kilogramm Kerzen verbraucht jeder Deutsche pro Jahr. Spitze in Europa sind die Dänen mit 4,3 Kilogramm. Gitte Clausen kommt aus Dänemark. Die 56-Jährige stammt von der Insel Aero. Dort fing alles an. „Ich habe mir als Jugendliche in einer Kerzenfabrik zum Taschengeld etwas hinzuverdient“, erinnert sie sich. Damals hat sie Teelichter gegossen. Seit über 30 Jahren lebt die vierfache Mutter in Deutschland.
Vor 20 Jahren Kerzenladen geöffnet
Nach Zwischenstationen als Geschäftsführerin von Rosenthal an der Schildergasse und als Mitarbeiterin eines schwedischen Möbelhauses in Godorf hat sie vor 20 Jahren den „Kerzenladen“ eröffnet. „Eine Ausbildung zur Kerzendreherin habe ich nicht. Ich bin Dänin, wir können das“, sagt Clausen. In Deutschland ist es möglich, eine Ausbildung zum „Wachszieher“ zu machen. Es gebe aber nur einen Ausbilder in Süddeutschland.Clausen produziert heute rote Kerzen. Dazu muss sie das farblose Stearin färben. Sie schmilzt in einem Topf den Farbstoff. „Das muss man sich vorstellen wie einen Fettstift für Kinder.“ Bei Clausen ist alles Natur. „Industrielle Duftkerzen sind oft das reinste Gift.“ Nachdem der Farbstoff aufgelöst ist, schüttet sie ihn in den Schmelzbottich, rührt, dann geht alles sehr schnell. In den Boden des Tisches sind kleine Löcher gebohrt, aus denen Dochte in die Kerzenformen ragen.
Kerzen bekommen Krone
Clausen schöpft eine Kanne rotes Stearin aus dem Bottich, hält den Docht mit zwei Fingern fest und gießt die Flüssigkeit in die Form. Mit einem Splint wird der Docht senkrecht fixiert. Und dann heißt es Warten. Nach drei Stunden ist die Kerze hart. „Ich möchte, dass man das Handwerk sieht“, sagt Clausen. Deshalb „krönt“ sie ihre Kerzen. Nachdem die ausgehärtet sind, gießt sie noch einmal drei Zentimeter Stearin nach. Das Ergebnis sieht in der Tat wie eine kleine Krone aus – auf einer Rarität als Unterlage stehend. Clausen hat sich Schiefertafeln des Daches von St. Severin gesichert, das vor ein paar Jahren saniert wurde. Mehr Lokalkolorit geht kaum. Sie hat einen Tipp, wie Kerzen gleichmäßig abbrennen. „Sie sollen so viele Stunden brennen wie die Kerzen Zentimeter als Durchmesser haben.“ Und wer dieser Tage seine Kneipe vermisst, kann bei Clausen einen Kerzen-Kölschkranz kaufen. Da hat man dann zu Hause gemütlich die Lampen an. Und schont nebenbei die Leber.
Der Kerzenladen, Severinskirchplatz 12, geöffnet Mo-Sa 10-18 Uhrwwww.der-kerzenladen.com