Umfrage in Kölner SüdstadtFahrradgeschäft boomt dank Corona
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Bus und Bahn sind Corona-bedingt derzeit nicht sehr beliebt, Bewegung an der frischen Luft und manch einer leistet sich statt eines Urlaubs ein teures Rad.
Fahrradläden profitieren von der Pandemie, verzeichneten ein Umsatzplus von 11,7 Prozent.
Wir haben uns bei Fahrradgeschäften in der Kölner Südstadt umgehört.
Südstadt – Die Zahlen des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) lassen aufhorchen. Der Einzelhandel verzeichnete im August gegenüber dem Vorjahresmonat ein Umsatzplus von 3,5 Prozent. Branchensieger waren die Fahrradläden mit einem Zuwachs von 11,7 Prozent. Auch bei den Händlern in der Kölner Südstadt ist der Boom deutlich zu spüren. Am deutlichsten wohl bei Stadtrad.
Inhaber Peter Dedenbach und sein Team sind mitten in den Vorbereitungen für die Eröffnung einer zweiten Filiale. „Die wird wohl im Frühjahr den Betrieb aufnehmen“, sagt Monica Merz von Stadtrad. Auf zwei Etagen wird man dann in dem ehemaligen Haushaltswarenladen Kolbe Fahrräder ausstellen. Und ein, zwei Mechaniker aus der Stadtrad-Werkstatt ziehen auch mit um.
Stadtrat gibt es seit 26 Jahren in der Südstadt
Seit 26 Jahren gibt es den Laden. „Wir haben an der Teutoburger Straße auf 60 Quadratmetern angefangen“, erinnert sich Monica Merz. 2006 sei man an die Bonner Straße gezogen. Aber auch dort sei es mittlerweile zu eng. „Vielleicht ist es so: Je mehr Platz man hat, umso mehr hat man.“ Andererseits: Die Kundinnen und Kunden müssten Probe fahren können. Und dafür müssten die Räder halt vorrätig sein.
„Als wir angefangen haben, wollten wir das freundlichstes Fahrradgeschäft der Stadt werden“, wirft Monica Merz einen weiteren Blick zurück. Die Kundinnen und Kunden sollten von Anfang nicht nur bedient, sondern auch unterhalten werden: „Bei uns kann schon mal lustig und etwas lauter werden.“
Stadtrat-Team war Mitinitiator der Kölner Ring frei-Demos
Und politisch. Das Stadtrad-Team war in den 90er-Jahren bei der ersten „Ring frei“-Demonstration federführend dabei. Auf die Umsetzung hat man 25 Jahre gewartet, aber dass auf den Ringen jetzt in Abschnitten zwei Autospuren für den Radverkehr zur Verfügung stehen, „schreiben wir uns mit auf die Fahnen“, sagt Monica Merz. Im neuen Laden wird es auch Veranstaltungen rund um Verkehrspolitik geben. In Kürze wird beim ehemaligen Kolbe noch die Fassade saniert, und dann kann es los gehen.
An der Severinstraße spielt Christoph Nöckel sozusagen außer Konkurrenz. Er verkauft bei „Staub & Teer“ Gravel-Räder. „Ein Geschäft, das so speziell ist, findet man in NRW vielleicht noch zwei- oder dreimal.“ Gravel-Räder sind Querfeldein-Rennräder, sportliche Räder mit breiten Reifen.
Mit einem Rennrad ist man auf Asphalt angewiesen, doch Gravel-Räder überwinden auch Schotterpisten. Zwischen 1000 und 1500 Euro sollte man für ein solches Rad ausgeben. „Das geht hier gerade voll durch die Decke“, beschreibt Nöckel den Boom, der auch seinen Laden nach ein paar Wochen Lockdown fast überrollt hat.
Lieferengpässe bei Fahrrädern
Zum einen hätten viele Leute im Moment keine Lust, mit Bus und Bahn zu fahren. Zum anderen wollten viele am Wochenende einfach mal raus und sich bewegen. Das Fitness-Studio sei für viele gerade auch keine Option. Andere wiederum hätten sich statt des Mallorca-Urlaubs ein Gravel-Rad geleistet. Glücklich der, der schon eins hatte. Denn es gab Lieferengpässe. Die Räder werden per Schiff aus Taiwan geliefert. „Die Container sind sechs Wochen auf dem Wasser“, sagt Nöckel. Mittlerweile füllten sich die Lager aber wieder.
Das kann Marcel Jansen nur bedingt bestätigen. Er betreibt schräg gegenüber von „Staub &Teer“ an der Severinstraße die „Radfieber“-Werkstatt. Das Verkaufsgeschäft ist im Belgischen Viertel beheimatet. „80 Prozent der Räder für 2021 sind bei den Großhändlern verkauft beziehungsweise reserviert“, sagt Jansen, der ausreichend geordert hat. „Rahmen sind kein Problem, aber auf Schaltungen und Bremsen von Shimano muss man lange warten.“
Kunden wünschen Service vor der Haustüre
Der Unternehmer verkauft zum Beispiel Räder der Marken Stevens aus Hamburg und Schindelhauer aus Berlin: „Hochwertige, coole Räder mit ein sehr guten Preis-Leistungsverhältnis“ – die natürlich regelmäßig gewartet werden müssten. „Viele unserer Kundinnen und Kunden stammen aus der Südstadt. Da lag es nahe, hier eine Werkstatt zu eröffnen.“ Die Leute wollten der Service vor der Haustür. Jansen garantiert, dass die Reparaturen innerhalb von 48 Stunden erledigt sind.
Was den Fahrradläden auch zu Pass käme: Räder werden nur selten online geordert. „83 Prozent aller Räder werden beim örtlichen Fachhandel erworben“, sagt Jansen, dem sein Beruf in den Genen liegt. „Mein Opa hatte ein Fahrradgeschäft im niederländischen Haarlem.“