Zigarettenfirma als HochzeitslocationSo hat sich das Kölner Haus Neuerburg verändert
Köln – Wer in Köln heiraten will, kommt am Haus Neuerburg nicht vorbei. Mehrere städtische Stellen sind hier zu Hause, darunter auch das Standesamt. Der davor liegende Gülichplatz mit seinem von Georg Grasegger gestalteten Fastnachtsbrunnen wirkt beschaulich und ruhig. Dabei war er mehrfach Schauplatz mutwilliger Zerstörungen.
Benannt nach Zigarettenunternehmen
Seine Entstehung vor rund 100 Jahren hat das Haus Neuerburg dem gleichnamigen Zigarettenunternehmen zu verdanken, das das Gebäude am Gülichplatz ab 1923 als Hauptverwaltung bauen ließ. Ravenklau, Löwenbrück oder Landskron hießen die Zigaretten von Haus Neuerburg. Die wichtigste Handelsmarke war jedoch „Overstolz“, deren Name an das Kölner Patriziergeschlecht der Overstolzen erinnerte. Noch heute kursiert im Netz eine unfreiwillig komisch wirkende Fernsehwerbung aus der frühen Nachkriegszeit, in der die treusorgende Gattin ihrem Mann am Steuer eines offenen Cabrios mit fröhlich gereimten Worten die Packung hinterherreicht.
Die „Overstolz“ sei schon 1925 die meistgerauchte Fünf-Pfennig-Zigarette gewesen, sagt Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Die schlanke Zigarette an sich habe im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert zunehmend die dicke Zigarre ersetzt: Gab es 1887 im Deutschen Reich 87 Zigarettenhersteller, waren es 1900 schon 189. Der Erste Weltkrieg und die rauchenden Soldaten verhalfen dem schnellen Tabakkonsum endgültig zum Durchbruch.
Vorgängergebäude im Ersten Weltkrieg stark zerstört
Die Firma Haus Neuerburg ging hervor aus dem tabakverarbeitenden Unternehmen von Johann Neuerburg. Dessen Enkel Heinrich Neuerburg begann 1908 in Trier mit der Zigarettenproduktion. Nach dem Ersten Weltkrieg verlegte er die Verwaltung nach Köln, wo er schräg gegenüber dem Rathaus eine äußerst prominente Stelle besetzte. Die Vorgängergebäude am Gülichplatz hatte es am Ende des Ersten Weltkriegs übel erwischt: Sie wurden Opfer eines frühen Bombenangriffs. „Der Weg nach Köln war geprägt durch die Metropolenfunktion, die nach dem Ersten Weltkrieg die Absatzchancen von Neuerburg-Zigaretten erhöhte“, sagt Ulrich S. Soénius: „Trier lag nach dem Versailler Vertrag an der Westgrenze und war gesellschaftlich nicht mit Köln zu vergleichen.“
Viel früher, im 17. Jahrhundert, hatte Nikolaus Gülich an dieser Stelle sein Haus, ein früher Kämpfer gegen den Kölner Klüngel. Gülich bezichtigte die Stadtregierung der Vetternwirtschaft und der Veruntreuung öffentlicher Gelder und setzte sich an die Spitze einer Protestbewegung, was ihm einen hohen Posten bei der Stadt bescherte.
Schließlich fiel er beim Kaiser in Ungnade und wurde 1686 in Mülheim enthauptet: „Das Gericht ließ sein Haus niederlegen und verfügte, dass der Grund und Boden nie wieder bebaut werden sollte“, so der frühere Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. Eine zur Warnung aufgestellte „Schandsäule“ mit einem Porträt Gülichs sei von den Franzosen 1797 entfernt worden. Und das Bauverbot hielt natürlich auch nicht ewig.
Erinnerung an die Kölner Patrizier
Die Arbeiten für das Haus Neuerburg begannen 1923 nach Plänen des Schweizer Architekten Emil Felix. Als Baumaterial dienten ihm holländische Backsteine, stilistisch orientierte er sich am Barock und der Renaissance. Hervorstechend war der Treppenturm an der Südseite. Auch er war eine Erinnerung an die Kölner Patrizier, die ähnliche Türme an ihren Residenzen errichtet hatten.
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„Neben Reemtsma entwickelte sich das Unternehmen zu einem Marktführer in der umkämpften Zigarettenindustrie der 1920er Jahre“, so Ulrich S. Soénius. 1929 begann eine Kooperation zwischen Haus Neuerburg und Reemtsma. Nachdem der Konkurrent die Kontrolle über das Unternehmen komplett übernommen hatte, wurde die Verwaltung am Gülichplatz 1941 aufgegeben und nach Hamburg verlegt. Kurze Zeit später erlitt der Gebäudekomplex Zerstörungen, wurde aber 1950 in ähnlicher Form wieder aufgebaut - allerdings ohne die offenen Arkaden im Erdgeschoss.
Die Firma Haus Neuerburg wurde nach dem Krieg eine Zeit lang sogar wieder eigenständig, bevor internationale Konzerne das Ruder übernahmen. Der Neuanfang in Haus Neuerburg bedeutete auch eine neue Blütezeit für die Zigarette, die erst viel später endgültig in der Versenkung verschwand: Ab 1952 warb ein rauchender Ritter für die „Overstolz am Rhein“.