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„Angst, dass Deutz zu fein wird“IG Deutz trifft sich bei exklusivem Ambiente

Lesezeit 4 Minuten

Die Deutzer Freiheit ist auch für auswärtige Besucher attraktiv.

Deutz – Eingeladen wird in das noble Vier-Sterne-Hotel „Stadtpalais“, auf der Karte stehen Ceviche von der Königsmakrele und confierter Saibling hinter erlesenen Weinen.

„Wir wollen den Leuten klar machen, dass ein solcher Abend ganz klar für eine gewisse Qualität steht“, sagt Daniel Wolf, der Mann, der die Veranstaltung für die Interessengemeinschaft (IG) Deutz organisiert hat. Es ist ein Zusammentreffen der Händler und Gewerbetreibenden in Deutz; und der Abend wohl ein Symbol dafür, wie rasant sich der Stadtteil in den vergangenen Jahren verändert hat, wie vor Ort zu hören ist – eine Entwicklung, die nicht jedem gefällt.

Köln: IG Deutz trifft sich bei exklusivem Ambiente

Das Licht im historischen Kaiser-Wilhelm-Bad, umfunktioniert zum Veranstaltungsraum des Hotels, ist leicht gedimmt. Auftritt einer Werbeagentur, die die Webpräsenz der IG für über 15000 Euro neu gestaltet hat – und nun ebenfalls staunt über das exklusive Ambiente, in der sich die Deutzer Händler treffen. „Eine solche Veranstaltung ist schon eine Hausmarke“, sagt Markus Lingnau, Leiter der Agentur.

Ein neuer Anstrich für eine Webseite, die den Stadtteil nach außen repräsentieren soll. „Die schönste Seite Kölns“ wird in Zukunft über der noch unveröffentlichten neuen Website prangen, auf der sich Deutzer Händler – sofern sie IG-Mitglied sind – präsentieren können. In Deutz ist man sichtlich stolz auf sein Veedel, das in den vergangenen Jahren ein beachtliches Wachstum hingelegt hat. Heute beherbergt der Stadtteil mehr Arbeitnehmer als Einwohner, das Viertel ist interessant als Standort für Gewerbetreibende, die Mieten steigen rasant.

Der Vorstand (v.l.n.r.): Bernd Lamprecht, Daniel Wolf, Christoph Ullrich, Wolfgang Hogrebe, Stefan Rutz

„Die Entwicklung im Stadtteil ist da, ob sie gut ist, ist eine andere Frage“, sagt Christoph Wallenborn, der in Deutz ein Geschäft für Orthopädieschuhe betreibt. „Umso wichtiger ist es, dass die IG auch die großen Player im Stadtteil mitnimmt. Das macht es dann möglich, sich in diesem Rahmen zu treffen und eben nicht in einer Turnhalle.“ Gerade hat ein Vertreter der Zurich-Versicherung vor der IG gesprochen, die erst vor einem Monat fast 3000 Mitarbeiter in ihre Neubau-Zentrale nach Deutz geholt hat – jetzt ist das Buffet eröffnet.

Kritik an der Arbeit der IG Deutz

Dort stapeln sich Teller mit zartrotem Rindercarpaccio, im Raum riecht es nach Trüffeln und frischem Fisch. „Ich habe Angst, dass Deutz zu fein wird und zu steil nach oben geht“, sagt jetzt Pia Bodewig, der ein Elektrofachgeschäft in Deutz gehört. Und eine Händlerin, die anonym bleiben möchte, meint: „Anstatt einen teuren Abend und eine teure Website auf die Beine zu stellen, sollte man sich wieder stärker um die Belange der Mitglieder kümmern. Für mich persönlich tut die IG nichts, außer meinen Namen auf die Internetseite zu stellen.“

Es ist eine Kritik, mit der sie hier nicht ganz allein ist – sie konzentriert sich in diesen Tagen vor allem darauf, dass die IG nicht durchsetzen konnte, dass auf der Deutzer Freiheit, der Haupteinkaufsstraße in Deutz, eine Weihnachtsbeleuchtung quer über die Straße angebracht wird – weil sich mehrere Hauseigentümer verweigerten.

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„Ich würde mir wünschen, dass die IG auch mal wieder persönlich vorbeischaut und sich auf genau solche Basisarbeit konzentriert“, sagt die Händlerin. Daniel Wolf, Hemd, Sakko, ein Kölsch in der Hand, selbst Inhaber einer Marketingagentur, nickt angesichts der Kritik zustimmend mit dem Kopf. „Ich kann die Punkte vollkommen nachvollziehen“, sagt er, der hier als außerordentlich engagiert gilt, ohne den, so sagen viele hier, die Händler viel weniger vernetzt wären, ohne den vielleicht sogar ganz Deutz anders aussähe. Er spricht von dem Spagat, den er im Namen seiner IG angesichts der Veränderungen im Veedel derzeit machen müsse, vom Versuch, die Interessen alteingesessener Händler und neuer großer Player zu verbinden, von seinem Wunsch, dass man die Vielzahl neuer Arbeitnehmer in Deutz verstärkt motivieren müsse, auch die Angebote im Stadtteil anzunehmen: Eben mal in einem nahe gelegenen Restaurant anstatt in der Kantine zu Mittag zu essen, eben mal in der Mittagspause einen Deutzer Zahnarzt aufzusuchen.

Deshalb die Investition in die Website, deshalb der edle Abend im Hotel Stadtpalais. „Ich muss mich fragen, ob ich nicht hier an so einem Abend auf einen Schlag gleich einhundert Mitglieder erreichen kann, anstatt alle einzeln aufzusuchen. Ich mache das ja auch ehrenamtlich“, sagt er. „Und ich habe manchmal das Gefühl, dass beispielsweise ein Hotelbesitzer Mitglied in der IG wird und glaubt, er hat ab sofort Dutzende Gäste mehr, aber so ist es natürlich nicht.“ Er weiß: Deutz wird weiter wachsen, der Druck auf die eingesessenen Einzelhändler ebenfalls. Er will sie vernetzen, zusammenbringen – und vor allem motivieren, weiterzumachen. Wenn es sein muss, eben auch mit Makrele und Rindercarpaccio.