Was erzählen Menschen, wenn man sie anspricht und zum Kaffee einlädt? Dieser Frage geht Susanne Hengesbach in ihrer Rubrik „Zwei Kaffee, bitte!“ regelmäßig nach.
„Zwei Kaffee, bitte!“Kölnerin erzählt von Nierenspende für den Partner
Heute begebe ich mich im Zentrum auf die Suche nach einer gesprächsfreudigen Person und habe in Bahnhofsnähe Glück. Denn Dagmar Malling hat vor der Musical-Vorstellung im Blauen Zelt ausreichend Zeit für einen Stadtbummel eingeplant. Also können wir uns in Ruhe zum Plaudern in die Bar Galestro setzen.
Wie in dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich, streifen wir das Thema Urlaub, und es stellt sich heraus, dass die noch nicht lange zurückliegenden Ferien am Bodensee vor ein paar Jahren erheblich anders verliefen.
Damals war das wichtigste Kriterium bei der Auswahl des Reiseziels nicht, ob es dort landschaftlich reizvoll ist, sondern ob ein Dialyse-Zentrum in unmittelbarer Nähe liegt. Inzwischen sind Dagmar und Hubert Malling dieser Sorge enthoben, da die 62-Jährige ihrem drei Jahre älteren Lebenspartner eine Niere spenden konnte.
Bei den beiden Eheleuten handelte es sich also um einen der seltenen Glücksfälle, von dem auch die kürzlich verstorbene Sängerin Tina Turner profitieren konnte. Dass ein Partner tatsächlich infrage komme, sei praktisch wie ein Sechser im Lotto, sagt Malling, „und bei uns wurde nach 30 Jahren Ehe klar, dass wir wirklich zusammenpassen.“
Lieber lebenslang Dialyse als nie mehr Mettbrötchen
Mein Gegenüber lächelt, betont dann aber auch, dass der heute gute gesundheitliche Zustand ihres Mannes wesentlich damit zusammenhänge, dass er erstens sehr diszipliniert und zweitens auch im Vorfeld zu gewissen Abstrichen bereit gewesen sei.
„Welchen zum Beispiel?“, frage ich. „Nie mehr rohes Fleisch oder rohen Fisch!“ – „Na ja - ich denke, es gibt Schlimmeres“, kommentiere ich, woraufhin mein Gegenüber lachend einwirft: „Sagen Sie das nicht! Der transplantierende Arzt, Professor Dirk Stippel, habe ihnen von einem Kölner Patienten erzählt, für den die Nachricht „nie mehr Mettbrötchen“ so schockierend und abschreckend war, dass er sich dazu entschloss, lieber den Rest seines Lebens zur Dialyse zu gehen. „Das gibt es also auch!“
Nervenaufreibende Wartezeit
Während ich noch lachend vor meinem Cappuccino sitze, berichtet Malling, dass die Phase mit dreimal wöchentlich Blutwäsche und somit jeweils acht Stunden am Schlauch hängen, bei ihrem Mann glücklicherweise nur anderthalb Jahre gedauert habe. Ihm sei es währenddessen auch vergleichsweise gut gegangen – so gut, dass er seine Tätigkeit als Bankkaufmann weiter ausüben konnte.
Trotzdem sei das Leben natürlich stark eingeschränkt gewesen, so dass der Gedanke an eine Transplantation relativ früh im Raume stand. „War für Sie sofort klar, dass Sie…?“ – „Sofort!“, betont mein Gegenüber und erzählt von den teils nervenaufreibenden sechs Wochen, die ins Land gingen, bis der erhoffte Anruf kam, dass sie als Spenderin infrage kam. Ich spüre eine Gänsehaut auf meinem Unterarm. „Haben Sie dann gefeiert?“ – „Nö!“, sagt Malling. „Erstmal geheult!“
Großes Lob fürs gesamte Team in der Kölner Uni-Klinik
Das kann ich nachvollziehen. Aber immerhin bekam die Spenderin mit dem erhofften Anruf auch die Gewähr, dass sich nirgendwo in ihrem Körper auch nur die kleinste Gefahrenquelle befand. Man hatte sie vorab so gründlich durchgecheckt, dass mit keinen bösen Überraschungen zu rechnen war.
Im September 2018 erfolgte der letzte Bodensee-Urlaub mit Dialyse – „sechsmal in 14 Tagen, das ist echt doof!“ – aber zu diesem Zeitpunkt stand bereits ein weiterer gepackter Koffer zu Hause bereit, sodass es nach der Rückkehr aus Süddeutschland praktisch direkt in die Kölner Uniklinik gehen konnte. Dagmar Malling spricht dem gesamten OP-Team und allen Betreuern auf der 18. Etage ein großes Lob aus und erzählt von ihrem heute ganz normalen Leben, zu dem selbstverständlich auch mal ein Streit gehöre.
Eines müsse einem vorab klar sein: der Partner sei durch solch ein Handeln keinesfalls zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet. Wenn die 62-Jährige heute einen Wunsch freihätte, gäbe es allerdings einen und der wäre exakt scheckkartengroß. Es wäre so gut, sagt sie, wenn mehr Menschen einen Organspende-Ausweis in der Brieftasche hätten. „Die Spendenbereitschaft ist leider so niedrig. Egal ob bei Organen oder beim Blut!“