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Ermordung und Verdrängung in KölnNeue Studie zeigt Auswirkungen des Nationalsozialismus auf den Radsport

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Dieter Vaupel (M.), Autor der Studie mit Frank Schwalm und Renate Franz.

Dieter Vaupel (M.), Autor der Studie, mit Gästen seiner Lesung: Historiker Frank Schwalm vom NS-Dokumentationszentrum und Autorin Renate Franz.

Bei einer Lesung in Köln wurde klar: Der organisierte Radsport war mit der NS-Diktatur eng verflochten, wie auch zwei Kölner Schicksale zeigen.

Der eine – Weltmeister – ermordet. Der andere – Olympiasieger – von einem Granatsplitter so schwer verwundet, dass er später daran verstarb. Die Schicksale der Kölner Radrennfahrer Albert Richter und Toni Merkens sind zwei besonders beredte Beispiele für die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf den Radsport.

Im Gegensatz zu anderen Sportarten habe sich der deutsche Radsport noch nicht in ausreichendem Maße mit seiner NS-Vergangenheit auseinandergesetzt, stellt Buchautor Dieter Vaupel fest. Dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wirft er sogar weitgehende Interesselosigkeit und einen Mangel an Sensibilität vor. Der Pädagoge und Politologe hat einen Lehrauftrag für Geschichtsdidaktik an der Universität Kassel und ist aktiv dem Radsport verbunden.

Rar gesät: Publikationen zum Thema Radsport in der NS-Zeit

Seine Studie beleuchtet die nach Hitlers Machtübernahme rasch einsetzende Verflechtung zwischen dem BDR und den Machthabern. Dass er das Buch jetzt in Köln vorstellte, war kein Zufall, denn aus Köln kamen die bislang einzigen deutschen Publikationen zum Thema Radsport in der NS-Zeit. Entsprechend oft griff Vaupel in seiner Studie darauf zurück. Eingeladen hatte das Kölner Friedensbildungswerk.

„In vorauseilendem Gehorsam“, so Vaupel, habe sich der organisierte Radsport schon im April 1933 nicht nur den nationalsozialistischen Machthabern angedient. Die Radsportverbände machten sich auch umgehend daran, jüdische Sportler aus ihren Reihen auszuschließen – mehr als zwei Jahre bevor die Nürnberger Rassegesetze in Kraft traten. Umgekehrt spannten die Nazis die Radsportler umfassend und effizient in ihre Propaganda-Maschinerie ein, indem Sportler und Veranstaltungen instrumentalisiert wurden. Der Sport war ohnehin wichtiger Teil der „Wehrertüchtigung“. Die Radfahrer bildeten da keine Ausnahme. Dem Fahrrad kam überdies sogar militärische Bedeutung zu.

Köln als Zentrum des deutschen Radsports

Mehrere Stars dieser Zeit kamen aus Köln, das ohnehin schon seit den 1920er Jahren ein Zentrum des deutschen Radsports war. Toni Merkens beispielsweise passte sich den Machthabern an. Er verschob sogar seine Profikarriere, weil auf ihm große Hoffnungen auf einen Olympiasieg 1936 ruhten. Die erfüllte er auch. Merkens erhielt, wie andere deutsche Olympiasieger auch einen Eichenbaum-Schössling, den er später an der Müngersdorfer Radrennbahn einpflanzte. Der Baum steht heute noch.

Kritikwürdig und bedenkenswert findet Autor Dieter Vaupel allerdings, dass schon 1948 in Erinnerung an den Olympiasieger neben die Eiche von der Stadt Köln ein Gedenkstein gesetzt wurde, auf dem ausgerechnet der Nazi-Spruch „Wachse und rufe zu weiterer Tat“ eingemeißelt ist. Merkens war während des Zweiten Weltkriegs 1944 an den Folgen einer Kriegsverwundung gestorben.

Albert Richter lehnte sich gegen die Nationalsozialisten auf

Dagegen sei der Umgang mit dem Schicksal von Albert Richter geradezu exemplarisch für den Umgang mit der NS-Vergangenheit, wie er auch in anderen Bereichen von Gesellschaft und Politik stattgefunden habe. Auch Albert Richter war ein gefeierter Star. Amateur-Weltmeister 1932 und zwischen 1933 und 1939 jährlich Deutscher Meister im Sprint. Gegenüber den Nazis verhielt er sich distanziert, verweigerte den Hitlergruß und das Tragen des Hakenkreuz-Trikots. Er pflegte die Freundschaft zu internationalen Radsportlern und hielt zu seinem jüdischen Trainer Ernst Berliner. Dadurch geriet er ins Visier der Gestapo, die ihn erwischte, als er Ende 1939 in die Schweiz reisen und dabei einen hohen Geldbetrag außer Landes schmuggeln wollte. Im Lörracher Gestapo-Gefängnis starb er unter ungeklärten Umständen. Offiziell war von Selbstmord die Rede.

Grabstein auf dem Friedhof

Das Grab Albert Richters auf dem Ehrenfelder Friedhof ist ein Ehrengrab der Stadt.

Nach ersten Gesten der Erinnerung in der Nachkriegszeit seien Richter und seine sportlichen Verdienste lange Zeit in Vergessenheit geraten und verdrängt worden, stellt Vaupel fest. Erst ab den 1990er Jahren gab es eine ernsthafte Erinnerungskultur an den „Vergessenen Weltmeister“, wie der Titel der von Renate Franz verfassten Richter-Biografie lautete. Das Grab von Albert Richter auf dem Ehrenfelder Friedhof ist ein Ehrengrab der Stadt Köln.


Die Studie „Radsport im Nationalsozialismus“ ist im Verlag „Die Werkstatt“ erschienen. 208 Seiten, 29,90 Euro. ISBN-Nr: 978-3-7307-0655-8.