Historisches KölnWie Kaufhof einst zum modernsten Kaufhaus Europas aufrückte
Köln-Innenstadt – Viel ist berichtet worden – natürlich auch in dieser Zeitung – über die Dauer-Krise der Warenhäuser. Der Höhepunkt der negativen Entwicklung ist die Fusion der beiden großen Ketten Kaufhof und Karstadt mit der Folge, dass Tausende Jobs wegfallen. Die Zentrale des gemeinsamen Unternehmens wird nicht etwa in Köln sein, wo Kaufhof seit jeher seinen Sitz hatte, sondern in Essen. Oft sind die Berichte über die Fusion mit Bildern eines Kaufhauses illustriert worden, das der Kaufhof-Traditionsstandort schlechthin ist: Das Warenhaus an der Ecke Hohe Straße/Schildergasse/Gürzenichstraße, das vor 105 Jahren eröffnet worden ist.
„Der Neubau ist eröffnet. Wir laden höflichst ganz Köln und Umgebung zum Besuche ein“: Am 14. April 1914 wird unter riesigem Gedränge Europas seinerzeit größtes und modernstes Warenhaus eröffnet: Das Kaufhaus Leonard Tietz.
Seit 1891 in Köln
Der Namensgeber, 1849 geboren in Birnbaum, tief im Osten der Provinz Posen, steigt mit nur neun Jahren in die Gemischt- und Textilwarenläden entfernter Verwandter in Prenzlau ein. Als Jugendlicher besucht er Handelsmessen in Frankfurt und Leipzig, als junger Mann ist Tietz Experte in Sachen Bekleidung und Textilien, schreibt der „Express“.
1878 eröffnet der jüdische Kaufmann sein erstes eigenes Textilgeschäft mit Woll- und Tuchwaren in Stralsund – der Grundstein für seine Warenhauskette. Feste Preise und Verkauf nur gegen Bares lautet Tietz’ Prinzip. Die erste, 25 Quadratmeter große Filiale wird 1882 in Elberfeld eröffnet, dort entsteht auch der Unternehmenssitz. 1891 zieht es Tietz nach Köln – in der Hohe Straße 23-25 eröffnet er sein erstes Textilgeschäft in der Stadt. Weitere folgen in der Breite Straße, der Weyerstraße, der Ehrenstraße oder am Eigelstein. Schon drei Jahre später ist das erste Geschäft zu klein.
Der Kaufmann hat an der Hohe Straße 45 schon ein Grundstück von 1000 Quadratmetern erworben. Ein Jahr später preist er das neue Haus: „Das größte Sortimentgeschäft am Platze. Geschäftshaus, Sehenswürdigkeit der Stadt. Personen-Fahrstuhl nach allen Etagen zur freien Benutzung.“ Tietz setzt auf Expansion. Nach und nach kauft er die angrenzenden Grundstücke – und besitzt schließlich ein durchgehendes Filetstück, das bis zur Straße An St. Agatha reicht. Er lässt das alte Haus abreißen und 1902 durch einen prächtigen Jugendstilbau ersetzen – das erste Warenhaus mit einem kompletten Sortiment.
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Es wird zum Stammhaus des inzwischen zur Aktiengesellschaft umgewandelten Familienunternehmens. Als Krönung seines Lebenswerks nimmt Leonard Tietz 1912 den Ausbau in Angriff: An der Hohe Straße lässt er ein neoklassizistisches „Mehrabteilungs-Warenhaus“ mit 9000 Quadratmetern Fläche auf vier Etagen bauen.
Sieben Monate nach der Eröffnung am 14. April 1914 erliegt Leonhard Tietz mit 65 Jahren einer Krebserkrankung. Wenige Tage später wird er auf dem jüdischen Friedhof in Bocklemünd beigesetzt. Seinem Sohn Alfred Leonhard hinterlässt der Kaufhaus-König ein Imperium mit 5000 Angestellten in rund 25 Kaufhäusern in ganz Europa. Das Unternehmen macht 84 Millionen Mark Umsatz.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden auch die von Juden geführten Kaufhäuser „arisiert“: Im Juni 1933 wird aus der Leonard Tietz AG die „Westdeutsche Kaufhof AG“ mit dem Zusatz „vorm. Leonhard Tietz AG“. 1936 entfällt auch der. Die Familie muss ihre Anteile unter Wert an Banken abgeben, emigriert und wird nach dem Krieg mit fünf Millionen Mark entschädigt. (red)