AboAbonnieren

TheaterprojektHolocaust-Zeitzeugen sprechen mit Kölner Schülern über das Erlebte

Lesezeit 3 Minuten
4_Proben an der IGIS Köln_flo

Die Jugendlichen proben ihr Theaterstück in der Sporthalle der integrierten Gesamtschule Innenstadt.

Innenstadt – Herbert Rubinstein wurde 1936 in Czernowitz als Sohn eines jüdischen Ehepaares geboren. Seinen Vater sollte er vier Jahre später zum letzten Mal sehen, als dieser von der Sowjetischen Armee eingezogen wurde.

Rubinstein und seine Mutter werden in ein Ghetto umgesiedelt, der Deportation in ein Konzentrationslager entkommen sie nur knapp. Am 8. Mai 1945 dann kapituliert Deutschland, Rubinsteins Vater aber soll das nicht mehr erleben. Er wird fünf Tage vor Kriegsende von den Nazis erschossen: „Bis heute ist dieser Tag für mich ein Tag der Trauer“, so Rubinstein.

Dialog zwischen Alt und Jung

Es sind schmerzliche Erinnerungen, aber der inzwischen 85-Jährige ist bereit, über das Erlebte zu sprechen. Immer wieder sucht er den Dialog mit der jüngeren Generation. Zuletzt tat er dies im Rahmen des Theaterprojektes „Gedächtnisprotokolle der Sprachlosigkeit“ vom Bundesverband für Information & Beratung für NS-Verfolgte. Gemeinsam mit dem Schauspiel Köln, der integrierten Gesamtschule Innenstadt (IGIS) und der Gesamtschule Bergheim hat dieser ein Theaterstück auf die Beine gestellt, das auf Interviews mit Zeitzeugen wie Herbert Rubinstein beruht.

1_Herbert Rubinstein_flo

Zeitzeuge Herbert Rubinstein: „Wir sind alle dazu verpflichtet, anständige Menschen zu sein.“

Über ein ganzes Schuljahr hinweg haben sich die Jugendlichen mit der Thematik auseinandergesetzt, wurden von Journalisten im Führen von Interviews geschult und konnten anschließend Fragen an Zeitzeugen und Überlebende stellen. Auf Grundlage dieser Gespräche wurde dann eine künstlerische und dokumentarische Umsetzung für die Bühne entwickelt, die Antworten auf die Fragen sucht, was der Holocaust mit der eigenen Familie und dem heutigen Leben zutun hat.

Das Schweigen brechen

Wie Projektleiterin und Regisseurin Svetlana Fourer erklärt, werde die titelgebende Sprachlosigkeit im Stück dabei gleich auf mehreren Ebenen thematisiert: Zum Einen sind da die Verbrechen der Nationalsozialisten, die sprachlos machen, zum Anderen aber werde häufig auch in den einzelnen Familien über die Thematik des Holocausts geschwiegen – in jüdischen, aber auch in deutschen Familien: „Es ist ein unbequemes Thema, man muss sich Fragen stellen und sich mit etwas konfrontieren, mit dem man sich nicht konfrontieren will“, so Fourer. Auch sie selbst ist eine Überlebende in zweiter Generation, die Erlebnisse ihrer Eltern aber wurden in der Familie tabuisiert: „Dabei ist es ganz wichtig, darüber zu sprechen, um die Mechanismen zu verstehen, die zu einer solchen Hetze und dem Verlust menschlicher Sichtweisen führen“, so die Regisseurin.

Das könnte Sie auch interessieren:

Diese Dringlichkeit sehen auch Maryam Mahdiyar und Hanna Nagy. Die beiden sind Teil des Import-Export-Kollektivs des Schauspiels Köln und haben eine eigene Interpretation der Thematik inszeniert. Während der Gespräche mit Zeitzeugen und deren Nachfahren sei ihnen noch einmal bewusst geworden, dass Antisemitismus und Diskriminierung noch heute verbreitet sind: „Dieses Thema spielt eine so große Rolle für Deutschland, wird aber leider gar nicht so sehr angesprochen und aufgearbeitet“, so Nagy.

Eigentlich sollte das gemeinsame Theaterprojekt des Kölner Schauspiels und der beiden Gesamtschule am Samstag, 8. Mai, seine Bühnenpremiere feiern. Nun aber wurde es ins Internet verlagert: Ab 20 Uhr können Auszüge des Projekts in einem Livestream angesehen werden, der auf der Website des Schauspiels Köln zur Verfügung gestellt wird. Eine Premiere vor Publikum soll dann so bald wie möglich nachgeholt werden. Mehr Informationen finden Sie hier.