Das Köln Lederwarengeschäft Voegels feiert seinen 100. Geburtstag. Der Chef erzählt, wie das Familienunternehmen das geschafft hat.
Kölner Fachgeschäft wird 100„Wir haben überlebt, weil wir uns stets gewandelt haben“
Im oberen Stockwerk bei Voegels sind derzeit Sprechstunden angesagt. Jungs und Mädchen, die nach den Sommerferien eingeschult werden, suchen sich hier – begleitet von Eltern oder oft auch den Großeltern – ihre Ranzen aus. Hunderte Modelle in allen möglichen Designs stehen hier in hohen Regalen. Es wimmelt von Einhörnern, Raumfahrer, Dinos.
Kein Wunder, dass so eine Sprechstunde, die online gebucht werden muss, 45 Minuten lang ist und große Spiegel bereitstehen. Martin Voegels, der das Familienunternehmen in dritter Generation führt, zeigt den neuen Clou: die Dinos, Einhörner, Raumfahrer und Fußballer haben eine Klett-Rückseite. „Wenn also mal wieder eine Rakete von Elon Musk explodiert oder „Felix, der Hase“ doch zu kindisch wird, dann kann man die Elemente einfach abnehmen und es bleibt nur noch der dezentere Hintergrund.“
Voegels fing mit Aktentaschen in einer kleinen Deutzer Fabrik an
Schulranzen gehören zu den Schwerpunkten der Firma, die am 10. Mai 1923, also vor 100 Jahren, gegründet wurde. Begonnen hat die Geschichte in Deutz – ohne Klettverschlüsse, aber mit viel Handarbeit. Gründer und Sattlermeister Franz Voegels baute an der Siegburger Straße eine kleine Lederwaren-Fabrik auf. Spezialität: Aktentaschen, Werkzeug- und Musterkoffer. Alte Fotos zeigen die Mitarbeiter an Zuschneidetischen und großen Nähmaschinen.
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Die Taschen wurden bald in ganz Deutschland verkauft, „Lederwaren Voegels“ wurde zum Begriff. Ab 1936, das verschweigt die Firmenchronik nicht, erhielt man Rüstungsaufträge für Militärartikel wie Pistolentaschen und Gewehrgurte. Damals gab es 65 Mitarbeiter, übrigens alles Männer. Lediglich in der Kriegszeit wurden auch Frauen eingesetzt. 1938 zog das Unternehmen an die Cäcilienstraße, ab 1954 in das mehrstöckige Gebäude mit der markanten Voegels-Werbung, direkt am Tunnel der Nord-Süd-Fahrt.
Die ausgebombte Firma rappelte sich nach dem Krieg wieder hoch – unter neuen Bedingungen. Schon in den 1960er Jahren wurde der Anteil der Eigenanfertigungen kleiner und es wurden Produkte anderer Hersteller ins Sortiment aufgenommen. 1995 wurde die Eigenproduktion schließlich ganz eingestellt. „Importe waren einfach kostengünstiger“, so Martin Voegels.
Und dann kam dem Unternehmen vor allem der Zeitgeist entgegen. „Je größer der Wohlstand der Gesellschaft wurde, desto mehr reisten die Menschen und die Nachfrage nach Reisegepäck wuchs und ist bis heute ungebrochen.“ Voegels konnte sich behaupten und zog 2015 in die neuen Geschäftsräume in der Ludwigstraße, etwas zurückversetzt von der Schildergasse.
Der Trend geht zu Rucksäcken
„Wir haben es geschafft, weil wir uns immer gewandelt haben und uns auf den Zeitgeist eingestellt haben“, sagt Voegels. Dabei gibt es durchaus Mitbewerber in unmittelbarer Nähe. Etwa Galeria Kaufhof, doch dort gebe es ein ganz anderes Sortiment und eine andere „Beratungssituation“. Das Traditionsgeschäft Offermann an der Breite Straße fand keinen Nachfolger, hier zog 2021 Leder Berensen ein, einer der größten Filialisten in Deutschland und ebenfalls „anders aufgestellt“. Es herrscht eine friedliche Koexistenz.
Laufkundschaft spielt bei Voegels eine untergeordnete Rolle. „Hier werden Zielkäufe gemacht.“ Das heißt, Kunden kommen hierher, um bestimmte Produkte und Marken zu kaufen oder sich beraten zu lassen. Leichte Alu-Koffer sind einer der großen Verkaufsschlager. Martin Voegels hat einen Reisekoffer von 1920 im Laden ausgestellt. Der wiegt 32 Kilogramm, heute gibt es Alu-Rollkoffer mit zwei Kilo.
Was nicht mehr so gut geht, sind Damen-Handtaschen. Voegels, der drei Töchter im Alter von 19, 23 und 25 Jahren hat, sieht das auch an seiner eigenen Familie. Im Gegensatz zu den Schulranzen hat sich bei den Aktentaschen, mit denen die Firma einst angefangen hat, die Machart kaum verändert. Allerdings geht auch da der Umsatz zurück. Der Trend geht zu Rucksäcken. Aber die gibt es hier natürlich auch.