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Kölns älteste Buchhändlerin„Bei den Lesungen sind schon Ehen entstanden“

Lesezeit 6 Minuten

Hildegund Laaf ist aus der Lengfeld’schen Buchhandlung nicht wegzudenken.

  1. Hildegund Laaff wurde 1937 in Stuttgart geboren. Seit 61 Jahren ist sie Wahlkölnerin und Buchhändlerin in der „Lengenfeld’schen Buchhandlung“ am Kolpingplatz.
  2. 1842 gegründet, wird sie seit 25 Jahren von Laaff und Carsten Saenger geführt. Sie wurde 2017 mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet.
  3. Für ihr Engagement und ihren Beitrag zum kulturellen Leben in der Stadt hat Hildegund Laaff 2014 den Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises erhalten.

KölnFrau Laaff, woran erkennt man ein gutes Buch?

Die meisten finden ein Buch gut, in dem sie sich selbst wiederfinden. Mit dem sie in eine Welt tauchen, wegfliegen und Abenteuer erleben können. Oder in dem sie ihre persönlichen Probleme wiederfinden, sei es die Mutter-Tochter-Beziehung, Eheprobleme oder sonst etwas.

Seit 61 Jahren sind Sie Buchhändlerin in Köln. Was lesen die Kölner am liebsten?

Oh, das ist so unterschiedlich. Der eine liest lieber einen Krimi, der andere einen Gesellschaftsroman oder Lyrik. Im Moment gibt es aber so eine Welle, die durch die Bücher des Eifeler Försters Peter Wohlleben ausgelöst wurde: zu den Themen Natur, Tiere und Garten.

Sie sind die älteste Buchhändlerin in Köln, trotzdem denken Sie nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Wie lange möchten Sie noch arbeiten und welche Projekte möchten Sie in der Buchhandlung unbedingt noch realisieren?

Ich bin täglich da, auch wenn ich als Rentnerin nicht viel dazuverdienen kann. Ich mache das aus Spaß: Das Lesen, die Bücher, das ist mein Hobby. Der Beruf ist mein Hobby. Der Kontakt mit den Kunden und die Gespräche sind mir sehr wichtig und ich möchte hier meine Langzeitlesungen fortführen. Für nächstes Jahr planen wir „Tristram Shandy“ von Laurence Sterne. Damit wollen wir einen neuen Kulturkreis ansprechen, und zwar den englischsprachigen. Zuerst haben wir mit Proust den französischen, dann mit Pessoa den portugiesischen und aktuell den russischen angesprochen. Jetzt muss was Englisches her.

Die Lengfeld’sche Buchhandlung wurde mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Deutschen Buchhandlungspreis. Was ist hier so besonders?

Dass sie 176 Jahre alt ist und die Literatur pflegt. Die Atmosphäre hier lädt zum Lesen ein: Mit dem Sessel, der Couch und den Teppichen. Der Kunde kann sich in Ruhe hinsetzen und ein, zwei Seiten in einem Buch lesen und entscheiden, ob ihm der Stil gefällt. Uns zeichnen auch die Langzeitlesungen aus: Einen Autor wie Marcel Proust haben wir über sieben Jahre zweimal im Monat vorlesen lassen, oder Pessoa über zwei Jahre. Zurzeit wird „Oblomow“ von Gontscharow vorgelesen. Das bindet die Kunden an uns und ermöglicht das Kennenlernen der Kunden untereinander. Die Gespräche, die nach den Lesungen stattfinden, sind etwas ganz Besonderes. Da sind viele Freundschaften entstanden – und sogar schon Ehen.

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Wie steht es mit der Literatur in Köln? Kann man von einer Literaturstadt sprechen?

Oh ja! Wir haben ein sehr lebendiges Literaturhaus, ein sehr gutes junges Literaturhaus, die Lesungen für Jugendliche anbieten. Dann die lit.Cologne und all die Buchhandlungen mit ihren Lesungen. Ich selbst gehe sehr gern ins Literaturhaus, aber auch in die Kulturkirche. Aber ich kann nicht alles aufnehmen. Ich gehe auch gern in die Oper und in Tanzvorstellungen. Wir haben zwar kein festes Ensemble, aber Gastspiele, was ich großartig finde, weil man so viel kennenlernt, was aus anderen Städten kommt. Das ist ein riesiges Spektrum, was man hier erleben darf.

Wie hat sich die Innenstadt verändert und was bedeutet das für Ihren Laden?

Die Innenstadt hat sich kolossal verändert. Die qualitativ hochwertigen Geschäfte schließen, wie das Bekleidungshaus Sauer gegenüber oder das Schuhhaus Herkenrath. Wie viele Firmen sind gerade aus der Innenstadt weggezogen? Der Kundenfluss hat sich dadurch stark geändert. Uns fehlen die Kunden, die früher bei Sauer gekauft haben. Weil die Hohe Straße so unattraktiv ist, gibt es aber sehr viele, die die Nebenstraßen nutzen und davon profitieren wir. Auch das Kolumba-Museum und Manufactum ziehen die Leute hierhin. Gute Nachbarschaft ist immer ein Gewinn.

Stört sie noch etwas an Köln?

Im Moment gefällt mir die Innenstadt einfach nicht, weil es zu viele Baustellen gibt. Weil es dadurch sehr schmutzig ist. Wenn Sie mal durch die Altstadt gehen, werden Sie kaum eine Straße sehen, in der es keine Baustelle gibt.

Gibt es Bücher, die Sie niemals verkaufen würden?

Nein, ich verkaufe jedes Buch, wenn es gefragt wird. Ich muss aber nicht jedes Buch vorrätig haben, ich kann jedes Buch bestellen. Wir kennen unsere Kunden und wissen, was sie suchen. Wir führen weder Esoterik noch Science Fiction. Das erwartet hier keiner.

Welche Bücher haben die größten Spuren bei Ihnen hinterlassen?

Die größten Spuren haben einst die Klassiker bei mir hinterlassen, die größte Spur Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Als Kind haben mich „Pu der Bär“, „Robinson Crusoe“ von Defoe oder Swifts „Gullivers Reisen“ in eine ganz andere Welt versetzt. Oder „Der geheime Garten“ und „Der kleine Lord“. Das war so schön.

Viele Kinderbücher fallen Ihnen da ein. Auch in der Buchhandlung legen Sie viel Wert auf Kinder- und Jugendliteratur und Lesungen für Kinder. Was wünschen Sie sich für künftige Lesegenerationen in Zeiten des Smartphones?

In meiner Kindheit gab es nichts zu lesen, das musste ich dann viel später nach dem Krieg nachholen, als ich schon in der Buchhandelslehre war. Wenn die Eltern lesen, lesen auch die Kinder. Ich wünsche mir, dass die Kinder das Erlebnis haben, in ihre Kinderbuchwelt eintauchen zu dürfen. Unsere Kinderlesungen sind zwar gut besucht, aber nicht so wie die Erwachsenenlesungen. Kinder sind heutzutage viel beschäftigt, auch an den Wochenenden. Wenn sie aber herkommen, sind sie sehr konzentriert, da es eine fremde Umgebung ist und sie sich ernst genommen fühlen. Man kann nicht genug machen, um Kindern die Fantasiewelt zu eröffnen. Es gibt nach wie vor Elternhäuser, in denen es kein Buch gibt.

Lesen Sie auch Kölner Autoren?

Wer mir da immer wieder einfällt ist Dieter Wellershoff, früher Böll, den ich selbst auch noch kennenlernen durfte, Stefan Weidner, Kermani. Literaten, die bundesweit weltweit bekannt sind und übersetzt werden.

Der Trend geht dahin, dass die Menschen eher zu Lesungen gehen als selbst für sich zu lesen. Es gibt immer mehr Literaturfestivals. Wie stehen Sie dazu?

Was mich bei diesen ganzen Eventlesungen stört ist, dass es nur Häppchen sind. Diese Häppchen sollen natürlich dazu anregen, das ganze Buch zu lesen. Das macht aber nur ein kleiner Prozentsatz der Zuhörer. Das finde ich immer schade für Buch und Autor. Veranstalter suchen eher das heraus, was besonders gut beim Kunden ankommt. Ich vermisse dann das Interesse, das Buch auch komplett lesen zu wollen.

…weswegen Sie die Langzeitlesungen durchführen. Wann finden Sie denn die Zeit zum Lesen?

Ich lese abends. Zuhause habe ich keinen Fernseher. Im Moment beschäftige ich mich sehr stark mit der georgischen Literatur, da Georgien Gastland auf der Frankfurter Buchmesse war. Das ist so ein kulturreiches Land, was mir vorher nicht präsent war. Meine Liebe ging zu den romanischen Ländern: Frankreich, Portugal, Spanien, Italien. Neuerscheinungen lese ich auch, damit ich dem Kunden etwas anbieten kann.

Welches Buch können Sie Menschen empfehlen, die Köln nicht kennen, um Köln kennenzulernen?

Es gibt sehr gute Führer. Der beste ist für mich nach wie vor der Reclam-Führer von Hiltrud Kier, in dem alles präzise erklärt wird. Keine Einkaufstipps, sondern nur Kultur und Architektur. Bei der Reihe Merian-Porträt gibt es ein Buch über Persönlichkeiten, „Eine Stadt in Biografien“, die in Köln gelebt haben, sodass man Hintergrundwissen erhält, wenn man eine Straße oder einen Platz sieht.

Was können Sie aktuell noch als Lektüre empfehlen?

Wenn man träumen will, dann sollte man „Landpartie“ von Eduard von Keyserling lesen.