- Vor 24 Jahren hat Johann Schumandl seine Buchhandlung in Köln eröffnet.
- Geboren wurde er 1952 im ehemaligen Jugoslawien. Mit drei Jahren kam er nach Deutschland.
Köln – „Der beste Buchladen der Welt!“ Das sagt der Regisseur und Stammkunde Heinrich Breloer spontan, als er gerade in dem Geschäft am Chlodwigplatz ein Buch abholt. Den Laden hat der gelernte Buchhändler Johann Schumandl vor 42 Jahren eröffnet. Doch jetzt muss er aus gesundheitlichen Gründen sein „Kind“, wie er es nennt, verlassen.
In einigen Wochen übernimmt das Unternehmen Mayersche das Geschäft. Schumandl erzählt, wie er sich mit dem bevorstehenden Abschied fühlt 2 am 28. Februar ist für ihn Schluss – und wie die Südstadt sich im Laufe der Zeit verändert hat.
Herr Schumandl, wie kamen Sie eigentlich zur Ihrer Buchhandlung?
Ich komme aus dem ehemaligen Jugoslawien und bin in Süddeutschland aufgewachsen. Mit 17 fing ich dort eine Buchhändler-Lehre an. Nach meinem Abschluss habe ich vier Jahre lang in Brühl und in der Bücherstube am Dom gearbeitet. Auf die Idee mit der eigenen Buchhandlung kam ich mit einer Kollegin. In den Siebziger Jahren gab es in etablierten Buchhandlungen noch Widerstand gegen bestimmte literarische Strömungen, politisch linke Literatur zum Beispiel. Wir wollten einen Buchladen in der Südstadt eröffnen, der alle Strömungen vertritt. Genau an meinem 24. Geburtstag, dem 28. Mai 1976, eröffneten wir dann unsere Buchhandlung am Chlodwigplatz.
Sie kennen die Südstadt mittlerweile wahrscheinlich wie Ihre eigene Westentasche. Was hat sich in den letzten 42 Jahren verändert?
Ich bin schon vor der Eröffnung der Buchhandlung hierher gezogen, im Jahr 1974. Damals war das Viertel deutlich vom Krieg gezeichnet und noch nicht so beliebt wie heute. Mit der Stollwerck-Besetzung im Jahr 1980 wuchs die kulturelle Vielfalt. Studenten und Künstler feierten Partys im Kachelsaal, es wurden viele Theaterstücke aufgeführt und Konzerte gegeben. So wurden auch bekanntere Persönlichkeiten aus der Kunstszene zu meinen Kunden.
Hat sich auch die Kundschaft mit der Südstadt verändert?
Bis Ende der 1970er Jahre gab es hier viel günstigen Mietwohnraum, später dann immer mehr Eigentumswohnungen. Die Sozialstruktur hat sich damit unglaublich geändert.
Lesen Ihre Kunden heute andere Bücher als früher?
Im Rahmen der 68er-Bewegung wurde politische Literatur immer beliebter. Es war der Anfang der Frauenbewegung und dementsprechend verkaufte sich auch die Frauenliteratur immer mehr. Heute sind Bücher zur Ernährung im Trend. Mit der wachsenden Reiselust ist unsere Reiseführer-Abteilung nun auch relativ groß geworden.
Was lesen Sie denn gerne?
Ich mag Bücher, die sich mit dem Judentum oder mit der Geschichte und der Gesellschaft Kölns beschäftigen. Zudem lese ich gerne zeitgenössische Literatur, vor allem amerikanische und französische Bücher aus dem 20. Jahrhundert.
Gibt es ein Ereignis in der Buchhandlung, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Da gibt es eine unschöne Geschichte. Am 9. November 1988 war der 50. Jahrestag der Reichspogromnacht. Wir hatten unser Schaufenster mit jüdischer Literatur und einer Menora (jüdischer Kerzenständer, Anm. der Redaktion) dekoriert. In der Nacht wurden dann das Fenster und der Fußweg komplett mit Hakenkreuzen vollgeschmiert. Grausam.
Können Sie sich auch an eine schöne Anekdote erinnern?
An sehr viele sogar. Besonders dankbar bin ich dem Kölner Autoren Dieter Wellershoff, der schon zu Beginn hier eine Willkommenslesung veranstaltete, ohne ein Entgelt zu verlangen. Seine Lesungen haben den Laden über Jahrzehnte begleitet.
Gibt es auch nervige Kunden?
Gab es auch Kunden, die Sie genervt haben?
Nein. Über die letzten 40 Jahre hat sich ein unglaublich toller Kundenstamm entwickelt, mit dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe.
Was macht Ihnen beim Kontakt mit Kunden besonders Spaß?
Am meisten Spaß macht es mir, wenn der Kunde ein Buch sucht und mir nur einige Fakten dazu nennen kann. Das ist dann wie ein Rätsel für mich. Je nebulöser ihre Aussagen, desto spannender ist die Herausforderung. Mittlerweile habe ich eine Intuition entwickelt, die mir dabei hilft, die Titel herauszufinden. Der Kunde sollte überhaupt keine Scheu haben, Fragen zu stellen. Der Dialog mit den Kunden ist mir sowieso sehr wichtig. Über sie kann man Bücher entdecken. Mich in meinem Sortiment an ihre Wünsche anzupassen finde ich sinnvoller, als von oben herab zu diktieren, was gelesen werden soll.
42 Jahre lang einen Buchladen zu führen war bestimmt nicht immer einfach. Was hat Sie motiviert?
Als ich mit 24 Jahren den Laden eröffnet habe, machte ich mir keine großen Gedanken darüber, wie sich das auf mein Leben auswirken könnte. Ich wollte gerne frischen Wind in den Buchhandel bringen und ein breiteres Angebot schaffen. Viele Leute trauten sich nicht, in eine Buchhandlung zu gehen. Ich wollte ihnen diese Schwellenangst nehmen.
Wie geht es Ihnen mit dem bevorstehenden Ruhestand?
Ich bin sehr gerührt von den Kunden, die sich bei mir für all die Jahre bedanken. Die Buchhandlung gehört mittlerweile zum Bild der Südstadt dazu. Es ist natürlich nicht einfach, meinen Laden abzugeben. Sie ist sozusagen mein Kind. Es ist schon eine Art Verlust. Aber ich glaube, wir haben die beste Lösung gefunden, indem wir sie von der Mayerschen übernehmen lassen. So bleibt sie ein Buchgeschäft und wird nicht zu einem Drogeriemarkt oder dergleichen. Ich kann mir vorstellen, hier auch im Ruhestand oft herzukommen.
Wie kam es dazu, dass die Mayersche Ihren Buchladen übernommen hat?
Das Aufkaufen eines Buchhandels ist heutzutage eine sehr riskante Investition. Ich habe dafür einen Betriebsberater engagiert, der dann den Kontakt zur Mayerschen organisiert hat. Sie ist übrigens auch ein Familienbetrieb und erscheint mir nicht so anonym wie viele andere Buchhandlungen. Alle meine Mitarbeiter werden übernommen. Ich bin zuversichtlich, dass der Charakter der Buchhandlung auch nach der Übernahme erhalten bleibt.