Innenstadt – Kunst- und Kulturschaffende haben es seit dem Beginn der Corona-Pandemie nicht leicht. Veranstaltungen und Ausstellungen müssen regelmäßig abgesagt oder verschoben werden, die Möglichkeiten zur künstlerischen Entfaltung schwinden. Am Ebertplatz aber herrscht zurzeit ein kulturelle Betriebsamkeit, wie man sie dieser Tage selten antrifft: In den Galerien der Ebertplatzpassagen finden gerade zehn Ausstellungen parallel statt, die auch während des Lockdowns erfahrbar sind.
Zusammenschluss der Galerien
Auf die Beine gestellt werden die Präsentationen vom Brunnen e.V., einem Zusammenschluss der Galerien vor Ort. Die älteste von ihnen ist das „Labor”, das seit etwa 15 Jahren am Ebertplatz ansässig ist - und deren aktuelle Gruppenausstellung passend zum Lockdown den Titel „geschlossen” trägt: „Die Leute sind hungrig nach Kunst und Kultur”, erzählt Kurator Michael Nowottny, „jeden Tag kommen Menschen hierher, um sich die Arbeiten der Künstler anzusehen.” Und das ist auch in Zeiten von Corona möglich. Sämtliche Ausstellungen am Ebertplatz sind nämlich von außen einsehbar: „Wir haben das Glück, dass wir durch unsere großen Schaufenster trotz Pandemie Ausstellungen realisieren können”, erklärt Ihsan Alisan, der den Präsentationsraum „Mouches Volantes” betreibt. Gemeinsam mit Agustina Andreoletti von der „Gemeinde Köln” und Meryem Erkus von der Galerie „Gold + Beton” präsentiert Alisan derzeit die Ausstellungsreihe „WELL* am Ebertplatz”.
Schwarze und queere Persönlichkeiten
Von Februar bis Oktober zeigen die drei Kunsträume Werke von über 20 Künstlerinnen und Künstlern, die politischen Aktivismus, Diversität und Internationalität als gemeinsam Nenner haben. In der Gemeinde Köln ist so derzeit eine Ausstellung des Kollektivs Demask zu sehen, die sich dem Sichtbarmachen schwarzer und queerer Persönlichkeiten widmet - und auch dem Schicksal schwarzer Transsexueller, die immer wieder zum Opfer hassmotivierter Gewalttaten werden. Um alternative Konzepte von Sexualität und Geschlechtsidentität geht es auch in der Ausstellung „Semihard” des Künstlers Steffen Jopp, die noch bis März in der Galerie „Mouches Volantes” zu sehen ist. Jopp beschäftigt sich in seiner Fotoinstallation und seinen Edelstahlskulpturen mit der zerbrechlichen Konstruktion der eigenen Identität und stellt die klassischen Attribute des Männlichkeitsbegriffs in Frage.
In der Galerie Gold + Beton hingegen ist zurzeit ein Projekt des Künstlers Yoshinori Niwa beheimatet: Im Schaufenster der Galerie prangt die in provokanter Ästhetik gestaltete Frage „Sie sorgen sich um die Uniform Ihres Nazi-Opas, die immer noch im Keller liegt?” Darunter ist eine Telefonnummer angegeben, bei der man sich melden kann, wenn man familiäre Relikte aus der NS-Zeit abzugeben hat. Alternativ kann man diese auch in einen Altkleidercontainer auf dem Ebertplatz werfen - im Anschluss werden die Fundstücke dann professionell zerstört: „In den Familien gibt es keine vernünftige Vergangenheitsbewältigung”, erklärt Meryem Erkus, die Betreiberin der Galerie: „Wir fordern die Menschen auf, sich mit der Vergangenheit ihrer Familie auseinanderzusetzen.”
Erkus' habe aber den Eindruck, dass nicht viele Menschen dieser Aufforderung nachkommen würden - immerhin bedeute die Konfrontation mit den Taten der Vorfahren auch Überwindung und Eingestehen. Einen besseren Standort für den Container als den Ebertplatz hätte es indes nicht geben können - schließlich hieß dieser bis 1945 noch Adolf-Hitler-Platz.
Bilder einer transsexuellen Tänzerin zerstört
Dass aber auch heute noch nicht alle Hürden für Minderheiten genommen sind, wurde am Ebertplatz kürzlich noch einmal deutlich: Die Künstler Chrisi Knak Tschaikowskaja, Julian Quentin und Isaac Espinoza Hidrobo gestalteten Plakate, die am Ebertplatz ausgehangen und dann zerstört wurden. Auf den Plakaten abgebildet ist die transsexuelle Tänzerin Hidrobo, mit freiem Oberkörper in einer kraftvollen Geste festgehalten: „Wir gehen davon aus, dass die Plakate aus nicht besonders lobenswerten Motiven abgerissen wurden”, erzählt Tschaikowskaja: „Beim ersten Mal hielten wir es für wahllosen Vandalismus. Als sie ein zweites Mal beschädigt wurden, wussten wir, dass da jemand gezielt gegen queeren, diversen Aktivismus vorgehen möchte.”
Für den Brunnen e.V. ist ein solches Handeln nicht tolerierbar, erklären die Mitglieder des Vereins. Sie plakatierten die Bilder erneut und wollen damit ein Zeichen setzen: „Wir lassen das nicht zu und sind solidarisch mit den Künstlerinnen”, sagt Ihsan Alisan, „das ist ein wichtiges Symbol für die Kunstfreiheit.”