Die Zeichen stehen auf Verständigung: Stadt, Anwohner und Wirte betonen, sie wollen das gemeinsame Gespräch suchen.
Lärmwerte zu hochWas die Wirte auf der Schaafenstraße in Köln denken – Kläger äußert sich

In der Corona-Zeit (hier eine Szene vom 23. Juli 2021) bewachte zeitweise abends Security die Schaafenstraße, weil Jugendliche am Treffpunkt der Queer-Szene randaliert hatten.
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Schaafenstraße, Dienstagmittag. Die Motorengeräusche der Autos sind um die Mittagszeit der dominierende Lärm. Autofahrer suchen abseits der Ringe einen Parkplatz, Passanten halten sich hier nicht auf, sondern eilen Richtung Ring. Über der Straße hängt ein Duft von Eintopf mit Würstchen.
Das kleine Lokal „Gernys Schnelleinkauf“ zwischen der Kneipe Ex-Corner und der Mumu-Bar bietet täglich einen warmen Mittagstisch für Mitarbeitende aus den umliegenden Büros an. Ein Kunde in der Schlange hat den Bericht vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ über das Lärmgutachten gelesen, sagt aber: „Wir arbeiten hier nur und bekommen nichts mit von dem mit, was abends hier passiert.“
Auch mit dem Anwohner, auf dessen Initiative hin die Stadt Köln im September ein Lärmgutachten in der Schaafenstraße erstellen ließ, konnte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag sprechen. Der Mann lebt seit den 50er Jahren in der Straße im Mauritiusviertel, vermietet dort auch Wohnungen. Vor dem Verwaltungsgericht hatten er und die Stadt sich voriges Jahr im Frühjahr darauf geeinigt, zunächst keinen weiteren Rechtsstreit zu führen. Im Gegenzug hatte die Stadt sich verpflichtet, auf eigene Kosten ein Lärmgutachten erstellen zu lassen. Das liegt jetzt vor. Über den Inhalt teilt die Stadt auf Anfrage nichts mit.
Köln: Lärmwerte auf der Schaafenstraße teils deutlich zu hoch
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen die im September an der Schaafenstraße gemessenen Werte aber in mehreren Nächten den zulässigen Grenzwert von 45 Dezibel teils deutlich überschritten haben, der Spitzenwert soll bei 89 Dezibel gelegen haben. Zum Vergleich: Das ist etwa so laut wie eine Kreissäge oder ein vorbeifahrendes Moped. Gesetzlich toleriert werden nachts nur vereinzelte Geräuschspitzen von höchstens 65 Dezibel.

Seit vielen Jahren gilt die Schaafenstraße (hier ein Archivbild von 2021) mit ihren Clubs und Bars als Hotspot der queeren Szene in Köln.
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Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die Kanzlei Görg, die den Anwohner vor dem Verwaltungsgericht vertreten hat, teilt auf Anfrage mit, man werde als nächstes das Gespräch mit der Stadt suchen. Es sei „erfreulich, dass die Stadt in dieser Angelegenheit nunmehr nach langjährigen Bemühungen des Mandanten konstruktiv auf diesen zugehen“ würde.
Stadt will mit Akteuren auf der Schaafenstraße das Gespräch suchen
Die Stadt sagt: Nach Abschluss der Auswertung des Lärmgutachtens werde die Verwaltung mit beteiligten Akteuren Gespräche führen, „um die Ergebnisse und mögliche Maßnahmen zu besprechen“.
Die Wirtegemeinschaft Schaafenstraße teilt auf Anfrage mit: „Wir sind schon seit Jahren bemüht, etwaige Lärmbelästigungen durch die Gäste und Besucherinnen und Besucher so weit wie möglich zu verhindern.“ Dafür stehe man im Kontakt mit der Nachbarschaft der Schaafenstraße sowie der anliegenden Straßen.
Zudem hätten die Wirte auch „für Wochenenden und vor Feiertagen Sicherheitskräfte beauftragt, um die Gäste anzusprechen und dazu anzuhalten, Rücksicht auf die Nachtruhe der Nachbarschaft zu nehmen“. Mehr wolle man zunächst nicht sagen, „da uns das Gutachten bisher nicht vollumfänglich vorliegt“. Die Gastronomen möchten zunächst die Gespräche mit der Stadt und anderen Akteuren abwarten.
Ich bin Kölner, in Köln geboren, und wir Kölner sind ja eigentlich gar nicht kleinlich
Und was sagt der Anwohner, der geklagt hat, selbst? Er sei Kölner, in Köln geboren, „und wir Kölner sind ja eigentlich gar nicht kleinlich“, betont er am Telefon. Aber der Partylärm in der Schaafenstraße vor allem nachts und an Wochenenden bei schönem Wetter sei in den vergangenen Jahren einfach zu viel geworden. Das Geschrei, das Gejohle, die Rufe. „Das ist fast so wie an Karneval auf der Zülpicher Straße. Die Leute holen sich ihre Getränke am Kiosk und stellen sich dann damit auf die Straße. Vor allem an der Sparkasse sammeln sich immer alle, da ist es wegen der Überdachung dann besonders laut.“
Er verstehe sogar die Wirte, die sich gegen Sperrungen oder Verweilverbote wehren, sagt der Mann, der seinen Namen nicht gerne in der Zeitung lesen möchte. Aber er wolle eben auch, dass er und seine Mieter in Ruhe schlafen könnten. Eine klare Vorstellung davon, wie man die Situation auf der Schaafenstraße für alle Seiten erträglich lösen könnte, habe er nicht. Aber Ruhezeiten, sagt er, die wünsche er sich schon.
Schaafenstraße: Bierflaschen, Wildpinkler und benutzte Kondome
Eine ehemalige Anwohnerin hat am Dienstagmittag gerade ihre Tochter besucht, die seit rund zehn Jahren auf der Schaafenstraße wohnt. „Ich bin vor vier Jahren nach Köln gezogen, auch auf die Schaafenstraße und habe mich furchtbar über den Lärm aufgeregt. Mittlerweile wohne ich im Königsforst“, sagt die Frau, die anonym bleiben möchte. Grölend seien die jungen Leute zum Teil bis in den frühen Morgen durch die Straße gezogen. „Sie haben die Bierflaschen einfach irgendwo abgestellt, in die Einfahrten gepinkelt oder ihre Kondome dort hinterlassen.“ Ihrer Meinung nach sollten die Kneipen dazu verpflichtet werden, ab Mitternacht ihre Gäste ruhig zu halten.
Nun ist erst einmal die Stadt gefragt. Sie muss auf die hohen Messwerte im Gutachten reagieren und den Gesundheitsschutz der Anwohner durchsetzen – wie, das ist derzeit noch unklar. Im äußersten Fall könnten in Kölns „Bermudadreieck“ der LGBTQIA+-Community Verhältnisse drohen wie neuerdings auf dem Brüsseler Platz – mit nächtlichen Verweilverboten für Fußgänger und Sperrstunden für die Gastronomie ab 22 Uhr. Möglicherweise finden die Beteiligten aber auch eine elegantere Lösung.