Ein Lärmgutachten soll teils gesundheitsgefährdende Lautstärkenwerte auf der vor allem in der queeren Community beliebten Schaafenstraße ergeben haben.
Partylärm in KölnDroht auf der Schaafenstraße ein Verweilverbot wie auf dem Brüsseler Platz?

Seit vielen Jahren gilt die Schaafenstraße (hier ein Archivbild von 2021) mit ihren Clubs und Bars als Hotspot der queeren Szene in Köln.
Copyright: Matthias Heinekamp
Der weltweit beliebte Reiseführer „Lonely Planet“ bezeichnet die Schaafenstraße in Köln als „Epizentrum“ queerer Kultur, Kölntourismus nennt sie einen „Hotspot für die LGBTQIA+-Community“ und „legendäres Bermudadreieck“. Nur: Anders als das Bermudadreieck im Atlantik, das der Legende nach ganze Schiffe verschwinden lässt, vermag die 150 Meter lange Kneipenstraße in der Kölner Innenstadt noch nicht einmal Lärm zu verschlucken. Für die vielen Feiernden, aber auch für die Wirte und die Stadtverwaltung könnte das nun zum Problem werden.
Denn wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, läuft seit Monaten eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen mindestens einem lärmgeplagten Anwohner und der Stadt. Der Mann hatte die Stadt dem Vernehmen nach vor dem Verwaltungsgericht verklagt, er forderte, dass die nächtlichen Ruhezeiten eingehalten werden.
Köln: Anwohner schrieben Beschwerdebrief an Reker und Hupke
Vor allem an den Wochenenden abends und in der warmen Jahreszeit drängen sich tausende Menschen nicht nur in den Clubs und Bars, sondern stehen auch davor auf den Gehwegen und der Straße, teilweise auch in den umliegenden Straßen, und sorgen nach Darstellung von Anwohnern für unzumutbaren Lärm. Vor allem während der Corona-Lockdowns, als die Clubs geschlossen waren, entwickelte sich das zum Phänomen.
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Eine Anwohnerin hatte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ schon vor vier Jahren geschildert, sie leider unter Schlafstörungen. Ihr Sohn könne nur noch mit geräuschunterdrückenden Kopfhörern einschlafen. Die Bürgerinitiative Mauritiusviertel forderte am 31. Mai 2022 in einem Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Bezirksbürgermeister Andreas Hupke eine „konsequente Durchsetzung der gesetzlichen Nacht- und Sonntagsruhe, besonders im Bereich rund um die Schaafenstraße“. Mit ihren Klagen waren die Mutter und die Bürgerinitiative offenbar nicht allein.
Köln: Stadt bestätigt Lärmgutachten, nennt aber keine Details
Vor dem Verwaltungsgericht sollen sich der lärmgeplagte Kläger und die Stadt Köln voriges Jahr auf einen Vergleich geeinigt haben. Die Stadt sagte zu, ein Lärmgutachten erstellen zu lassen. Im Spätsommer soll daraufhin an mehreren Tagen die Lautstärke an der Wohnung des Klägers gemessen worden sein. Das Ergebnis liegt nun vor, und wie zu erfahren ist, soll es die Stadt zum Handeln zwingen: Denn die zulässigen Grenzwerte von 45 Dezibel nachts sollen mehrfach überschritten worden sein, und zwar teils deutlich. Der Lärm an der Schaafenstraße, so heißt es, werde zeitweise als „gesundheitsgefährdend“ eingestuft.
Auf Anfrage bestätigte ein Stadtsprecher am Montag, dass es das Lärmgutachten gibt, teilte dazu weiter aber nur mit, das Gutachten befinde sich noch „in der verwaltungsinternen Auswertung“. Nach Abschluss dieser Auswertung werde die Stadt Köln „mit beteiligten Akteuren Gespräche führen, um die Ergebnisse und mögliche Maßnahmen zu besprechen“.
Was das konkret zur Folge haben könnte – unklar. Im äußersten Fall könnten auf der Schaafenstraße bald Verhältnisse herrschen wie am Brüsseler Platz. Auch dort hatten lärmgeplagte Anwohner über Jahre einen rechtlichen Streit mit der Stadt ausgefochten – letztlich mit Erfolg. Im September 2023 verpflichtete das Oberverwaltungsgericht in Münster die Verwaltung, wirksame Maßnahmen zur Einhaltung der Nachtruhe umzusetzen. Weil alle anderen Versuche der Stadt, den Brüsseler Platz zu beruhigen, scheiterten, gilt dort nun seit dem 7. Februar freitags, samstags und vor Feiertagen ein Verweilverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Den Platz in dieser Zeit zu überqueren ist nach wie vor erlaubt, Stehen- und Sitzenbleiben ist verboten. Restaurants und Kneipen müssen zudem ihre Außenbereiche um 22 Uhr schließen.
Die Schaafenstraße wäre nach dem Brüsseler Platz der zweite Ort in der Stadt, an dem Ausgehen und Feiern im öffentlichen Raum durch rechtliche Vorschriften stark eingeschränkt werden würde. Ob womöglich noch weitere Plätze oder Straßen folgen könnten, ist derzeit völlig ungewiss. Unmut über zu viel Lärm abends und an Wochenenden regt sich zum Beispiel auch bei Anwohnern des Lenauplatzes in Neuehrenfeld. Vor allem in der Corona-Zeit trafen sich viele Menschen am Stadtgarten an der Venloer Straße, vom üblichen Ausgehlärm in der Altstadt, auf den Ringen oder im Zülpicher Viertel einmal ganz zu schweigen.
Stadtdirektorin Andrea Blome hatte voriges Jahr im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt, der Interessenausgleich zwischen Feiernden und Anwohnern werde in einer Stadt wie Köln „immer schwieriger“. Bezogen auf den Heumarkt, wo sich ebenfalls viele Anwohnerinnen und Anwohner durch den Lärm der vielen Veranstaltungen dort gestört fühlen, sagte Blome: „Jeder Akteur in Köln bestimmt ein Stück weit mit, wie wir leben.“ Die Anwohnenden am Heumarkt hätten Lärmbelastungen lange hingenommen. „Aber irgendwann war es wohl doch zu viel“.