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„Erinnert an Corona-Zeiten“So lief das erste Wochenende mit Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Zwei Männer werden am Brüsseler Platz kontrolliert.

Zwei Männer werden am Brüsseler Platz kontrolliert.

Seit Jahren ist am Brüsseler Platz viel los. Nun gilt vorerst seit Freitag am Wochenende ein Verweilverbot. Wir waren bei der Premiere dabei.

„Wie still es ist!“, sagt ein junger Mann zu seiner Begleitung. Sie gehen am Freitagabend über den Brüsseler Platz, in den Händen halten sie Bierflaschen. Seit einer knappen Stunde gilt auf dem Platz das von der Stadt Köln erlassene Verweilverbot.

Um die Anwohnenden nachts besser vor Lärm zu schützen, gilt seit 7. Februar das Verbot freitags, samstags und vor Feiertagen von 22 bis 6 Uhr rund um den Brüsseler Platz. Personen dürfen über den Platz gehen, sich aber nicht setzen oder stehen bleiben. Auch die Lokale rund um den Platz sind betroffen und müssen ihren Außenanlagen schließen. Nur rauchende Gäste dürfen vor den Lokalen stehen.

Dem Verweilverbot ging ein Rechtsstreit voraus: Anwohner hatten die Stadt wegen des nächtlichen Lärms verklagt, weil vor allem an warmen Abenden sich teils hunderte Menschen am Platz in Kleingruppen treffen und insgesamt zu laut sind. 2023 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt, dass der Lärm für die Anwohner gesundheitsgefährdend sei. Die Stadt müsse für Nachtruhe sorgen.

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Die Verwaltung hat sich für ein zunächst vorübergehendes Verweilverbot entschieden, und dieser Freitag ist der erste Tag, an dem es gilt. Die Stadt definiert das Verweilverbot wie folgt: „Verweilverbot bedeutet, dass man einen Ort, zum Beispiel einen Platz aufsuchen, sich dort aber nicht aufhalten darf. Man darf also über eine Fläche gehen, aber dort nicht bleiben.“

Brüsseler Platz: 100 Euro Strafe möglich

Verstoßen Menschen nach vorheriger Aufforderung, den Platz zu verlassen, dagegen, kostet es laut Stadt 100 Euro. Der Rat soll im April oder Mai entscheiden, wie es weitergeht am Brüsseler Platz.

Seit 21 Uhr laufen am Freitag Vermittler um den Platz, noch sprechen sie die wenigen Leute nicht an. Zwei junge Männer sitzen auf einer Bank und rauchen. „Der Brüsseler Platz ist kölsches Kulturgut!“, finden sie.

Gerade im Sommer kommen sie gerne her. „Es ist einfach gemeinschaftlich hier.“ Sie können die Beschwerden der Anwohner zwar verstehen, aber es mangele an Alternativen, die genauso zentral seien wie der Brüsseler Platz.

Menschen treffen sich abends gerne am Brüsseler Platz.

Menschen treffen sich abends gerne am Brüsseler Platz.

Bereits vor Beginn der Nachtruhe werden die beiden vom Ordnungsamt angesprochen. Sie müssten gleich den Platz verlassen, sonst koste es 100 Euro Zwangsgeld. Das Ordnungsamt teilt dies allen Anwesenden auf dem Platz mit, vereinzelt gibt es Diskussionen. Aber letztendlich verlassen fast alle vor 22 Uhr den Platz.

Köln: Gastronomen am Brüsseler Platz unzufrieden

Pünktlich holen auch die Betreiber der angrenzenden Lokale ihre Gäste aus den Außenbereichen herein. Ein junger Betriebsleiter ist sichtlich genervt: „Wir finden die neue Regelung scheiße!“ Der Gastronomie würde alles in die Schuhe geschoben werden. Die Stadt habe nie versucht, mit ihnen Kompromisse zu finden. „Unsere Lage ist sowieso schon schlecht. Jetzt kommt noch das dazu.“

Stühle hochgestellt: Ab 22 Uhr muss die Außengastro geschlossen sein.

Stühle hochgestellt: Ab 22 Uhr muss die Außengastro geschlossen sein.

Eine andere Gastronomin klingt ähnlich pessimistisch: Die neue Regelung bedeute weniger Außengastronomie. „Gerade im Sommer wird das für uns finanziell spürbar sein.“ Selbst am Freitag hatten bei drei Grad Celsius ein paar Gäste draußen gesessen. Statt um 23.30 Uhr müssen die Gastronomen nun ab 22 Uhr Schluss machen.

Auch Anwohner im Belgischen Viertel kritisieren das Verbot

Rund ein Dutzend Beamte sind am Freitag im Einsatz. Sie sprechen alle Personen an, die stehen bleiben. Meistens haben diese Getränke dabei. Die Gemüter sind erhitzt, es wird auch mal lauter diskutiert. Es gibt aber erst eine Verwarnung, Geld müssen sie nicht sofort zahlen. Für Montag hat die Stadt eine Bilanz der Premiere angekündigt.

Besonders vor dem Eck-Kiosk bilden sich regelmäßig Grüppchen. Eine Gruppe junger Frauen findet es praktisch – sie stehen gerne hier. „Wer hier hinzieht, muss mit dem Lärm rechnen.“ Aber auch sie gehen weg, als das Ordnungsamt sie anspricht.

Ein Schild fordert zum Schutz der Nachtruhe auf.

Ein Schild fordert zum Schutz der Nachtruhe auf.

(Raucher-)Gruppen stehen weiterhin vor den Lokalen. Unter ihnen Anwohnerin Mela, sie lebt seit mehr als 15 Jahren hier. „Das Verbot ist Unsinn. Jetzt darf ich mich nicht mal mehr als Anwohnerin hier aufhalten.“ Sie leide nachts zwar selbst unter dem Lärm. „Aber das Problem sind nicht die Lokale, sondern besoffene Leute, die um 4 Uhr nachts mit ihren Boxen aufkreuzen.“ Eine Nachtruhe ab 22 Uhr sei nicht zeitgemäß, sie fände 0 Uhr ausreichend.

Gegen 23 Uhr sind hauptsächlich Fahrradfahrer und Hundebesitzer auf dem Brüsseler Platz unterwegs. Viele sind über die Ruhe irritiert, weil ihnen nicht klar war, dass heute schon das Verbot gilt.

Demonstration gegen das Verbot

Am Samstag zeigt sich ein anderes Bild: „Die Partei“ hat zu einer Demonstration aufgerufen. Am Abend ziehen circa 60 Teilnehmende durch das Belgische Viertel, seit 19 Uhr findet die „Abschlusskundgebung“ auf dem Brüsseler Platz statt. Mitglieder der Satire-Partei stehen an einem Lagerfeuer, laute Musik dröhnt über den Platz, überall stehen kleinere Gruppen verteilt.

Viele der Anwesenden sind gar kein Teil der Demo. Für sie ist es ein normaler Samstagabend auf dem Brüsseler Platz: Sie trinken, rauchen und erfreuen sich an der Musik. Neben dem Ordnungsamt ist heute auch die Polizei vor Ort, aber sie bleiben im Hintergrund.

Aaron von Kruedener ist Mitglied von „Die Partei“ und sagt: „Wir demonstrieren hier, weil die Anwohner unglaublich nerven. Langfristig wollen wir erreichen, dass der Platz zum Herumlungern erhalten bleibt.“ Es gehe generell um die Frage, wem öffentlicher Raum gehöre. Die Demo sei bis 0 Uhr genehmigt, allerdings gelte für die Demonstrierenden ein Alkohol-Verbot.

Kein Alkohol auf dem Brüsseler Platz

Kurz vor 22 Uhr kündigt „Die Partei“ das Verweilverbot an: Auf dem Platz dürften nur noch Leute bleiben, die sich der Demo zugehörig fühlen und keinen Alkohol konsumieren. Bald darauf geht die Musik aus. Das Ordnungsamt geht herum und spricht alle Personen an, die Bier in der Hand halten oder abseits der Demo stehen.

Nach wenigen Minuten wird es deutlich leerer auf dem Platz, nur noch „Die Partei“ steht am Lagerfeuer. Die meisten ziehen weiter, sie wollen ihr Getränk nicht in den Müll werfen. Ohne Musik und Alkohol fragen einige junge Männer: „Was sollen wir noch hier?!“

Falls doch noch kleine Gruppen auf dem Platz stehen bleiben, kommt zeitnah das Ordnungsamt und weist auf das Verbot hin. Wie schon gestern geht das meist ruhig vonstatten.

„Es ist echt spooky hier. Das erinnert schon fast an Corona-Zeiten“, sagt ein Passant. Aber in den Seitenstraßen sammeln sich die Leute weiterhin. Da sei es so laut wie immer. Und eine weitere Anwohnerin gibt zu bedenken: „Es ist halt Februar. Mal abwarten, was der Sommer bringt.“