Menschen sollen sich ab Februar nachts am Wochenende nicht mehr auf dem Brüsseler Platz aufhalten. Auch einen Zaun plant die Stadt. Der Überblick.
Jahrelanger Lärm-StreitStadt will Brüsseler Platz absperren – „Das wäre der Tod für den Platz“
Die Stadt Köln prüft, die Kirche St. Michael am Brüsseler Platz einzuzäunen, um im jahrelangen Lärm-Streit die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner zu schützen. Damit kommt sie möglicherweise einer Idee nach, die das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) in seinem Urteil im September 2023 thematisiert hatte.
Das OVG hatte die Stadt Köln verurteilt, mehr für die Gesundheit der Anwohner zu tun. Am Montag teilte die Stadt zu möglichen Zäunen mit: „Da bisher keine andere Maßnahme zur Einhaltung der Nachtruhe führte, haben wir die Idee aufgenommen und werden sie planen.“ Noch spricht sie aber von einer Möglichkeit.
Zudem soll ab dem 1. Februar vorübergehend freitags, samstags und vor Feiertagen ein nächtliches Verweilverbot von 22 und 6 Uhr rund um die Kirche gelten, die Außenplätze der Kneipen und Restaurants vor Ort sollen nur noch bis 22 Uhr nutzbar sein. Von einem Alkoholkonsum- oder Verkaufsverbot hält die Stadt laut eigener Aussage nichts. Der Stadtrat soll über die Pläne in den nächsten Wochen diskutieren und möglicherweise am 3. April entscheiden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Was ist das Problem am Brüsseler Platz?
Am Brüsseler Platz versammeln sich vor allem an warmen Sommerabenden seit mehr als 15 Jahren viele kleine Gruppen rund um St. Michael. Zusammen genommen sind es schon mal Hunderte Menschen. Isoliert betrachtet sind die Kleingruppen nicht zu laut, doch als Menschenmenge schon. Das macht es rechtlich schwierig, dagegen vorzugehen. Die Stadt hat einiges dagegen getan, doch nichts hat richtig funktioniert. Im Jahr 2015 hatten fünf Anwohner die Stadt verklagt, sie forderten die Verwaltung auf, zwischen 22 und 6 Uhr für Nachtruhe zu sorgen. Das OVG sah das 2023 auch so. Demnach sind die Lärm-Messwerte „jenseits von Gut und Böse“ und „nicht zumutbar“. Aktuell versuchen Vermittler an bestimmten Tagen, die Menschen zum Verlassen des Platzes zu bewegen.
Warum teilt die Stadt die neuen Pläne gerade jetzt mit?
Weil das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im September die Beschwerde der Stadt gegen das OVG-Urteil als „unbegründet“ abgelehnt hatte. Und dadurch ist das OVG-Urteil rechtskräftig, wie berichtet hatte die Verwaltung angekündigt, sich daran zu orientieren. Stadtdirektorin Andrea Blome sagte am Montag: „Wir haben die Entscheidung des OVG Münster zu respektieren und umzusetzen.“ Zuvor hatte das OVG keine Revision gegen sein eigenes Urteil vom 28. September 2023 zugelassen. OVG-Richterin Annette Kleinschnittger hatte die Stadt dazu verurteilt, deutlich mehr als bislang zu tun. Sie sagte vor einem Jahr: „Die bisherigen Maßnahmen der Stadt sind evident unzureichend.“ Jetzt will die Stadt härtere Einschnitte umsetzen.
Was sagt einer der Kläger?
Dieter Reichenbach ist einer der fünf Anwohner, die 2015 die Klage gegen die Stadt Köln vor dem Verwaltungsgericht eingereicht hatten. Dem vorausgegangen waren schon mehrere Jahre Verhandlung mit der Stadt. Mittlerweile ist Reichenbach 82 Jahre alt und sagt: „Das wäre ein großer Schritt in Richtung nächtlicher Ruhe.“
Was ist mit einem Verweilverbot gemeint?
Das Verbot galt auch schon zu Corona-Zeiten, die Stadt schreibt dazu: „Verweilverbot bedeutet, dass man einen Ort, zum Beispiel einen Platz aufsuchen, sich dort aber nicht aufhalten darf. Man darf also über eine Fläche gehen, aber dort nicht bleiben.“ Das Verbot gilt zunächst schon freitags, samstags und vor Feiertagen ab dem 1. Februar, zunächst übergangsweise, weil die Stadt erst noch eine sogenannte ordnungsbehördliche Verordnung erstellt. Tritt diese ab Ende April/Anfang Mai in Kraft, kann sie Bußgelder von 500 bis 1000 Euro ausstellen. Auch vorher kann die Stadt bei Verstößen einen Platzverweis oder ein Zwangsgeld ausstellen. Ob das Verweilverbot später jede Nacht gilt, ist aktuell noch offen.
Ist eine Nachtruhe in der Kölner Innenstadt umsetzbar?
Es spricht Bände, dass die Stadt Köln selbst diese Frage im Internet aufwirft, dort heißt es: „Ist es zeitgemäß, in einer Millionenstadt wie Köln selbst am Wochenende eine Nachtruhe ab 22 Uhr festzulegen?“ Sie verweist in der Antwort auf die Gesetzeslage. „Eine Änderung dieser Zeiten müsste in Politik und Gesellschaft diskutiert werden.“
Und was ist mit dem Zaun?
Den hatte die OVG-Richterin damals als „letztes Mittel“ genannt – und dazu scheint die Verwaltung jetzt bereit zu sein, zunächst aber für sechs Monate als Provisorium. Der Zaun ist aber nur eine Option, weitere nennt die Stadt aber nicht. Domkapitular Dominik Meiering, Koordinator des Sendungsraums Kölner Innenstadt, hat einen Zaun um die Kirche voriges Jahr skeptisch gesehen. Am Montag war er kurzfristig nicht zu erreichen. Auch im Kölner Stadtrat gibt es dafür keine Mehrheit, das hatte eine Abfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Anfang Oktober ergeben.
Was passiert mit der Außengastronomie?
Die Verwaltung kündigte baldige Gespräche an. „Klar ist, dass – um weitere nächtliche Lärmquellen zu reduzieren – die Außengastronomie auf und am Platz ab 22 Uhr geschlossen werden muss.“ Maria Karpathiotaki führt das Restaurant Ouzeria am Brüsseler Platz und sagte dieser Zeitung: „Für den Platz bedeutet das den Tod.“ Die letzte Getränkerunde auf der Terrasse würde es dann um 21.30 Uhr geben, sagt Karpathiotaki. „Aber das Problem sind nicht die Leute, die in den Restaurants sitzen.“ Die Gastronomen am Platz sollen am Montag über den Plan informiert worden sein, wollten sich aber größtenteils auf Anfrage nicht äußern.
Ein Alkoholkonsum- oder verkaufsverbot kommt nicht?
Ja. Beides hält die Stadt für ungeeignet, unter anderem, weil auch nüchterne Menschen zu laut sind.