Wie die Stadt den Lärm-Streit im Belgischen Viertel löst, kann Auswirkungen auf andere Konflikte in der Innenstadt haben. Was sie jetzt plant.
Rat soll im April entscheidenStadtverwaltung will Verweilverbot am Brüsseler Platz massiv ausweiten

Die Stadt will das Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz verschärfen.
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Die Stadtverwaltung will den Lärmschutz am Brüsseler Platz mit einem nächtlichen Verweilverbot massiv ausweiten: Es soll 365 Tage im Jahr von 22 bis 6 Uhr gelten. Seit dem 7. Februar gilt das Verbot übergangsweise schon vorübergehend freitags, samstags und vor Feiertagen zwischen 22 und 6 Uhr.
An einem der beliebtesten Plätze in der Innenstadt soll es zukünftig also das ganze Jahr über nicht mehr erlaubt sein, sich nachts länger aufzuhalten. Denn die Stadt definiert das Verweilverbot wie folgt: „Verweilverbot bedeutet, dass man einen Ort, zum Beispiel einen Platz aufsuchen, sich dort aber nicht aufhalten darf. Man darf also über eine Fläche gehen, aber dort nicht bleiben.“
Wer vorsätzlich dagegen verstößt, muss laut Verwaltung 1000 Euro zahlen, bei „fahrlässigen Zuwiderhandlungen“ sind es höchstens 500 Euro.
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Noch muss aber der Stadtrat darüber entscheiden: Das Gremium soll in seiner Sitzung am 3. April einer neuen ordnungsbehördlichen Verordnung zustimmen, die die Stadtverwaltung am Freitag veröffentlichte.
Ob er aber tatsächlich zustimmt, ist noch nicht abzusehen. Die Ratsfraktionen von Grünen, CDU, SPD und Linke (zusammen 72 von 90 Sitzen) sagten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag, sie wüssten noch nicht, ob sie der Vorlage zustimmen werden oder nicht. Sie müssten sich noch beraten.
Die Ausweitung auf alle Wochentage begründet die Stadt damit, dass die kritische Lärmwertgrenze von 60 Dezibel nicht erst von einer großen Menschenansammlung von mehreren hundert Personen überschritten werde. „Schon kleinere Menschenmengen von 20 bis 50 Personen ohne lautes Grölen und Johlen reichen aus, um die gesetzlichen Werte zu überschreiten“, heißt es in der Beschlussvorlage. Sie bezieht sich auf Messungen aus dem Dezember 2024.
Stadt Köln muss am Brüsseler Platz auf OVG-Urteil reagieren
Auf das Verweilverbot setzt die Stadt, obwohl sie im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) seine Wirksamkeit selbst anzweifelte, weil es auch ohne Partylärm am Brüsseler Platz nachts laut ist.
Im Urteil heißt es über die Aussage der Stadt: „Der Erlass eines Verweilverbotes könne daher nicht dafür sorgen, dass die in der Technischen Anleitung Lärm vorgesehenen, niedrigeren Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete bzw. Mischgebiete erreicht würden.“ Jetzt schreibt die Verwaltung zum Entwurf der neuen Verordnung: Ein milderes, aber gleich effektives Mittel sei nicht ersichtlich.
Am Brüsseler Platz im Belgischen Viertel versammeln sich vor allem an warmen Sommerabenden seit mehr als 15 Jahren viele kleine Gruppen rund um St. Michael. 2023 hatte das OVG die Stadt Köln verurteilt, zwischen 22 und 6 Uhr für Nachtruhe zu sorgen, um die Gesundheit der Anwohner zu schützen. Fünf von ihnen hatten geklagt.
Das OVG hatte das Verweilverbot als eine Option bezeichnet. Es betrifft auch die zahlreichen Gastronomen mit Lokalen um den Platz, die seit Februar ab 22 Uhr ihren Außenbereich nicht mehr nutzen dürfen. Zuvor durften sie bis 23.30 Uhr öffnen. Sie wehren sich vehement gegen die Einschränkungen.
Stadtdirektorin Andrea Blome hatte im Dezember gesagt: „Wir werden natürlich vor Ort sein und kontrollieren, aber wir werden den Platz nicht mit Brachialgewalt räumen.“ Am Freitag fragten sich Beteiligte, wie die Stadt ein solches Verbot das ganze Jahr über wirklich kontrollieren will.
Grundlage für das bislang geltende Verbot ist eine Allgemeinverfügung der Stadtverwaltung, die keiner politischen Zustimmung bedurfte. Im zweiten Schritt will sie diese Regeln jetzt ausweiten und mit einer Verordnung festsetzen.
In die Entstehung der geplanten Verordnung band die Stadtverwaltung seit Mitte Dezember diverse Beteiligte ein, darunter die Polizei, Kirche, Industrie- und Handelskammer Köln (IHK) und Bürgerinnen und Bürger. Wie den Anlagen der Beschlussvorlage für den Rat zu entnehmen ist, gibt es neben der Befürwortung eines Anwohners, der sein Schlafzimmer zum Platz hin habe, auch teils harsche Proteste gegen ein Verweilverbot.
Enthalten sind 21 Stellungnahmen von Bürgern und auch Schreiben eingeschalteter Rechtsanwälte. Mahdad Mir Djawadi, der eine Gastronomin vertritt, schreibt: „Die – rechtlich nicht haltbare – Rechtsauffassung der Stadt Köln würde in ihrer Konsequenz zu einer weitreichenden Verödung des urbanen Lebens führen.“
Interessenskonflikt unter Gastronomen und verschiedene Anwohnern am Brüsseler Platz
Am Freitag sagte Claudia Papke in ihrem Café „Miss Päpki“ direkt am Brüsseler Platz: „Schade ist, dass die Stadt keine anderen Lösungen getestet hat, wie zum Beispiel ein Alkoholverbot, sondern von vornherein das Verweilen verbietet.“ Papke schließe ihr Lokal zwar schon vor 22 Uhr, sagte aber: „Indirekt sind auch wir betroffen, wenn die ganze Gastronomie abzieht und der Platz sozusagen kaputtgeht.“ Andere wie Petra Uher, sie wohnt in der benachbarten Bismarckstraße, zeigten Verständnis für die Anwohner am Platz: „Sobald man das Fenster aufmacht, ist der Lärm unerträglich – auch unter der Woche.“
Wie die Stadt den Lärm-Streit am Brüsseler Platz löst, kann entscheidend für weitere Interessenskonflikte an anderen Plätzen in der Innenstadt sein (wir berichteten). Lärmgrenzerwerte werden vielerorts überschritten, die Stadt befindet sich zum Beispiel auch mit Anwohnern der Schaafenstraße in einer rechtlichen Auseinandersetzung. Blome sagte voriges Jahr auf die Frage „Wo kein Kläger, da kein Richter?“ im Interview: „Ja, das ist ja nicht nur in Köln so.“
Kölner Ratsfraktionen wollen sich zur geplanten Verordnung noch beraten
Bernd Petelkau, Vorsitzender der 20-köpfigen CDU-Fraktion und des Ausschusses für Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen, teilte mit: „Dabei ist es uns wichtig, die geplanten Maßnahmen auch im Zusammenhang mit der Situation an der Schaafenstraße zu betrachten.“
Volker Görzel, Vorsitzender der fünfköpfigen FDP-Fraktion, sagte zum generellen Verweilverbot ab 22 Uhr: „Köln lebt von seiner abendlichen Beisammensein-Kultur, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht schrittweise eine Stadt schaffen, in der ab 22 Uhr die Bordsteine hochgeklappt werden.“ Volt (vier Sitze) kündigte an, der Vorlage nicht zustimmen zu wollen. Die Fraktionsvorsitzende Jennifer Glashagen sagte: „Das Verweilverbot auszuweiten, ohne die bisherige Stufe ordentlich zu evaluieren, ist unsachlich und in der Reihenfolge falsch.“
Die Stadt könnte auch mit anderen Optionen auf das bestehende Urteil reagieren. Das hatte OVG-Richterin Annette Kleinschnittger offengelassen, aber als Möglichkeiten das nächtliche Verweilverbot, ein zeitlich begrenztes Alkoholkonsumverbot oder „als letztes Mittel“ sogar einen Zaun um die Kirche genannt.
Ein Alkoholkonsumverbot lehnt sie nach den neuen Messungen im Dezember weiterhin ab: „Auch wenn bisher Alkoholkonsum im Rahmen der Ansammlung regelmäßig stattfindet und Alkoholkonsum störendes Verhalten, wie Pöbeleien und Gegröle fördert, besteht die Prognose, dass die reine Menge an Personen auf der Platzfläche bereits zu erheblicher Lärmentwicklung führt, auch wenn auf der Fläche kein (weiterer) Alkohol konsumiert wird.“ Zum Zaun hatte die Verwaltung zuletzt gesagt: „Wir tun alles dafür, den Zaun am Brüsseler Platz zu verhindern.“
Die Stadtverwaltung teilte zudem mit, zur Evaluation der Maßnahmen ein externes Ingenieurbüro mit weiteren Lärmmessungen beauftragen zu wollen. Sie sucht nach einem geeigneten Standort, der aussagekräftige Messungen ermöglicht.