Auf der Schaafenstraße ist im äußersten Fall ein Szenario wie am Brüsseler Platz denkbar. Auch andere Orte in Köln haben sich durch Klagen verändert.
Lärm-DebatteEiner klagt, Tausende sind betroffen – Wo in Köln früher Feierabend als woanders ist

Beim „Cologne Pride“ ist die Schaafenstraße einer der Feier-Hotspots der Stadt
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Einer klagt, Tausende sind betroffen. Für das, was auf der Schaafenstraße passieren könnte, nachdem die Stadt Köln dort auf Initiative eines Anwohners ein Lärmgutachten erstellen gelassen hatte, gibt es ähnlich gelagerte Beispiele. Für die einen ist es das „Recht auf Nachtruhe“, für die anderen wird Köln „totbefriedet“.
Bei der aktuellen Debatte um die 150 Meter lange Kneipenstraße, die vor allem bei der queeren Community beliebt ist, wäre im äußersten Fall ein Szenario wie am Brüsseler Platz denkbar. Dort waren es fünf lärmgeplagte Anwohner, die nach einem jahrelangen Streit mit der Stadt vor Gericht Recht bekamen. Weil die Stadt aber auch danach keine wirksamen Maßnahmen zur Einhaltung der Nachtruhe umsetzen konnte, gilt nun seit dem 7. Februar freitags, samstags und vor Feiertagen ein Verweilverbot zwischen 22 und 6 Uhr.
Anwohner klagen gegen Lärm: Beispiele in Köln häufen sich
Die Zahl der Lärmbeschwerden aufgrund von Menschenansammlungen in der Innenstadt häufen sich. Beispiel Weinwoche: Nach der Klage eines Anwohners gegen den Weihnachtsmarkt auf dem Heumarkt und das dortige vierwöchige Fanfest während der Fußball-Europameisterschaft sah sich die Stadtverwaltung 2024 zum Handeln gezwungen: Nach 18 Jahren wurde die Weinwoche auf dem Heumarkt kurzfristig abgesagt und fand später auf dem Neumarkt statt.
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Das Ordnungsamt patrouilliert abends am Brüsseler Platz. Freitags, samstags und vor Feiertagen gilt ab 22 Uhr ein Verweilverbot. Foto: Uwe Weiser
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Die Kölner Salsa-Szene fürchtete im vergangenen Sommer das Aus, nachdem es Beschwerden über die Open-Air-Tanzveranstaltungen am Ostasiatischen Museum gegeben hatte. Zudem hieß es seitens der Museumsleitung, die Würde des Hauses sei nicht mit dem südamerikanischen Tanz in Einklang zu bringen. Nach mehreren Wochen konnte eine Einigung erzielt werden: Es darf weiter getanzt werden. 22 Uhr muss Schluss sein.

Nach Beschwerden dürfen die Open-Air-Salsa-Tanzpartys am Ostasiatischen Museum weiter stattfinden.
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Für sommerliche Rock- und Popkonzerte ist 22 Uhr in der Regel die Zeit, wo es nach Sonnenuntergang stimmungsvoll wird. Auf der Open-Air-Bühne im Tanzbrunnen dagegen ist spätestens dann Schluss – und das schon seit den 1990er Jahren. Damals hatten drei Anwohner auf das Einhalten der Nachtruhe geklagt. Zudem dürfen Konzerte nicht lauter sein als 75 Dezibel. Selbst für diesen Grenzwert braucht es Sondergenehmigungen. Eine Anlage misst bei jedem Konzert, dass die Grenzwerte eingehalten werden.

Auch das Konzert von Jan Delay 2024 im Tanzbrunnen war an enge Bestimmungen geknüpft.
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„Von den einst drei Anwohnern ist einer noch aktiv, ein zweiter ist hinzugekommen“, berichtet der Betreiber, Koelncongress-Chef Ralf Nüsser. Beide Anwohner haben ihr Domizil auf der anderen Rheinseite. „Der eine hat sich im Winter eine Wohnung gekauft und war im Sommer erstaunt, dass von gegenüber Musik kommt.“ Erstaunt reagieren auch stets auftretende Künstler über die Bestimmungen, von Zuschauern gibt es regelmäßig Beschwerden, „wenn man weiter hinten steht und die Musik fast nur noch als Hintergrund wahrnimmt.“ Nüsser appelliert an die Landesregierung, dass die gesetzlichen Bestimmungen zumindest freitags und samstags 23 Uhr zulassen. „Das Verhalten des Publikums hat sich geändert, wer von außerhalb kommt und noch arbeiten muss, der kann nicht so früh in Köln sein, dass ein Konzert um 22 Uhr schon wieder zu Ende ist.“
Rechtsstreit in der Südstadt wegen Öffnungszeiten
Nüsser selbst wohnt am Heumarkt. Die Verlegung der Weinwoche kann er ebenso nicht nachvollziehen wie Peter Brings, der sich im vergangenen Jahr dazu geäußert hatte: „Wenn du in die Stadt ziehst und alles hast, was die Innenstadt ebenso bietet, musst du auch damit leben, dass es mal laut ist. Man kann nicht nur das nehmen, was man gerade will, und ansonsten muss es hier so still sein wie in der Eifel.“
In der Südstadt läuft seit Jahren ein Rechtsstreit zwischen einem Gastronomen und der Stadt: Nach der Eröffnung des Brauhauses Johann Schäfer an der Elsaßstraße hatte vor allem ein Anwohner-Ehepaar sich über zu viel Lärm beschwert, sodass die beantragte Verlängerung der Öffnungszeiten abgelehnt wurde. Um 17 Uhr darf geöffnet werden, um 22 Uhr muss Schluss sein. Für Betreiber und IG-Gastro-Vorsitzender Till Riekenbrauk ist es ein „Unding, dass einzelne Personen eine derartige Macht haben und all das torpedieren, wofür Köln steht, nämlich eine weltoffene und vielfältige Kulturstadt.“ Es sei geradezu grotesk, dass der Wirt die Außengastronomie des benachbarten Cafés bis 24 Uhr betreiben dürfe, während drinnen, nebenan im Brauhaus, um 22 Uhr Feierabend sein müsse.
Schlagzeilen machte auch die Ankündigung der Volksbühne am Rudolfplatz, dass es 2024 keine Kölsch-Konzerte im ehemaligen Millowitsch-Theater geben werde. Im Mai 2022 gab das Verwaltungsgericht der Klage eines Nachbarn wegen Lärmbelästigung gegen die Stadt Köln recht. Diese hatte der Volksbühne die Genehmigung erteilt, ihr Angebot neben der Theaternutzung um ganzjährige Konzerte und andere Veranstaltungen zu erweitern. Sowohl Stadt als auch Volksbühne legten mit Erfolg Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster ein.
Aber: Die Kölsch-Konzerte kehren dennoch nicht zurück, wie Geschäftsführer Axel Molinski sagt. Man habe sich an die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“, kurz TA Lärm, zu halten. Im Gegensatz zu anderen Konzerten überschreiten die Auftritte von Kölsch-Bands die Grenzwerte: „Weil bei ihnen das Publikum lauthals mitsingt, und dann ist es zu viel“, sagt Molinski. Zwar gab es die TA Lärm schon zu Zeiten des Millowitsch-Theaters, aber damals sei es noch so gewesen: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“