Hugo Winkels vom Verein Cologne Pride findet deutliche Worte dafür, was er von möglichen Einschränkungen wie einem Verweilverbot halten würde.
Lärm an der SchaafenstraßeKölner Aktivist: „Laufe nicht mehr Hand in Hand mit Partner über die Ringe“

Die Schaafenstraße präsentiert sich in Vorbereitung auf den CSD 2024 komplett in Regenbogenfarbe.
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Der Vergleich zum Brüsseler Platz mit seiner Lärmhistorie ist schnell gezogen, wenn es um die Diskussion um zu viel Trubel an der Schaafenstraße geht. Hier hat jüngst ein Gutachten der Stadt ergeben, dass die Lautstärke als zum Teil „gesundheitsgefährdend“ einzustufen ist (wir berichteten).
Hugo Winkels ist bei der ganzen Debatte um Lärm an den Feierhotspots ein Unterschied besonders wichtig: „Der Brüsseler Platz ist eine von vielen Flächen in Köln, wo junge Menschen die Möglichkeit haben, ihren Tag und ihre Nacht zu verbringen. Aber für die LGBTQIA+-Community gibt es nur die Schaafenstraße als Schutzraum“, sagt der Sprecher vom Verein Cologne Pride, der den alljährlichen CSD im Juli ausrichtet, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Gerade in Zeiten, in denen Homofeindlichkeit und queerfeindliche Straftaten nachweislich zunehmen, seien diese „safe spaces“ essenziell. „Ich wohne im Belgischen Viertel. In den 90er Jahren bin ich von der Schaafenstraße über die Ringe nach Hause gelaufen, Hand in Hand mit meinem Partner. Das war selbstverständlich. Das würde ich heute so nicht mehr machen“, sagt der 57-Jährige.
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Cologne-Pride-Vorstand Hugo Winkels
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Auch an der Aachener Straße sei es kritischer geworden. „Auch dort habe ich Anfeindungen bekommen.“ Und das als „normal gewachsener, benehmender Mann, der vielleicht auch als heteronormativer Mann durchgehen könnte“.
Cologne-Pride-Aktivist: Verweilverbot an der Schaafenstraße wäre auch für das Image der Stadt Köln schlecht
Bei transsexuellen Menschen sei die Gefahr sogar noch größer, Zielscheibe von körperlichen und verbalen Angriffen zu sein. Käme es also an der Schaafenstraße etwa zu einem Verweilverbot, wäre dies „ein Skandal“ in seinen Augen. Nicht nur für die Community, sondern auch für die Stadt.
„Wenn wir einen Schutzraum in dieser Form zerstören würden, dann haben wir nicht nur ein Problem mit den Kölner Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch mit dem Tourismus und dem Image der Stadt.“ Dabei gebe Köln seinen Bürgern durchaus Gründe zum Stolz sein: Bei der Bundestagswahl gab es hier mit den niedrigsten Stimmenanteil für die AfD. Im Vergleich zu anderen Großstädten wie Hamburg oder Berlin, wo er eine grassierende Homophobie beobachte, sei Köln auch „immer noch eine wunderbare Insel“, so der gebürtige Rheinländer, der in der Jugend selber seine ersten homosexuellen Erfahrungen hier gemacht hat, und sich früh „in Köln verliebt hat“.
Der Aktivist Winkels stellt sich im schlimmsten Fall Zustände vor, die man längst hinter sich geglaubt habe. Menschen, die eine andere sexuelle Gesinnung haben, suchten früher Lokale mit einer Klappe an der Tür auf. Man musste erst klingeln, um eintreten zu dürfen. „Dort drin fand dann eine Parallelwelt statt und das ist doch das, wogegen wir seit über 50 Jahren kämpfen.“
Ein anderes Schreckensszenario für Winkels: Die jungen Menschen suchen Feierorte in anderen Vierteln auf, wo sie permanent homofeindlichen Situationen ausgeliefert sind. Oder sie ziehen sich in die eigenen vier Wände zurück. Psychische Probleme wären die Folge.
Noch zeigt sich Winkels angesichts der aktuellen Lärmdiskussion, in der alle Beteiligten – Kläger, Wirte und Stadt – Gesprächs- und Kompromissbereitschaft signalisieren, aber optimistisch. Auch möchte der Verein Cologne Pride hier nicht explizit Partei ergreifen, außer für die Anliegen der queeren Community einzustehen.
Auf konkrete Vorschläge verzichtet Winkels daher bewusst: „Wir trauen allen drei zu, dass sie einen sehr guten Kompromiss auf den Weg bringen. Sollte nichts Gutes für die Community herauskommen, würden wir uns einmischen.“ Wo Winkels aber klar wird: „Findet man keine Lösung, ist die Lautstärke nur ein vorgeschobenes Problem. Aber das kann ich mir in Köln nicht vorstellen.“
Homophobie: Enthemmte Kommunikation immer mehr auch auf der Straße
Wie er sich die gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Richtung Homofeindlichkeit erklärt? Durch Social Media, glaubt Winkels. „Manche Menschen haben durch Social Media den Eindruck gewonnen, man dürfte alles sagen und es ist egal. Im Internet ist man anonym, aber die Leute werden immer mutiger und bringen diese Nummer auch auf die Straße.“ Das Netz sorge darüber hinaus für eine Gleichschaltung: Vieles im Bereich Dating habe sich ins Internet verlagert.
Winkels, der neben seinem ehrenamtlichen Engagement beim Cologne Pride als Sprecher verschiedener Events und Senior Sales Manager arbeitet, ist mittlerweile verheiratet. Doch als er auf Partnersuche war, habe er selber gespürt, wie sehr das Netz den Kennenlernprozess beeinträchtige. „Ich war in einer Kneipe, und jemand versuchte, Kontakt zu mir aufzunehmen. Es war so unfassbar, dieser Mensch konnte einfach nicht flirten. Das war Flirten auf Internet. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir also solche analogen Orte des Austauschs an der Schaafenstraße und Pipinstraße eher noch fördern als einschränken.“