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17 Prozent ZuwachsKölner Staatsanwaltschaft registriert mehr queerfeindliche Straftaten

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Die Polizei beobachtet den ColognePride (CSD-Straßenfest) am Gürzenich. Foto: Uwe Weiser

Die Polizei beobachtet den Cologne Pride (CSD-Straßenfest) am Gürzenich. 

2024 hat die Staatsanwaltschaft 183 Ermittlungsverfahren, das ist deutlicher Anstieg. Was die Ursachen sein könnten.

Als ein 15-jähriger Junge am 23. Juli die Trimbornstraße in Köln-Kalk entlangläuft, wird er plötzlich von drei Jungen aufgehalten, die auf Fahndungsfotos sogar noch jünger aussehen. Sie sprechen ihn auf sein regenbogenfarbenes Armband an, beschimpfen den 15-Jährigen, verfolgen ihn bis zur S-Bahn-Haltestelle und fangen schließlich an, mit einem Ledergürtel auf ihn einzuschlagen. So berichtet es die Polizei.

Die Hasskriminalität gegen queere Menschen in Köln hat im vergangenen Jahr zugenommen. Denn der Fall des 15-Jährigen ist nur eines von insgesamt 183 Ermittlungsverfahren wegen Hasskriminalität gegen queere Menschen, die die Kölner Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr geführt hat. 2023 waren es 156 Verfahren, das entspricht einem Anstieg von 17 Prozent, wie aus einem Bericht der Stadtverwaltung hervorgeht. Queer ist ein Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen.

„Auch in Köln gibt es immer mehr queere Menschen, die körperliche oder nicht-körperliche Gewalt (zum Beispiel Beleidigungen) erlebt haben und diese Vorfälle bei der Polizei anzeigen. Die Staatsanwaltschaft Köln berichtet, dass dort jedes Jahr mehr Anzeigen wegen Queerfeindlichkeit vorliegen“, heißt es in dem Bericht. 2020 gab es nur 15 entsprechende Verfahren, 2021 stieg die Anzahl auf 36 und 2022 wurden insgesamt 69 Verfahren geführt. Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Köln umfasst neben den Städten Köln und Leverkusen auch den Rhein-Erft-Kreis, den Rheinisch-Bergischen Kreis und Teile des Oberbergischen Kreises.

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Anstieg queerfeindlicher Straftaten bundesweit noch höher

Die Ursachen für diesen Anstieg sind nicht eindeutig geklärt. Ein Grund dafür könnte laut Staatsanwaltschaft eine erhöhte Anzeigebereitschaft sein, die auch durch Kampagnen von Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft gefördert wird. Die Staatsanwaltschaft geht trotzdem auch weiterhin von einer großen Dunkelziffer aus und schätzt, dass für den Bereich der Staatsanwaltschaft Köln mehr als 5000 Taten pro Jahr nicht zur Anzeige gebracht werden. 

Die Zunahme queerfeindlicher Straftaten könne aber auch den allgemeinen Anstieg politisch motivierter Kriminalität beziehungsweise Diskriminierungskriminalität widerspiegeln, so die Staatsanwaltschaft weiter. Zuletzt berichtete auch Matthias Eiting, der im Vorstand der Wirtegemeinschaft Schaafenstraße sitzt, gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von einer Zunahme queerfeindlicher Übergriffe: „Angriffe auf schwules Leben hat es schon immer gegeben, aber in den vergangenen Jahren hat das sicherlich nochmal zugenommen.“ Immer wieder würden ihm Gäste von Zwischenfällen berichten. „Beleidigungen wie ‚Du Schwuchtel‘ aber auch Angriffe, kommen öfter vor.“

Rabea Maas aus dem Vorstand des queeren Jugendzentrums Anyway berichtete ähnliches: „Wir merken seit mindestens einem halben Jahr, wie die Stimmung gegen marginalisierte Gruppen wie junge queere Menschen in Teilen der Gesellschaft kippt.“ Das merke sie etwa an vermehrten Hasskommentaren gegen das Jugendzentrum im Internet, aber auch direkt vor der Haustür, wo es vermehrt zu Übergriffen gekommen sei.

Bundesweit ist die Zahl queerfeindlicher Straftaten zuletzt gestiegen: Laut des Bundeskriminalamtes hat es im Zusammenhang mit sexueller Orientierung im vergangenen Jahr 1499 Straftaten – davon 288 Gewaltdelikte – gegeben. Das entspricht einem Anstieg von knapp 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Bereich „geschlechtsbezogener Diversität“ stieg die Zahl der Straftaten sogar um mehr als das Doppelte an.