Die Lage in Düsseldorf ist ganz anders, dort sind von 221 Planstellen im Ordnungsamt derzeit 224 besetzt.
Verwahrlosungs-Debatte60 offene Stellen im Ordnungsamt – Qualität der Bewerber oft nicht ausreichend
Nase zu und durch – dieser Gedanke ist bei einem Gang durch Köln keine Seltenheit. Urinlachen auf dem Boden oder vor aller Augen ungeniert pinkelnde Männer begegnet man nicht nur in den dunkelsten Ecken der Stadt, sondern auch im hellen Licht auf Plätzen, in Fußgängerzonen oder an U-Bahn-Haltestellen. Erlaubt ist das natürlich nicht. Wildes Urinieren, kurz gesagt Wildpinkeln, ist nach Paragraf 11 Absatz 1 der Kölner Stadtordnung verboten und somit eine Ordnungswidrigkeit. Wer die Hauswand nimmt statt der nächsten öffentlichen Toilette, dem droht ein Bußgeld in Höhe von 60 bis 150 Euro.
Nun hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker zuletzt eine Debatte zur Sauberkeit und Sicherheit in Köln ausgelöst, als sie im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte, sie sehe eine „zunehmende Verwahrlosung“. Die wilden Pinkeleien sind dabei nur ein Punkt unter vielen, die das Stadtbild Kölns nicht sehr einladend aussehen lassen –Millionenstadt hin oder her. Als Gründe dafür, dass sie als Oberhaupt der Stadt daran kaum etwas ändern könne, nannte Reker neben einer „gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die massiv voranschreitet“ vor allem fehlende politische Mehrheiten und 60 offene Stellen beim Ordnungsamt der Stadt Köln. „Wir finden nur schwer geeignete Mitarbeitende“, sagte Reker.
56 Kilometer rheinabwärts, in Düsseldorf, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Dort seien von 221 Planstellen im Ordnungs- und Servicedienst derzeit 224 Stellen besetzt, teilte die Stadt am Mittwoch auf Anfrage mit. So könne „auf kurzfristige Personalfluktuationen reagiert“ werden. Ein Luxus, von dem die Verwaltung in Köln aktuell nur träumen kann.
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Ordnungsdienst in Köln: vielfältige und anspruchsvolle Tätigkeit
Woran liegt das? Welche Aufgaben müssen Ordnungsamtsmitarbeitende erledigen und welche Fähigkeiten sollten sie für diesen Job mitbringen? Ist der Verdienst so schlecht, dass niemand Lust darauf hat, zum Beispiel Wildpinkler in ihrem Tun einzuschränken? Wir haben nachgefragt und Stadtsprecher Alexander Vogel sagte über die Suche der Verwaltung nach geeigneten Mitarbeitenden für den Kommunalen Ordnungsdienst: „Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ist zufriedenstellend, die Qualität der Bewerberinnen und Bewerber hingegen nicht.“
Das Aufgabengebiet des Kölner Ordnungsdienstes im Ordnungsamt sei vielfältig, und die Tätigkeit mit Schicht-, Wechsel-, Wochenenddienst und Sonderdiensten anspruchsvoll. Die Liste der ordnungsrechtlichen Themen ist lang. Hier ein paar Beispiele: Feiertagsregeln, Glücksspiel, Sperrbezirke der Prostitution, Taxis und Mietwagen, Landeshundegesetz, ordnungsbehördliche Bestattungen, Kampfmittelevakuierungen, Cannabis-Konsum, negative Auswirkungen des Lachgas-Konsums, Ruhestörungen, Wildurinieren, ordnungsbehördliche Gefahrenabwehr bei Groß- und Sondereinsätzen wie Hochwasser, Extremwetterereignissen, Karneval, CSD, Veranstaltungen in den Kölner Stadien, Straßenmusik, Straßenmalerei, negative Auswirkungen durch Drogenkonsum, soziale Randgruppen und ähnliche Konfliktthemen im öffentlichen Raum.9570
Kölner Ordnungsamt stellte 2024 insgesamt 1733 Wildpinkel-Fälle fest
In Sachen Wildpinkeln hätten die Mitarbeitenden des Kommunalen Ordnungsdienstes 2024 insgesamt 1.733 Fälle festgestellt, sagte Vogel am Mittwoch. Einsatzgebiet des Ordnungsamtes seien das öffentliche Straßenland, Parks, Naturschutzgebiete, Spielplätze und ähnliche Flächen. Die Anlagen des Öffentlichen Nahverkehrs inklusive Unterführungen befänden sich in aller Regel im Hausrecht der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Entsprechend der Anzahl der Fälle dürfte die Stadt 2024 von Wildpinklern Ordnungsgelder im unteren sechsstelligen Bereich eingenommen haben, erklärte Vogel. Eine exakte Auswertung sei nur mit großem Aufwand möglich.
Für die Ahndung, sei es von Wildpinklern oder anderen Regelbrechern, braucht es nun aber Mitarbeiter. Wer will den Job? Und wen will die Stadt?
„Die Stadt Köln möchte Personen mit entsprechender physischer wie psychischer Belastbarkeit und zielorientierten Kommunikationsfähigkeiten“, so beschreibt Vogel die Voraussetzungen. Der klassische Weg ist die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Aber Quereinsteiger sind durchaus erwünscht, es gibt jedoch formale Mindestvoraussetzungen: eine handwerkliche oder kaufmännische Berufsausbildung mit zweijähriger Berufserfahrung plus Führerschein Klasse B. Der Lohn: ein monatliches Bruttoentgelt von 3448,96 Euro plus tarifliche Zulagen. Die Vergütung entspreche dem Endamt des mittleren Dienstes, das sei die Entgeltstufe 9a, sagte Vogel.
Weil die Stadt über Jobmessen, ihre jährliche Öffentlichkeitskampagne oder mit Maßnahmen bei Veedelstreffs im Kölner Stadtgebiet und in den Sozialen Medien nicht genug geeignete Bewerberinnen und Bewerber findet, sei jetzt in Planung, „neue, unkonventionelle Wege“ der Personalanwerbung zu probieren. Etwa über den Rundfunk oder durch Netzwerkarbeit mit anderen Institutionen.
Düsseldorfer OB machte Ordnung und Sicherheit zur Chefsache
In Düsseldorf hatte Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) die Ordnung und Sicherheit in der Stadt zur Chefsache erklärt. Sein großes Wahlversprechen war, die Außendienste des Ordnungsamtes innerhalb seiner Amtszeit – also bis 2025 – um 150 Stellen aufzustocken. Vollzug meldete die Stadt Düsseldorf dann bereits im vergangenen September. Die Außendienste seien so gut besetzt wie noch nie, hieß es damals.
Wie machen die das? Mit einer „mehrjährig laufenden Dauerausschreibung sowie verschiedenen Werbekampagnen“, ließ die Stadt Düsseldorf wissen. Insbesondere Social-Media-Kampagnen seien sehr erfolgreich gewesen. Und die Voraussetzungen für Quereinsteiger sind in Düsseldorf härter als in Köln. Es ist eine „abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung sowie eine mindestens dreijährige Berufserfahrung“ nötig, heißt es in der Dauerausschreibung.
Wäre Köln sauberer und sicherer, wenn die 60 freien Stellen beim Ordnungsamt besetzt wären? Zumindest könnte das Ordnungsamt mit mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern präsenter sein auf den Straßen und Plätzen Kölns. Stadtsprecher Vogel spricht von einer „höheren Akzeptanz durch die konsequentere Durchsetzung geltenden Rechts“.