Auch nach 15 Jahren gibt es keinen offiziellen Ort des Gedenkens des Unglücks. Angehörige und Anwohner beklagen das lange Warten.
15. JahrestagReker gedenkt der Opfer des Kölner Archiv-Einsturzes – Kritik von Betroffenen
Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. 15 Jahre sind eine lange Zeit. Aber am Waidmarkt klafft auch nach 15 Jahren noch eine offene Wunde. Dort, wo am 3. März 2009 das Stadtarchiv in Folge von Fehlern bei den Bauarbeiten für die Nord-Süd-Bahn einstürzte und zwei benachbarte Wohnhäuser mit in die Tiefe riss. Das Historische Archiv ist bereits seit 2021 in einem Neubau beheimatet. Die Wunde am Waidmarkt ist geblieben. Einen Gedenkort gibt es auch 15 Jahre nach dem Einsturz nicht.
Und so findet die Gedenkveranstaltung zum 15. Jahrestag des Unglücks – wieder einmal – an der Baustelle statt, in einem wenig würdevollen Umfeld. Am Bauzaun vor der Baugrube sind zwei Blumenkränze der Stadt befestigt. „Zur Erinnerung an Kevin“ steht auf der Schleife des einen, „Zur Erinnerung an Khalil“ auf der des anderen. Es sind die Namen der beiden damals 17 und 24 Jahre alten Männer, die in den Nachbargebäuden wohnten und ihr Leben verloren.
Köln: OB Henriette Reker erinnert an den Archiv-Einsturz vor 15 Jahren
Um 13.58 Uhr, dem genauen Zeitpunkt des Einsturzes, läuten die Glocken aller Südstadtkirchen. Die Menschen halte inne, senken die Köpfe, einige schließen die Augen. Neben dem Glockengeläut ist lautes Vogelgezwitscher zu hören, ansonsten ist es einige Minuten still. Es sind Angehörige der Verstorbenen gekommen, Überlebende, ehemalige und heutige Anwohner, Vertreterinnen und Vertreter der Stadt, der Politik und der KVB.
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Die einzige Rednerin an diesem Sonntag ist Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die an die zwei verstorbenen Männer erinnert, aber auch an die 84 Jahre alte Frau, „die sich wahrscheinlich aus Trauer über den Verlust ihres Zuhauses“ kurze Zeit nach dem Einsturz das Leben genommen hat. Zudem sei das kulturelle Gedächtnis der Stadt versunken. Der Einsturz des Archivs markiere einen einschneidenden Wendepunkt für die Stadt. „Seitdem schauen wir auf diese Wunde inmitten der Innenstadt.“
„Wir sind fest entschlossen, dem Erinnern einen festen Ort in unserer Mitte zu geben“, sagte Reker im Hinblick auf einen offiziellen Gedenkort. Man befinde sich mitten in der Planung für einen Ort des Erinnerns. „Das Erinnern braucht hier am Waidmarkt einen prominenten Platz.“ Die Oberbürgermeisterin dankte denjenigen, die sich „seit Jahren unermüdlich“ dafür einsetzen. Es sei ein Anliegen der Stadt Köln, „den Waidmarkt wieder lebenswerter zu machen“. In den kommenden Tagen würden große und notwendige Schritte dahingehend erfolgen.
Am 8. März beginnt die zweite sogenannte Großbetonage: Dabei wird 28 bis 30 Stunden ununterbrochen Beton in die Baugrube gefüllt, um den noch verbleibenden Raum in der mittleren Etage des Bauwerks zu füllen. Gegen Ende des Jahres oder Anfang 2025 soll laut KVB die Baugrube nah weiteren Arbeiten „abgedeckelt“ sein.
In ihrer Rede erinnert Reker auch daran, dass 2023 der ursprüngliche Wunsch nach einem unterirdischen Gedenkort aufgegeben werden musste. Der Stadtrat hatte beschlossen, die Planung dafür einzustellen. Nun erarbeitet eine Planungswerkstatt, an der neben der Stadt auch die Initiativen „Köln kann auch anders“ und „Archivkomplex“ beteiligt sind, eine oberirdische Alternative.
Wie jedes Jahr am 3. März ist auch Dorothee Joachim zur Gedenkfeier gekommen. Und wie in jedem Jahr trägt sie ihr Schild, das nur ein Fragezeichen in roter Farbe zeigt, umrandet von rot-weißem Baustellen-Absperrband. „Das Schild habe ich anlässlich des ersten Jahrestages gebastelt und auch nach 15 Jahren bleibt das Fragezeichen das Zeichen der Stunde. Noch immer bleibt die Frage: Wie geht es hier weiter?“, fragt die 74-Jährige.
Sie ist Betroffene des Archiveinsturzes: „Hier ist der Ort, an dem die Nachlässe und Erinnerungen meiner Familie begraben wurden.“ Die Mitinitiatorin der Initiative „Archivkomplex“ ist äußerst unzufrieden mit dem, was bisher in punkto Erinnerungskultur passiert ist. Ähnlich äußert sich die Überlebende Christiane Haerlin: „Ich bin dankbar, dass ich nicht verschüttet wurde.“ Die 76-Jährige die am 3. März 2009 im Stadtarchiv an ihrem Buch arbeitete. „Lange war ich hoffnungsvoll im Hinblick auf einen Ort des Gedenkens. Aber die Stadt bremst uns aus.“